ren, Gebärenden, Wöchnerinnen zu gestatten, wenn kurze Zeit zuvor ein hilfeleistendes Individuum mit Leichentheilen oder septischen Exsudaten zu thun hatte." Und in der Klinik für Geburtshilfe und Gynaekologie setzt Carl Braun in einer Anmerkung noch hinzu: "Es ist daher die löblichste Vorsicht eines jeden Klinikers, die klinischen Explorationen in den frühesten Morgenstunden vornehmen zu lassen, bevor noch Beschäftigungen an Cadavern vorgenommen werden." Kann Carl Braun aus Ueberzeugung, dass meine Lehre falsch sei, mir opponiren?
Aus der Tabelle, welche sich in gegenwärtiger Schrift, Seite 142, unter Nr. 24 befindet, ersieht der Leser, dass wäh- rend der ersten 39 Jahre des Bestehens des Wiener Gebär- hauses die Sterblichkeit ohne anatomische Grundlage der Me- dicin 1,25 Percent betrug. Durch Annahme der anatomischen Grundlage der Medicin stieg die Sterblichkeit in den nächst- folgenden 10 Jahren auf 5,30 P.-A.
Nun wurde das Gebärhaus in zwei Abtheilungen getrennt und beiden Abtheilungen wurden Schuler und Schülerinnen in gleicher Anzahl zugewiesen. Die Sterblichkeit der I. Ab- theilung steigerte sich in den nächstfolgenden 8 Jahren auf 6,56 P.-A. Durch Zuweisung sämmtlicher Schüler der I. Ab- theilung steigerte sich in den nächstfolgenden 6 Jahren die Sterblichkeit auf 9,92 P.-A. Durch Einführung der Chlorwa- schungen beiläufig Mitte Mai 1847 auf der I Klinik vermin- derte sich die Sterblichkeit auf 5,04 P.-A., und im Jahre 1848, wo das ganze Jahr hindurch durch mich die Chlorwaschungen beaufsichtiget wurden, sank die Sterblichkeit auf 1,27 P.-A. In den folgenden 5 Jahren, in welchen Carl Braun Assistent war, hinzugenommen das Jahr 1858, in welchem Carl Braun als Professor an dieser Klinik fungirte, ereigneten sich 24,692 Geburten, davon starben 613, also 2,48 P.-A., es minderte sich die Sterblichkeit daher im Vergleiche der 6 Jahre, innerhalb welcher an der Klinik für Aerzte keine Chlorwaschungen ge- macht wurden, um 7,44 Proc. Antheil oder mit andern Worten,
ren, Gebärenden, Wöchnerinnen zu gestatten, wenn kurze Zeit zuvor ein hilfeleistendes Individuum mit Leichentheilen oder septischen Exsudaten zu thun hatte.« Und in der Klinik für Geburtshilfe und Gynaekologie setzt Carl Braun in einer Anmerkung noch hinzu: »Es ist daher die löblichste Vorsicht eines jeden Klinikers, die klinischen Explorationen in den frühesten Morgenstunden vornehmen zu lassen, bevor noch Beschäftigungen an Cadavern vorgenommen werden.« Kann Carl Braun aus Ueberzeugung, dass meine Lehre falsch sei, mir opponiren?
Aus der Tabelle, welche sich in gegenwärtiger Schrift, Seite 142, unter Nr. 24 befindet, ersieht der Leser, dass wäh- rend der ersten 39 Jahre des Bestehens des Wiener Gebär- hauses die Sterblichkeit ohne anatomische Grundlage der Me- dicin 1,25 Percent betrug. Durch Annahme der anatomischen Grundlage der Medicin stieg die Sterblichkeit in den nächst- folgenden 10 Jahren auf 5,30 P.-A.
Nun wurde das Gebärhaus in zwei Abtheilungen getrennt und beiden Abtheilungen wurden Schuler und Schülerinnen in gleicher Anzahl zugewiesen. Die Sterblichkeit der I. Ab- theilung steigerte sich in den nächstfolgenden 8 Jahren auf 6,56 P.-A. Durch Zuweisung sämmtlicher Schüler der I. Ab- theilung steigerte sich in den nächstfolgenden 6 Jahren die Sterblichkeit auf 9,92 P.-A. Durch Einführung der Chlorwa- schungen beiläufig Mitte Mai 1847 auf der I Klinik vermin- derte sich die Sterblichkeit auf 5,04 P.-A., und im Jahre 1848, wo das ganze Jahr hindurch durch mich die Chlorwaschungen beaufsichtiget wurden, sank die Sterblichkeit auf 1,27 P.-A. In den folgenden 5 Jahren, in welchen Carl Braun Assistent war, hinzugenommen das Jahr 1858, in welchem Carl Braun als Professor an dieser Klinik fungirte, ereigneten sich 24,692 Geburten, davon starben 613, also 2,48 P.-A., es minderte sich die Sterblichkeit daher im Vergleiche der 6 Jahre, innerhalb welcher an der Klinik für Aerzte keine Chlorwaschungen ge- macht wurden, um 7,44 Proc. Antheil oder mit andern Worten,
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[486/0498]
ren, Gebärenden, Wöchnerinnen zu gestatten, wenn kurze
Zeit zuvor ein hilfeleistendes Individuum mit Leichentheilen
oder septischen Exsudaten zu thun hatte.« Und in der Klinik
für Geburtshilfe und Gynaekologie setzt Carl Braun in einer
Anmerkung noch hinzu: »Es ist daher die löblichste Vorsicht
eines jeden Klinikers, die klinischen Explorationen in den
frühesten Morgenstunden vornehmen zu lassen, bevor noch
Beschäftigungen an Cadavern vorgenommen werden.« Kann
Carl Braun aus Ueberzeugung, dass meine Lehre falsch sei,
mir opponiren?
Aus der Tabelle, welche sich in gegenwärtiger Schrift,
Seite 142, unter Nr. 24 befindet, ersieht der Leser, dass wäh-
rend der ersten 39 Jahre des Bestehens des Wiener Gebär-
hauses die Sterblichkeit ohne anatomische Grundlage der Me-
dicin 1,25 Percent betrug. Durch Annahme der anatomischen
Grundlage der Medicin stieg die Sterblichkeit in den nächst-
folgenden 10 Jahren auf 5,30 P.-A.
Nun wurde das Gebärhaus in zwei Abtheilungen getrennt
und beiden Abtheilungen wurden Schuler und Schülerinnen
in gleicher Anzahl zugewiesen. Die Sterblichkeit der I. Ab-
theilung steigerte sich in den nächstfolgenden 8 Jahren auf
6,56 P.-A. Durch Zuweisung sämmtlicher Schüler der I. Ab-
theilung steigerte sich in den nächstfolgenden 6 Jahren die
Sterblichkeit auf 9,92 P.-A. Durch Einführung der Chlorwa-
schungen beiläufig Mitte Mai 1847 auf der I Klinik vermin-
derte sich die Sterblichkeit auf 5,04 P.-A., und im Jahre 1848,
wo das ganze Jahr hindurch durch mich die Chlorwaschungen
beaufsichtiget wurden, sank die Sterblichkeit auf 1,27 P.-A. In den
folgenden 5 Jahren, in welchen Carl Braun Assistent war,
hinzugenommen das Jahr 1858, in welchem Carl Braun als
Professor an dieser Klinik fungirte, ereigneten sich 24,692
Geburten, davon starben 613, also 2,48 P.-A., es minderte sich
die Sterblichkeit daher im Vergleiche der 6 Jahre, innerhalb
welcher an der Klinik für Aerzte keine Chlorwaschungen ge-
macht wurden, um 7,44 Proc. Antheil oder mit andern Worten,
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/498>, abgerufen am 22.11.2024.
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