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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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Abtheilung des Gebärhauses aufgehört hat, seitdem diese aus-
schliesslich für den Unterricht von Hebammen, die keine
Leichenöffnungen vornehmen, bestimmt ist. Es hat mir nun
die Academie der Wissenschaften aufgetragen, mich näher um
diesen Gegenstand zu kümmern, und ich erlaube mir deshalb,
im Interesse der Wissenschaft und der Humanität an Sie die
Frage zu stellen, ob sich in Ihrer Anstalt oder in der vom
Herrn Geh. Rath Prof. Busch irgend welche Erscheinungen
gezeigt haben, welche geeignet sind, die Ansicht des Dr. Sem-
melweis zu unterstützen."

Zu meinem Bedauren habe ich Herrn Brücke nicht viel
mehr bringen können, als meinen Glauben an die Möglichkeit.

Die einzige directe Thatsache, die ich nach hiesigen Er-
fahrungen*) bringen konnte, war jene oben bemerkte auffal-
lende Antithese bei meinen früheren und jetzigen geburtshilf-
lichen Operationen und jenen Erfolgen**).

*) Bei meiner kürzlichen Anwesenheit im Bade Lippspringe erzählte mir
mein Paderborner Amtsnachfolger, Herr Dr. Everken, dass in seiner
Gebäranstalt das Wochenbettfieber gerade zu einer Zeit geherrscht
habe, als er im Krankenhause besonders häufige Gelegenheit zu Sec-
tionen gehabt und ohne damals die Semmelweis'sche Erfahrung zu
kennen, keinen Anstand genommen habe, oft unmittelbar nach den-
selben die Touchirübungen der Hebammenschülerinnen an Schwan-
geren und Gebärenden zu leiten. Auch er glaube an die Möglichkeit.
Natürlich habe er später solche Unmittelbarkeit vermieden, auch die
unterchlorichtsaure Natronauflösung nicht vergessen.
**) Als ich aus meiner früheren westphälischen Privatpraxis in meinen
jetzigen Wirkungskreis versetzt wurde, bemerkte ich bald einen selt-
samen Gegensatz zwischen der Leichtigkeit geburtshilflicher Operationen
und den Erfolgen dort und hier. Die Mühewaltung eines klinischen
Lehrers der Geburtshilfe lässt sich mit der viel grösseren eines be-
schäftigten Geburtshelfers des platten Landes gar nicht vergleichen.
Wurde ich früher aus meiner Vaterstadt in ein benachbartes Dorf ge-
rufen, so war von einer sogenannten "Zeit der Wahl" zur Wendung
niemals die Rede. Nur die besseren und jüngeren Hebammen erkann-
ten die fehlerhaften Kindeslagen vor dem Blasensprunge, alle älteren
behaupteten, dies sei erst nach dem Blasensprunge möglich, und früh
genug. Mit dem Wasserabflusse war nun der Arm hervorgetrieben;

Abtheilung des Gebärhauses aufgehört hat, seitdem diese aus-
schliesslich für den Unterricht von Hebammen, die keine
Leichenöffnungen vornehmen, bestimmt ist. Es hat mir nun
die Academie der Wissenschaften aufgetragen, mich näher um
diesen Gegenstand zu kümmern, und ich erlaube mir deshalb,
im Interesse der Wissenschaft und der Humanität an Sie die
Frage zu stellen, ob sich in Ihrer Anstalt oder in der vom
Herrn Geh. Rath Prof. Busch irgend welche Erscheinungen
gezeigt haben, welche geeignet sind, die Ansicht des Dr. Sem-
melweis zu unterstützen.“

Zu meinem Bedauren habe ich Herrn Brücke nicht viel
mehr bringen können, als meinen Glauben an die Möglichkeit.

Die einzige directe Thatsache, die ich nach hiesigen Er-
fahrungen*) bringen konnte, war jene oben bemerkte auffal-
lende Antithese bei meinen früheren und jetzigen geburtshilf-
lichen Operationen und jenen Erfolgen**).

*) Bei meiner kürzlichen Anwesenheit im Bade Lippspringe erzählte mir
mein Paderborner Amtsnachfolger, Herr Dr. Everken, dass in seiner
Gebäranstalt das Wochenbettfieber gerade zu einer Zeit geherrscht
habe, als er im Krankenhause besonders häufige Gelegenheit zu Sec-
tionen gehabt und ohne damals die Semmelweis’sche Erfahrung zu
kennen, keinen Anstand genommen habe, oft unmittelbar nach den-
selben die Touchirübungen der Hebammenschülerinnen an Schwan-
geren und Gebärenden zu leiten. Auch er glaube an die Möglichkeit.
Natürlich habe er später solche Unmittelbarkeit vermieden, auch die
unterchlorichtsaure Natronauflösung nicht vergessen.
**) Als ich aus meiner früheren westphälischen Privatpraxis in meinen
jetzigen Wirkungskreis versetzt wurde, bemerkte ich bald einen selt-
samen Gegensatz zwischen der Leichtigkeit geburtshilflicher Operationen
und den Erfolgen dort und hier. Die Mühewaltung eines klinischen
Lehrers der Geburtshilfe lässt sich mit der viel grösseren eines be-
schäftigten Geburtshelfers des platten Landes gar nicht vergleichen.
Wurde ich früher aus meiner Vaterstadt in ein benachbartes Dorf ge-
rufen, so war von einer sogenannten »Zeit der Wahl« zur Wendung
niemals die Rede. Nur die besseren und jüngeren Hebammen erkann-
ten die fehlerhaften Kindeslagen vor dem Blasensprunge, alle älteren
behaupteten, dies sei erst nach dem Blasensprunge möglich, und früh
genug. Mit dem Wasserabflusse war nun der Arm hervorgetrieben;
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[461/0473] Abtheilung des Gebärhauses aufgehört hat, seitdem diese aus- schliesslich für den Unterricht von Hebammen, die keine Leichenöffnungen vornehmen, bestimmt ist. Es hat mir nun die Academie der Wissenschaften aufgetragen, mich näher um diesen Gegenstand zu kümmern, und ich erlaube mir deshalb, im Interesse der Wissenschaft und der Humanität an Sie die Frage zu stellen, ob sich in Ihrer Anstalt oder in der vom Herrn Geh. Rath Prof. Busch irgend welche Erscheinungen gezeigt haben, welche geeignet sind, die Ansicht des Dr. Sem- melweis zu unterstützen.“ Zu meinem Bedauren habe ich Herrn Brücke nicht viel mehr bringen können, als meinen Glauben an die Möglichkeit. Die einzige directe Thatsache, die ich nach hiesigen Er- fahrungen *) bringen konnte, war jene oben bemerkte auffal- lende Antithese bei meinen früheren und jetzigen geburtshilf- lichen Operationen und jenen Erfolgen **). *) Bei meiner kürzlichen Anwesenheit im Bade Lippspringe erzählte mir mein Paderborner Amtsnachfolger, Herr Dr. Everken, dass in seiner Gebäranstalt das Wochenbettfieber gerade zu einer Zeit geherrscht habe, als er im Krankenhause besonders häufige Gelegenheit zu Sec- tionen gehabt und ohne damals die Semmelweis’sche Erfahrung zu kennen, keinen Anstand genommen habe, oft unmittelbar nach den- selben die Touchirübungen der Hebammenschülerinnen an Schwan- geren und Gebärenden zu leiten. Auch er glaube an die Möglichkeit. Natürlich habe er später solche Unmittelbarkeit vermieden, auch die unterchlorichtsaure Natronauflösung nicht vergessen. **) Als ich aus meiner früheren westphälischen Privatpraxis in meinen jetzigen Wirkungskreis versetzt wurde, bemerkte ich bald einen selt- samen Gegensatz zwischen der Leichtigkeit geburtshilflicher Operationen und den Erfolgen dort und hier. Die Mühewaltung eines klinischen Lehrers der Geburtshilfe lässt sich mit der viel grösseren eines be- schäftigten Geburtshelfers des platten Landes gar nicht vergleichen. Wurde ich früher aus meiner Vaterstadt in ein benachbartes Dorf ge- rufen, so war von einer sogenannten »Zeit der Wahl« zur Wendung niemals die Rede. Nur die besseren und jüngeren Hebammen erkann- ten die fehlerhaften Kindeslagen vor dem Blasensprunge, alle älteren behaupteten, dies sei erst nach dem Blasensprunge möglich, und früh genug. Mit dem Wasserabflusse war nun der Arm hervorgetrieben;

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/473>, abgerufen am 22.11.2024.