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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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peralerkrankungen in der Charite halten konnte, in welchem
er die Epidemie im Monate November mit 20 Todten die
höchste Höhe erreichen lässt, ohne auch nur zu ahnen, welch
erschreckende und zugleich welch verbrecherische Sterblich-
keit dies sei, nachdem diese Sterblichkeit sich ereignete eilf
Jahre später, als man in Wien die Sterblichkeit in Folge des
Puerperalfiebers auf nicht eine Todte unter 100 Wöchnerinnen
zu beschränken lehrte.

Seit 1847 gibt es für mich nichts Erschreckenderes, als
den trostlosen Zustand, in welchem sich noch immer der ge-
burtshilfliche Unterricht in Betreff des Kindbettfiebers an der
überwiegend grössten Anzahl der geburtshilflichen Lehran-
stalten befindet.

In welch erschreckendem Zustande sich der geburtshilf-
liche Unterricht in Bezug auf das Puerperalfieber in Berlin
befindet, hatten wir eben Gelegenheit zu schildern.

Von meinen Schülern, von den Medicinern und den Chirur-
gen gar nicht zu sprechen, über bis jetzt 823 Schülerinnen
von mir als Hebammen die geburtshilfliche Praxis in Ungarn
aus, welche besser wissen als Virchow, warum die grösste An-
zahl der Puerperalepidemien im Winter vorkommen, welche
besser wissen als Virchow, was zu thun, um nicht gleichzeitig
Puerperalfieber zu haben, wenn Kranke mit erysipelatösen,
eroupösen, jauchigen und eitrigen Entzündungen ihrer Pflege
anvertraut werden; und welche aufgeklärter, als die Mitglieder
der Gesellschaft für Geburtshilfe in Berlin, Virchow auslachen
würden, wenn er ihnen einen Vortrag über epidemisches Puer-
peralfieber halten würde.


peralerkrankungen in der Charité halten konnte, in welchem
er die Epidemie im Monate November mit 20 Todten die
höchste Höhe erreichen lässt, ohne auch nur zu ahnen, welch
erschreckende und zugleich welch verbrecherische Sterblich-
keit dies sei, nachdem diese Sterblichkeit sich ereignete eilf
Jahre später, als man in Wien die Sterblichkeit in Folge des
Puerperalfiebers auf nicht eine Todte unter 100 Wöchnerinnen
zu beschränken lehrte.

Seit 1847 gibt es für mich nichts Erschreckenderes, als
den trostlosen Zustand, in welchem sich noch immer der ge-
burtshilfliche Unterricht in Betreff des Kindbettfiebers an der
überwiegend grössten Anzahl der geburtshilflichen Lehran-
stalten befindet.

In welch erschreckendem Zustande sich der geburtshilf-
liche Unterricht in Bezug auf das Puerperalfieber in Berlin
befindet, hatten wir eben Gelegenheit zu schildern.

Von meinen Schülern, von den Medicinern und den Chirur-
gen gar nicht zu sprechen, über bis jetzt 823 Schülerinnen
von mir als Hebammen die geburtshilfliche Praxis in Ungarn
aus, welche besser wissen als Virchow, warum die grösste An-
zahl der Puerperalepidemien im Winter vorkommen, welche
besser wissen als Virchow, was zu thun, um nicht gleichzeitig
Puerperalfieber zu haben, wenn Kranke mit erysipelatösen,
eroupösen, jauchigen und eitrigen Entzündungen ihrer Pflege
anvertraut werden; und welche aufgeklärter, als die Mitglieder
der Gesellschaft für Geburtshilfe in Berlin, Virchow auslachen
würden, wenn er ihnen einen Vortrag über epidemisches Puer-
peralfieber halten würde.


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[477/0489] peralerkrankungen in der Charité halten konnte, in welchem er die Epidemie im Monate November mit 20 Todten die höchste Höhe erreichen lässt, ohne auch nur zu ahnen, welch erschreckende und zugleich welch verbrecherische Sterblich- keit dies sei, nachdem diese Sterblichkeit sich ereignete eilf Jahre später, als man in Wien die Sterblichkeit in Folge des Puerperalfiebers auf nicht eine Todte unter 100 Wöchnerinnen zu beschränken lehrte. Seit 1847 gibt es für mich nichts Erschreckenderes, als den trostlosen Zustand, in welchem sich noch immer der ge- burtshilfliche Unterricht in Betreff des Kindbettfiebers an der überwiegend grössten Anzahl der geburtshilflichen Lehran- stalten befindet. In welch erschreckendem Zustande sich der geburtshilf- liche Unterricht in Bezug auf das Puerperalfieber in Berlin befindet, hatten wir eben Gelegenheit zu schildern. Von meinen Schülern, von den Medicinern und den Chirur- gen gar nicht zu sprechen, über bis jetzt 823 Schülerinnen von mir als Hebammen die geburtshilfliche Praxis in Ungarn aus, welche besser wissen als Virchow, warum die grösste An- zahl der Puerperalepidemien im Winter vorkommen, welche besser wissen als Virchow, was zu thun, um nicht gleichzeitig Puerperalfieber zu haben, wenn Kranke mit erysipelatösen, eroupösen, jauchigen und eitrigen Entzündungen ihrer Pflege anvertraut werden; und welche aufgeklärter, als die Mitglieder der Gesellschaft für Geburtshilfe in Berlin, Virchow auslachen würden, wenn er ihnen einen Vortrag über epidemisches Puer- peralfieber halten würde.

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/489>, abgerufen am 22.11.2024.