an welch immer Stelle des männlichen und weiblichen Kör- pers dasselbe leistet.
Virchow sagt: "Für das Vorkommen von Puerperalfieber- Epidemien sind wesentlich zwei Umstände von Interesse: die Witterungszustände und die gleichzeitigen Erkrankungen. In ersterer Beziehung scheint es, dass die grösste Menge der Epidemien in den Wintermonaten vorgekommen ist.
Zu den gleichzeitigen Erkrankungen gehören nebst acu- ten Exathemen hauptsächlich ausgedehnte erysipelatöse, crou- pöse, jauchige und eiterige Entzündungen."
Es ist ganz richtig, dass die grösste Menge der Epide- mien in den Wintermonaten vorgekommen ist, aber nicht wegen der Witterungszustände des Winters, sondern weil der Winter vorzüglich die Zeit für die Beschäftigungen mit zersetzten Stoffen ist. Als Beweis dass die Witterungszustände keinen Einfluss auf die Hervorbringung des Kindbettfiebers üben, dienen Tabelle Nr. II, Seite 9 und Tabelle Nr. XIX, Seite 120 dieser Schrift.
Es ist eben so richtig, dass mit acuten Exanthemen, mit ausgedehnten erysipelatösen, croupösen, jauchigen, eitrigen Entzündungen gleichzeitig Puerperalfieber vorkommt, und die Ursache dieses gleichzeitigen Vorkommens ist, dass derartige Kranke von Aerzten und Hebammen behandelt und gepflegt werden, welche Aerzte und Hebammen auch Schwangere, Kreissende und Wöchnerinnen behandeln und pflegen.
Sollten die zwei citirten Tabellen Virchow nicht über- zeugen, so ertheilen wir ihm den Rath, er möge sich bei sei- nem Minister des Unterrichtes dahin verwenden, dass der geburtshilfliche Unterricht für so viele Winter unterdrückt werden möge, als nöthig sind, um Virchow durch das Gesund- bleiben der Wöchnerinnen im Winter zu überzeugen, dass die Witterungszustände des Winters nicht dasjenige ist, welches die Kindbettfieber-Epidemien hervorbringt; den Einwurf, dass der geburtshilfliche Unterricht nicht unterdrückt werden dürfe, kann ich nicht gelten lassen, denn ein geburtshilflicher Un-
an welch immer Stelle des männlichen und weiblichen Kör- pers dasselbe leistet.
Virchow sagt: »Für das Vorkommen von Puerperalfieber- Epidemien sind wesentlich zwei Umstände von Interesse: die Witterungszustände und die gleichzeitigen Erkrankungen. In ersterer Beziehung scheint es, dass die grösste Menge der Epidemien in den Wintermonaten vorgekommen ist.
Zu den gleichzeitigen Erkrankungen gehören nebst acu- ten Exathemen hauptsächlich ausgedehnte erysipelatöse, crou- pöse, jauchige und eiterige Entzündungen.«
Es ist ganz richtig, dass die grösste Menge der Epide- mien in den Wintermonaten vorgekommen ist, aber nicht wegen der Witterungszustände des Winters, sondern weil der Winter vorzüglich die Zeit für die Beschäftigungen mit zersetzten Stoffen ist. Als Beweis dass die Witterungszustände keinen Einfluss auf die Hervorbringung des Kindbettfiebers üben, dienen Tabelle Nr. II, Seite 9 und Tabelle Nr. XIX, Seite 120 dieser Schrift.
Es ist eben so richtig, dass mit acuten Exanthemen, mit ausgedehnten erysipelatösen, croupösen, jauchigen, eitrigen Entzündungen gleichzeitig Puerperalfieber vorkommt, und die Ursache dieses gleichzeitigen Vorkommens ist, dass derartige Kranke von Aerzten und Hebammen behandelt und gepflegt werden, welche Aerzte und Hebammen auch Schwangere, Kreissende und Wöchnerinnen behandeln und pflegen.
Sollten die zwei citirten Tabellen Virchow nicht über- zeugen, so ertheilen wir ihm den Rath, er möge sich bei sei- nem Minister des Unterrichtes dahin verwenden, dass der geburtshilfliche Unterricht für so viele Winter unterdrückt werden möge, als nöthig sind, um Virchow durch das Gesund- bleiben der Wöchnerinnen im Winter zu überzeugen, dass die Witterungszustände des Winters nicht dasjenige ist, welches die Kindbettfieber-Epidemien hervorbringt; den Einwurf, dass der geburtshilfliche Unterricht nicht unterdrückt werden dürfe, kann ich nicht gelten lassen, denn ein geburtshilflicher Un-
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[470/0482]
an welch immer Stelle des männlichen und weiblichen Kör-
pers dasselbe leistet.
Virchow sagt: »Für das Vorkommen von Puerperalfieber-
Epidemien sind wesentlich zwei Umstände von Interesse: die
Witterungszustände und die gleichzeitigen Erkrankungen.
In ersterer Beziehung scheint es, dass die grösste Menge der
Epidemien in den Wintermonaten vorgekommen ist.
Zu den gleichzeitigen Erkrankungen gehören nebst acu-
ten Exathemen hauptsächlich ausgedehnte erysipelatöse, crou-
pöse, jauchige und eiterige Entzündungen.«
Es ist ganz richtig, dass die grösste Menge der Epide-
mien in den Wintermonaten vorgekommen ist, aber nicht
wegen der Witterungszustände des Winters, sondern weil
der Winter vorzüglich die Zeit für die Beschäftigungen mit
zersetzten Stoffen ist. Als Beweis dass die Witterungszustände
keinen Einfluss auf die Hervorbringung des Kindbettfiebers
üben, dienen Tabelle Nr. II, Seite 9 und Tabelle Nr. XIX,
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ausgedehnten erysipelatösen, croupösen, jauchigen, eitrigen
Entzündungen gleichzeitig Puerperalfieber vorkommt, und die
Ursache dieses gleichzeitigen Vorkommens ist, dass derartige
Kranke von Aerzten und Hebammen behandelt und gepflegt
werden, welche Aerzte und Hebammen auch Schwangere,
Kreissende und Wöchnerinnen behandeln und pflegen.
Sollten die zwei citirten Tabellen Virchow nicht über-
zeugen, so ertheilen wir ihm den Rath, er möge sich bei sei-
nem Minister des Unterrichtes dahin verwenden, dass der
geburtshilfliche Unterricht für so viele Winter unterdrückt
werden möge, als nöthig sind, um Virchow durch das Gesund-
bleiben der Wöchnerinnen im Winter zu überzeugen, dass die
Witterungszustände des Winters nicht dasjenige ist, welches
die Kindbettfieber-Epidemien hervorbringt; den Einwurf, dass
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/482>, abgerufen am 22.11.2024.
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