Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

tion von aussen gehabt, C. Braun hat nach einer vollkomme-
nen Methode von der desinficirenden Eigenschaft des Chlor-
kalkes Gebrauch gemacht und hatte im Jahre 1849 65, im
Jahre 1850 37, im Jahre 1851 34, im Jahre 1852 137, im
Jahre 1853 52, im Jahre 1858 44 verhütbare Infectionsfälle
von aussen.

Den Grund, warum C. Braun trotz der Anwendung einer
vollkommenen Methode mehr Infectionsfälle von aussen hatte
als ich, finde ich in der Opposition C. Braun's gegen meine
Lehre, wodurch die Vorsicht der Schüler eingeschläfert wurde.

Und wie competent C. Braun bei der Aetiologie des Kind-
bettfiebers mitspricht, geht daraus hervor, dass er die Puerpe-
ralfieber-Epidemien ohne eruirbare Veränderungen beginnen
und ohne eruirbare Ursachen aufhören lässt; obwohl ihm 30
Ursachen des Kindbettfiebers bekannt sind. Scanzoni lässt
doch wenigstens die Wöchnerinnen nur zum Theil ohne eruir-
bare Ursache am Kindbettfieber sterben, für den andern Theil
hat er ein sicheres aetiologisches Moment für das Kindbettfie-
ber in dem Zufalle.

So lange ich als Assistent fungirte, wurden an der II. Kli-
nik die Chlorwaschungen nicht eingeführt. C. Braun behaup-
tet, dass mit dem Jahre 1849 die Chlorwaschungen auch auf
der zweiten Klinik eingeführt und auf das strengste über-
wacht wurden; wie strenge diese Ueberwachung war, geht
daraus hervor, dass die Sterblichkeit, welche an der I. Klinik
in Folge der Chlorwaschungen von 9,92 % in den 12 Jahren
nach Einführung der Chlorwaschungen auf 3,57 % sank, an der
II. Klinik in demselben Zeitraume von 3,35 % nur auf 3,06 %
sich minderte. Der wohlerfahrene Assistent, welcher die Chlor-
waschungen an der II. Klinik auf das strengste überwachte,
und dennoch eine Sterblichkeit im Jänner 1852 von 10 % und
im März 1852 von 12 % hatte, war Dr. Spaeth, gegenwärtig
Professor der Geburtshilfe an der k. k. Josephs-Akademie in
Wien. Ich nenne hier Dr. Spaeth's Name nicht desshalb, um
ihn dadurch zu verunglimpfen, dass ich seinen Namen mit

tion von aussen gehabt, C. Braun hat nach einer vollkomme-
nen Methode von der desinficirenden Eigenschaft des Chlor-
kalkes Gebrauch gemacht und hatte im Jahre 1849 65, im
Jahre 1850 37, im Jahre 1851 34, im Jahre 1852 137, im
Jahre 1853 52, im Jahre 1858 44 verhütbare Infectionsfälle
von aussen.

Den Grund, warum C. Braun trotz der Anwendung einer
vollkommenen Methode mehr Infectionsfälle von aussen hatte
als ich, finde ich in der Opposition C. Braun’s gegen meine
Lehre, wodurch die Vorsicht der Schüler eingeschläfert wurde.

Und wie competent C. Braun bei der Aetiologie des Kind-
bettfiebers mitspricht, geht daraus hervor, dass er die Puerpe-
ralfieber-Epidemien ohne eruirbare Veränderungen beginnen
und ohne eruirbare Ursachen aufhören lässt; obwohl ihm 30
Ursachen des Kindbettfiebers bekannt sind. Scanzoni lässt
doch wenigstens die Wöchnerinnen nur zum Theil ohne eruir-
bare Ursache am Kindbettfieber sterben, für den andern Theil
hat er ein sicheres aetiologisches Moment für das Kindbettfie-
ber in dem Zufalle.

So lange ich als Assistent fungirte, wurden an der II. Kli-
nik die Chlorwaschungen nicht eingeführt. C. Braun behaup-
tet, dass mit dem Jahre 1849 die Chlorwaschungen auch auf
der zweiten Klinik eingeführt und auf das strengste über-
wacht wurden; wie strenge diese Ueberwachung war, geht
daraus hervor, dass die Sterblichkeit, welche an der I. Klinik
in Folge der Chlorwaschungen von 9,92 % in den 12 Jahren
nach Einführung der Chlorwaschungen auf 3,57 % sank, an der
II. Klinik in demselben Zeitraume von 3,35 % nur auf 3,06 %
sich minderte. Der wohlerfahrene Assistent, welcher die Chlor-
waschungen an der II. Klinik auf das strengste überwachte,
und dennoch eine Sterblichkeit im Jänner 1852 von 10 % und
im März 1852 von 12 % hatte, war Dr. Spaeth, gegenwärtig
Professor der Geburtshilfe an der k. k. Josephs-Akademie in
Wien. Ich nenne hier Dr. Spaeth’s Name nicht desshalb, um
ihn dadurch zu verunglimpfen, dass ich seinen Namen mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0507" n="495"/>
tion von aussen gehabt, C. Braun hat nach einer vollkomme-<lb/>
nen Methode von der desinficirenden Eigenschaft des Chlor-<lb/>
kalkes Gebrauch gemacht und hatte im Jahre 1849 65, im<lb/>
Jahre 1850 37, im Jahre 1851 34, im Jahre 1852 137, im<lb/>
Jahre 1853 52, im Jahre 1858 44 verhütbare Infectionsfälle<lb/>
von aussen.</p><lb/>
          <p>Den Grund, warum C. Braun trotz der Anwendung einer<lb/>
vollkommenen Methode mehr Infectionsfälle von aussen hatte<lb/>
als ich, finde ich in der Opposition C. Braun&#x2019;s gegen meine<lb/>
Lehre, wodurch die Vorsicht der Schüler eingeschläfert wurde.</p><lb/>
          <p>Und wie competent C. Braun bei der Aetiologie des Kind-<lb/>
bettfiebers mitspricht, geht daraus hervor, dass er die Puerpe-<lb/>
ralfieber-Epidemien ohne eruirbare Veränderungen beginnen<lb/>
und ohne eruirbare Ursachen aufhören lässt; obwohl ihm 30<lb/>
Ursachen des Kindbettfiebers bekannt sind. Scanzoni lässt<lb/>
doch wenigstens die Wöchnerinnen nur zum Theil ohne eruir-<lb/>
bare Ursache am Kindbettfieber sterben, für den andern Theil<lb/>
hat er ein sicheres aetiologisches Moment für das Kindbettfie-<lb/>
ber in dem Zufalle.</p><lb/>
          <p>So lange ich als Assistent fungirte, wurden an der II. Kli-<lb/>
nik die Chlorwaschungen nicht eingeführt. C. Braun behaup-<lb/>
tet, dass mit dem Jahre 1849 die Chlorwaschungen auch auf<lb/>
der zweiten Klinik eingeführt und auf das strengste über-<lb/>
wacht wurden; wie strenge diese Ueberwachung war, geht<lb/>
daraus hervor, dass die Sterblichkeit, welche an der I. Klinik<lb/>
in Folge der Chlorwaschungen von 9,<hi rendition="#sub">92</hi> % in den 12 Jahren<lb/>
nach Einführung der Chlorwaschungen auf 3,<hi rendition="#sub">57</hi> % sank, an der<lb/>
II. Klinik in demselben Zeitraume von 3,<hi rendition="#sub">35</hi> % nur auf 3,<hi rendition="#sub">06</hi> %<lb/>
sich minderte. Der wohlerfahrene Assistent, welcher die Chlor-<lb/>
waschungen an der II. Klinik auf das strengste überwachte,<lb/>
und dennoch eine Sterblichkeit im Jänner 1852 von 10 % und<lb/>
im März 1852 von 12 % hatte, war Dr. Spaeth, gegenwärtig<lb/>
Professor der Geburtshilfe an der k. k. Josephs-Akademie in<lb/>
Wien. Ich nenne hier Dr. Spaeth&#x2019;s Name nicht desshalb, um<lb/>
ihn dadurch zu verunglimpfen, dass ich seinen Namen mit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[495/0507] tion von aussen gehabt, C. Braun hat nach einer vollkomme- nen Methode von der desinficirenden Eigenschaft des Chlor- kalkes Gebrauch gemacht und hatte im Jahre 1849 65, im Jahre 1850 37, im Jahre 1851 34, im Jahre 1852 137, im Jahre 1853 52, im Jahre 1858 44 verhütbare Infectionsfälle von aussen. Den Grund, warum C. Braun trotz der Anwendung einer vollkommenen Methode mehr Infectionsfälle von aussen hatte als ich, finde ich in der Opposition C. Braun’s gegen meine Lehre, wodurch die Vorsicht der Schüler eingeschläfert wurde. Und wie competent C. Braun bei der Aetiologie des Kind- bettfiebers mitspricht, geht daraus hervor, dass er die Puerpe- ralfieber-Epidemien ohne eruirbare Veränderungen beginnen und ohne eruirbare Ursachen aufhören lässt; obwohl ihm 30 Ursachen des Kindbettfiebers bekannt sind. Scanzoni lässt doch wenigstens die Wöchnerinnen nur zum Theil ohne eruir- bare Ursache am Kindbettfieber sterben, für den andern Theil hat er ein sicheres aetiologisches Moment für das Kindbettfie- ber in dem Zufalle. So lange ich als Assistent fungirte, wurden an der II. Kli- nik die Chlorwaschungen nicht eingeführt. C. Braun behaup- tet, dass mit dem Jahre 1849 die Chlorwaschungen auch auf der zweiten Klinik eingeführt und auf das strengste über- wacht wurden; wie strenge diese Ueberwachung war, geht daraus hervor, dass die Sterblichkeit, welche an der I. Klinik in Folge der Chlorwaschungen von 9,92 % in den 12 Jahren nach Einführung der Chlorwaschungen auf 3,57 % sank, an der II. Klinik in demselben Zeitraume von 3,35 % nur auf 3,06 % sich minderte. Der wohlerfahrene Assistent, welcher die Chlor- waschungen an der II. Klinik auf das strengste überwachte, und dennoch eine Sterblichkeit im Jänner 1852 von 10 % und im März 1852 von 12 % hatte, war Dr. Spaeth, gegenwärtig Professor der Geburtshilfe an der k. k. Josephs-Akademie in Wien. Ich nenne hier Dr. Spaeth’s Name nicht desshalb, um ihn dadurch zu verunglimpfen, dass ich seinen Namen mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/507
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/507>, abgerufen am 12.05.2024.