Dr. Silberschmidt sagt: "Skoda und Semmelweis glau- ben, dass das Leichengift von den Aerzten, die kurze Zeit vorher Sectionen gemacht hatten, bei der Untersuchung in den Organismus der Gebärenden eingeführt werde." Herr Silber- schmidt hat nicht bewiesen, dass dem nicht so sei.
Dr. Silberschmidt sagt: "Zu dieser Meinung brachte sie die Beobachtung, dass auf der zur Untersuchung für die Stu- dierenden bestimmten Abtheilung das Kindbettfieber viel mör- derischer auftrat, als auf der für die Hebammen eingerichteten." Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass die Sterblichkeit an der Aerzteabtheilung nicht grösser war, als an der Hebam- menabtheilung, Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass durch Zerstörung des zersetzten Stoffes, welcher an der Hebammenschule nicht, wohl aber an der Schule für Aerzte anwesend war, die Sterblichkeit sich an der Schule für Aerzte nicht minderte.
Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass deletaere thierische Stoffe in Wunden gebracht, keine Pyaemie verur- sachen.
Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass Chlorwa- schungen zur Verhütung der uns beschäftigenden Affection ungeeignet seien; und wenn Dr. Silberschmidt den Erfolg, mit welchem ich die Chlorwaschungen an der I. Gebärklinik leitete, verschweigt, und dafür die Erfolglosigkeit der Chlor- waschungen, wie selbe Scanzoni in Prag beobachtet, anführt, so thut er das, was so mancher andere meiner Gegner auch thut, er verschweigt einfach die Wahrheit, damit selbe ihm nicht Unrecht geben könne.
Was die Erfolglosigkeit der Chlorwaschungen anbelangt, wie solche Scanzoni beobachtete, so haben wir schon im Ver- laufe dieser Beurtheilung Scanzoni's nachzuweisen, dass nach Einführung der Chlorwaschungen in Wien sich die Sterblich- keit auch in Prag minderte, dadurch, dass die das Prager Gebärhaus Besuchenden durch Aerzte, deren Weg selbe von Wien zufällig nach Prag führte, erfahren, was Dr. Semmel-
Dr. Silberschmidt sagt: »Skoda und Semmelweis glau- ben, dass das Leichengift von den Aerzten, die kurze Zeit vorher Sectionen gemacht hatten, bei der Untersuchung in den Organismus der Gebärenden eingeführt werde.« Herr Silber- schmidt hat nicht bewiesen, dass dem nicht so sei.
Dr. Silberschmidt sagt: »Zu dieser Meinung brachte sie die Beobachtung, dass auf der zur Untersuchung für die Stu- dierenden bestimmten Abtheilung das Kindbettfieber viel mör- derischer auftrat, als auf der für die Hebammen eingerichteten.« Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass die Sterblichkeit an der Aerzteabtheilung nicht grösser war, als an der Hebam- menabtheilung, Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass durch Zerstörung des zersetzten Stoffes, welcher an der Hebammenschule nicht, wohl aber an der Schule für Aerzte anwesend war, die Sterblichkeit sich an der Schule für Aerzte nicht minderte.
Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass deletaere thierische Stoffe in Wunden gebracht, keine Pyaemie verur- sachen.
Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass Chlorwa- schungen zur Verhütung der uns beschäftigenden Affection ungeeignet seien; und wenn Dr. Silberschmidt den Erfolg, mit welchem ich die Chlorwaschungen an der I. Gebärklinik leitete, verschweigt, und dafür die Erfolglosigkeit der Chlor- waschungen, wie selbe Scanzoni in Prag beobachtet, anführt, so thut er das, was so mancher andere meiner Gegner auch thut, er verschweigt einfach die Wahrheit, damit selbe ihm nicht Unrecht geben könne.
Was die Erfolglosigkeit der Chlorwaschungen anbelangt, wie solche Scanzoni beobachtete, so haben wir schon im Ver- laufe dieser Beurtheilung Scanzoni’s nachzuweisen, dass nach Einführung der Chlorwaschungen in Wien sich die Sterblich- keit auch in Prag minderte, dadurch, dass die das Prager Gebärhaus Besuchenden durch Aerzte, deren Weg selbe von Wien zufällig nach Prag führte, erfahren, was Dr. Semmel-
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Dr. Silberschmidt sagt: »Skoda und Semmelweis glau-
ben, dass das Leichengift von den Aerzten, die kurze Zeit
vorher Sectionen gemacht hatten, bei der Untersuchung in den
Organismus der Gebärenden eingeführt werde.« Herr Silber-
schmidt hat nicht bewiesen, dass dem nicht so sei.
Dr. Silberschmidt sagt: »Zu dieser Meinung brachte sie
die Beobachtung, dass auf der zur Untersuchung für die Stu-
dierenden bestimmten Abtheilung das Kindbettfieber viel mör-
derischer auftrat, als auf der für die Hebammen eingerichteten.«
Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass die Sterblichkeit
an der Aerzteabtheilung nicht grösser war, als an der Hebam-
menabtheilung, Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass
durch Zerstörung des zersetzten Stoffes, welcher an der
Hebammenschule nicht, wohl aber an der Schule für Aerzte
anwesend war, die Sterblichkeit sich an der Schule für Aerzte
nicht minderte.
Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass deletaere
thierische Stoffe in Wunden gebracht, keine Pyaemie verur-
sachen.
Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass Chlorwa-
schungen zur Verhütung der uns beschäftigenden Affection
ungeeignet seien; und wenn Dr. Silberschmidt den Erfolg,
mit welchem ich die Chlorwaschungen an der I. Gebärklinik
leitete, verschweigt, und dafür die Erfolglosigkeit der Chlor-
waschungen, wie selbe Scanzoni in Prag beobachtet, anführt,
so thut er das, was so mancher andere meiner Gegner auch
thut, er verschweigt einfach die Wahrheit, damit selbe ihm
nicht Unrecht geben könne.
Was die Erfolglosigkeit der Chlorwaschungen anbelangt,
wie solche Scanzoni beobachtete, so haben wir schon im Ver-
laufe dieser Beurtheilung Scanzoni’s nachzuweisen, dass nach
Einführung der Chlorwaschungen in Wien sich die Sterblich-
keit auch in Prag minderte, dadurch, dass die das Prager
Gebärhaus Besuchenden durch Aerzte, deren Weg selbe von
Wien zufällig nach Prag führte, erfahren, was Dr. Semmel-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/417>, abgerufen am 24.11.2024.
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