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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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den Hände gereiniget werden.

Wenn durch atmosphärische Einflüsse der differente Ge-
sundheitszustand zweier Abtheilungen einer und derselben
Anstalt nicht erklärt werden kann, so ist der differente Ge-
sundheitszustand sehr begreiflich, wenn man weiss, dass an
einer Abtheilung selten, während auf der andern häufig den
Individuen ein zersetzter Stoff von aussen eingebracht wird.

Wenn es durch atmosphärische Einflüsse nicht erklärt
werden kann, wie es denn komme, dass die Wöchnerinnen in
der Stadt gesund sind, während die Wöchnerinnen im Ge-
bärhause derselben Stadt vom epidemischen Kindbettfieber
dahingerafft werden, und wie es denn komme, dass man die
zu Entbindenden dadurch rettet, dass man durch Schliessen
des Gebärhauses sie zwingt, in der Stadt zu entbinden, des-
sen Gebärhaus in Folge atmosphärischer Einflüsse einen
schlechten Gesundheitszustand darbot; so ist alles wohl er-
klärt, wenn man weiss, dass vermöge der Verhältnisse in der
Stadt seltener, in den Gebärhäusern viel häufiger den Indivi-
duen ein zersetzter Stoff von aussen beigebracht wird. Wenn
es durch atmosphärische Einflüsse nicht erklärt werden kann,
wie es denn komme, dass mehrere Gebärhäuser einer und
derselben Stadt einen differenten Gesundheitszustand gleich-
zeitig haben können, so ist die Sache sehr klar, da man nun
weiss, dass das Kindbettfieber durch Einbringung zersetzter
Stoffe entstehe; in den verschiedenen Gebärhäusern einer und
derselben Stadt wird den Individuen in verschiedener Aus-
dehnung der zersetzte Stoff von aussen eingebracht.

Wir haben gesehen, dass an der ersten Gebärklinik zu
Wien die Sterblichkeit durch sechs Jahre dreimal so gross
war, als an der zweiten Gebärklinik, obwohl beide Abthei-
lungen nur durch ein gemeinschaftliches Vorzimmer getrennt
waren. In Strassburg waren zwei Abtheilungen durch ein
Zimmer getrennt, welches die Betten der Hebammen-Schüle-

Semmelweis, Kindbettfieber. 14

suchenden verunreiniget werden, oder dass die untersuchen-
den Hände gereiniget werden.

Wenn durch atmosphärische Einflüsse der differente Ge-
sundheitszustand zweier Abtheilungen einer und derselben
Anstalt nicht erklärt werden kann, so ist der differente Ge-
sundheitszustand sehr begreiflich, wenn man weiss, dass an
einer Abtheilung selten, während auf der andern häufig den
Individuen ein zersetzter Stoff von aussen eingebracht wird.

Wenn es durch atmosphärische Einflüsse nicht erklärt
werden kann, wie es denn komme, dass die Wöchnerinnen in
der Stadt gesund sind, während die Wöchnerinnen im Ge-
bärhause derselben Stadt vom epidemischen Kindbettfieber
dahingerafft werden, und wie es denn komme, dass man die
zu Entbindenden dadurch rettet, dass man durch Schliessen
des Gebärhauses sie zwingt, in der Stadt zu entbinden, des-
sen Gebärhaus in Folge atmosphärischer Einflüsse einen
schlechten Gesundheitszustand darbot; so ist alles wohl er-
klärt, wenn man weiss, dass vermöge der Verhältnisse in der
Stadt seltener, in den Gebärhäusern viel häufiger den Indivi-
duen ein zersetzter Stoff von aussen beigebracht wird. Wenn
es durch atmosphärische Einflüsse nicht erklärt werden kann,
wie es denn komme, dass mehrere Gebärhäuser einer und
derselben Stadt einen differenten Gesundheitszustand gleich-
zeitig haben können, so ist die Sache sehr klar, da man nun
weiss, dass das Kindbettfieber durch Einbringung zersetzter
Stoffe entstehe; in den verschiedenen Gebärhäusern einer und
derselben Stadt wird den Individuen in verschiedener Aus-
dehnung der zersetzte Stoff von aussen eingebracht.

Wir haben gesehen, dass an der ersten Gebärklinik zu
Wien die Sterblichkeit durch sechs Jahre dreimal so gross
war, als an der zweiten Gebärklinik, obwohl beide Abthei-
lungen nur durch ein gemeinschaftliches Vorzimmer getrennt
waren. In Strassburg waren zwei Abtheilungen durch ein
Zimmer getrennt, welches die Betten der Hebammen-Schüle-

Semmelweis, Kindbettfieber. 14
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[209/0221] suchenden verunreiniget werden, oder dass die untersuchen- den Hände gereiniget werden. Wenn durch atmosphärische Einflüsse der differente Ge- sundheitszustand zweier Abtheilungen einer und derselben Anstalt nicht erklärt werden kann, so ist der differente Ge- sundheitszustand sehr begreiflich, wenn man weiss, dass an einer Abtheilung selten, während auf der andern häufig den Individuen ein zersetzter Stoff von aussen eingebracht wird. Wenn es durch atmosphärische Einflüsse nicht erklärt werden kann, wie es denn komme, dass die Wöchnerinnen in der Stadt gesund sind, während die Wöchnerinnen im Ge- bärhause derselben Stadt vom epidemischen Kindbettfieber dahingerafft werden, und wie es denn komme, dass man die zu Entbindenden dadurch rettet, dass man durch Schliessen des Gebärhauses sie zwingt, in der Stadt zu entbinden, des- sen Gebärhaus in Folge atmosphärischer Einflüsse einen schlechten Gesundheitszustand darbot; so ist alles wohl er- klärt, wenn man weiss, dass vermöge der Verhältnisse in der Stadt seltener, in den Gebärhäusern viel häufiger den Indivi- duen ein zersetzter Stoff von aussen beigebracht wird. Wenn es durch atmosphärische Einflüsse nicht erklärt werden kann, wie es denn komme, dass mehrere Gebärhäuser einer und derselben Stadt einen differenten Gesundheitszustand gleich- zeitig haben können, so ist die Sache sehr klar, da man nun weiss, dass das Kindbettfieber durch Einbringung zersetzter Stoffe entstehe; in den verschiedenen Gebärhäusern einer und derselben Stadt wird den Individuen in verschiedener Aus- dehnung der zersetzte Stoff von aussen eingebracht. Wir haben gesehen, dass an der ersten Gebärklinik zu Wien die Sterblichkeit durch sechs Jahre dreimal so gross war, als an der zweiten Gebärklinik, obwohl beide Abthei- lungen nur durch ein gemeinschaftliches Vorzimmer getrennt waren. In Strassburg waren zwei Abtheilungen durch ein Zimmer getrennt, welches die Betten der Hebammen-Schüle- Semmelweis, Kindbettfieber. 14

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/221>, abgerufen am 30.04.2024.