Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

naheliegenden Theil des Kellergrundes fand man von allerlei
riechenden Unreinigkeiten überspült und getränkt, ohne dass
es begreiflicher Weise möglich war zu bestimmen, wie lange
dieser Zustand schon gedauert habe.

"Da die Entdeckung und Beseitigung dieser miasmati-
schen Quelle der Zeit nach zusammenfällt mit der strengeren
Anwendung des neuen Ventilationsapparates, so ist es natür-
lich, dass die Meinungen abweichend und die Entscheidung
zweifelhaft ist, welchem dieser Momente man den wesentlich-
sten Antheil an dem später so günstigen Gesundheitszu-
stande des Hospitals zuschreiben soll. Dr. Rigby hält, wie
gesagt, auf die Ventilation, und sieht den andern Umstand
als weniger bedeutend an, indem er jede Spur einer Keller-
feuchtigkeit ausser der an der Seite des Gebäudes liegenden
Wölbung abläugnet, wo die Entdeckung geschah, und dazu
die Beschreibung des betreffenden Zustandes des Kellergrun-
des für sehr übertrieben hält. Andere dagegen, welche die
persönliche Behinderung des Ventilationssystemes in der er-
sten Zeit nicht beachten, legen besonderes Gewicht auf dieses
Argument gegen die Ventilation, dass dieselbe fast ein Jahr
in Gebrauch gewesen wäre, ohne das epidemische (endemische,
Anm. d. Verf.) Auftreten des Fiebers zu verhindern. Hierzu
lässt sich noch hinzufügen, dass die andern früher genannten
wohlgelegenen Londoner Anstalten, ohne ein künstliches Ven-
tilationssystem und selbst bei minder günstigem Raumverhält-
nisse im Laufe des Jahres einen im Ganzen sehr guten Ge-
sundheitszustand bewahrt haben; aber übersehen darf es von
anderer Seite nicht werden, dass, selbst wenn die nächste und
schlimmste Krankheitsquelle gestopft ist, sich doch noch
mehrere gleicher Art in der niedrigen und sumpfigen Umge-
bung des Hospitals nachweisen lassen, wie die noch übrigen
nicht fernliegenden übelriechenden Gräben, und dass demnach
der Gesundheitszustand so sehr verändert wurde. Legte man
doch den letztgenannten ungünstigen Verhältnissen für die
Katastrophe von 1842 eine solche Bedeutung bei, dass der

11 *

naheliegenden Theil des Kellergrundes fand man von allerlei
riechenden Unreinigkeiten überspült und getränkt, ohne dass
es begreiflicher Weise möglich war zu bestimmen, wie lange
dieser Zustand schon gedauert habe.

»Da die Entdeckung und Beseitigung dieser miasmati-
schen Quelle der Zeit nach zusammenfällt mit der strengeren
Anwendung des neuen Ventilationsapparates, so ist es natür-
lich, dass die Meinungen abweichend und die Entscheidung
zweifelhaft ist, welchem dieser Momente man den wesentlich-
sten Antheil an dem später so günstigen Gesundheitszu-
stande des Hospitals zuschreiben soll. Dr. Rigby hält, wie
gesagt, auf die Ventilation, und sieht den andern Umstand
als weniger bedeutend an, indem er jede Spur einer Keller-
feuchtigkeit ausser der an der Seite des Gebäudes liegenden
Wölbung abläugnet, wo die Entdeckung geschah, und dazu
die Beschreibung des betreffenden Zustandes des Kellergrun-
des für sehr übertrieben hält. Andere dagegen, welche die
persönliche Behinderung des Ventilationssystemes in der er-
sten Zeit nicht beachten, legen besonderes Gewicht auf dieses
Argument gegen die Ventilation, dass dieselbe fast ein Jahr
in Gebrauch gewesen wäre, ohne das epidemische (endemische,
Anm. d. Verf.) Auftreten des Fiebers zu verhindern. Hierzu
lässt sich noch hinzufügen, dass die andern früher genannten
wohlgelegenen Londoner Anstalten, ohne ein künstliches Ven-
tilationssystem und selbst bei minder günstigem Raumverhält-
nisse im Laufe des Jahres einen im Ganzen sehr guten Ge-
sundheitszustand bewahrt haben; aber übersehen darf es von
anderer Seite nicht werden, dass, selbst wenn die nächste und
schlimmste Krankheitsquelle gestopft ist, sich doch noch
mehrere gleicher Art in der niedrigen und sumpfigen Umge-
bung des Hospitals nachweisen lassen, wie die noch übrigen
nicht fernliegenden übelriechenden Gräben, und dass demnach
der Gesundheitszustand so sehr verändert wurde. Legte man
doch den letztgenannten ungünstigen Verhältnissen für die
Katastrophe von 1842 eine solche Bedeutung bei, dass der

11 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0175" n="163"/>
naheliegenden Theil des Kellergrundes fand man von allerlei<lb/>
riechenden Unreinigkeiten überspült und getränkt, ohne dass<lb/>
es begreiflicher Weise möglich war zu bestimmen, wie lange<lb/>
dieser Zustand schon gedauert habe.</p><lb/>
          <p>»Da die Entdeckung und Beseitigung dieser miasmati-<lb/>
schen Quelle der Zeit nach zusammenfällt mit der strengeren<lb/>
Anwendung des neuen Ventilationsapparates, so ist es natür-<lb/>
lich, dass die Meinungen abweichend und die Entscheidung<lb/>
zweifelhaft ist, welchem dieser Momente man den wesentlich-<lb/>
sten Antheil an dem später so günstigen Gesundheitszu-<lb/>
stande des Hospitals zuschreiben soll. Dr. <hi rendition="#g">Rigby</hi> hält, wie<lb/>
gesagt, auf die Ventilation, und sieht den andern Umstand<lb/>
als weniger bedeutend an, indem er jede Spur einer Keller-<lb/>
feuchtigkeit ausser der an der Seite des Gebäudes liegenden<lb/>
Wölbung abläugnet, wo die Entdeckung geschah, und dazu<lb/>
die Beschreibung des betreffenden Zustandes des Kellergrun-<lb/>
des für sehr übertrieben hält. Andere dagegen, welche die<lb/>
persönliche Behinderung des Ventilationssystemes in der er-<lb/>
sten Zeit nicht beachten, legen besonderes Gewicht auf dieses<lb/>
Argument gegen die Ventilation, dass dieselbe fast ein Jahr<lb/>
in Gebrauch gewesen wäre, ohne das epidemische (endemische,<lb/>
Anm. d. Verf.) Auftreten des Fiebers zu verhindern. Hierzu<lb/>
lässt sich noch hinzufügen, dass die andern früher genannten<lb/>
wohlgelegenen Londoner Anstalten, ohne ein künstliches Ven-<lb/>
tilationssystem und selbst bei minder günstigem Raumverhält-<lb/>
nisse im Laufe des Jahres einen im Ganzen sehr guten Ge-<lb/>
sundheitszustand bewahrt haben; aber übersehen darf es von<lb/>
anderer Seite nicht werden, dass, selbst wenn die nächste und<lb/>
schlimmste Krankheitsquelle gestopft ist, sich doch noch<lb/>
mehrere gleicher Art in der niedrigen und sumpfigen Umge-<lb/>
bung des Hospitals nachweisen lassen, wie die noch übrigen<lb/>
nicht fernliegenden übelriechenden Gräben, und dass demnach<lb/>
der Gesundheitszustand so sehr verändert wurde. Legte man<lb/>
doch den letztgenannten ungünstigen Verhältnissen für die<lb/>
Katastrophe von 1842 eine solche Bedeutung bei, dass der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">11 *</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0175] naheliegenden Theil des Kellergrundes fand man von allerlei riechenden Unreinigkeiten überspült und getränkt, ohne dass es begreiflicher Weise möglich war zu bestimmen, wie lange dieser Zustand schon gedauert habe. »Da die Entdeckung und Beseitigung dieser miasmati- schen Quelle der Zeit nach zusammenfällt mit der strengeren Anwendung des neuen Ventilationsapparates, so ist es natür- lich, dass die Meinungen abweichend und die Entscheidung zweifelhaft ist, welchem dieser Momente man den wesentlich- sten Antheil an dem später so günstigen Gesundheitszu- stande des Hospitals zuschreiben soll. Dr. Rigby hält, wie gesagt, auf die Ventilation, und sieht den andern Umstand als weniger bedeutend an, indem er jede Spur einer Keller- feuchtigkeit ausser der an der Seite des Gebäudes liegenden Wölbung abläugnet, wo die Entdeckung geschah, und dazu die Beschreibung des betreffenden Zustandes des Kellergrun- des für sehr übertrieben hält. Andere dagegen, welche die persönliche Behinderung des Ventilationssystemes in der er- sten Zeit nicht beachten, legen besonderes Gewicht auf dieses Argument gegen die Ventilation, dass dieselbe fast ein Jahr in Gebrauch gewesen wäre, ohne das epidemische (endemische, Anm. d. Verf.) Auftreten des Fiebers zu verhindern. Hierzu lässt sich noch hinzufügen, dass die andern früher genannten wohlgelegenen Londoner Anstalten, ohne ein künstliches Ven- tilationssystem und selbst bei minder günstigem Raumverhält- nisse im Laufe des Jahres einen im Ganzen sehr guten Ge- sundheitszustand bewahrt haben; aber übersehen darf es von anderer Seite nicht werden, dass, selbst wenn die nächste und schlimmste Krankheitsquelle gestopft ist, sich doch noch mehrere gleicher Art in der niedrigen und sumpfigen Umge- bung des Hospitals nachweisen lassen, wie die noch übrigen nicht fernliegenden übelriechenden Gräben, und dass demnach der Gesundheitszustand so sehr verändert wurde. Legte man doch den letztgenannten ungünstigen Verhältnissen für die Katastrophe von 1842 eine solche Bedeutung bei, dass der 11 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/175
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/175>, abgerufen am 02.05.2024.