welches von der chirurgischen Abtheilung getrennt, meiner Leitung anvertraut wurde. Durch sechs Jahre hatte ich keine Epidemie ohne Chlorwaschungen.
Dass die grosse Sterblichkeit in den Gebärhäusern nicht durch atmosphärische Einflüsse bedingt ist, geht daraus her- vor, dass, wenn Massregeln getroffen werden, welche geeig- net sind, diese zersetzten Stoffe zu zerstören, dass in diesen Gebärhäusern das sogenannte epidemische Kindbettfieber nicht mehr vorkommt, wenn selbe auch früher durch eine lange Reihe von Jahren alljährlich davon heimgesucht waren. Hie- her gehören die erste Gebärklinik zu Wien und die geburts- hilfliche Klinik zu Pest. Von fremden hiehergehörigen Er- fahrungen werden wir später sprechen.
Das was wir über das Erscheinen und Verschwinden des sogenannten epidemischen Kindbettfiebers sagten, wollen wir hier, in so weit es sich auf das Wiener Gebärhaus bezieht, durch Zahlen beweisen.
Das Wiener Gebärhaus wurde, wie schon angegeben, am 16. August 1784 eröffnet. Siehe Tabelle Nr. XVII. Seite 62.
Als die Medicin in Wien noch der anatomischen Grund- lage entbehrte, ereigneten sich innerhalb 39 Jahren, also bis zum Jahre 1823, 71,395 Geburten, davon starben 897, also 1.25 Percent. Als die Medicin in Wien vom Jahre 1823 ange- fangen die anatomische Grundlage annahm, ereigneten sich bis zum Jahre 1833, in welchem Jahre die Trennung des Ge- bärhauses in zwei Abtheilungen stattfand, also innerhalb zehn Jahren, 28,429 Geburten, davon starben 1509, also 5.30 Per- cent. Siehe Tabelle Nr. XVII. Seite 62.
Im Jahre 1833 fand die Trennung des Gebärhauses in zwei Abtheilungen statt, und es wurden Schüler und Schüle- rinnen beiden Abtheilungen in gleicher Anzahl behufs des ge- burtshilflichen Unterrichtes zugewiesen. Am 10. October 1840 wurden durch eine allerhöchste Entschliessung sämmtliche Schüler der ersten Abtheilung und sämmtliche Schülerinnen
welches von der chirurgischen Abtheilung getrennt, meiner Leitung anvertraut wurde. Durch sechs Jahre hatte ich keine Epidemie ohne Chlorwaschungen.
Dass die grosse Sterblichkeit in den Gebärhäusern nicht durch atmosphärische Einflüsse bedingt ist, geht daraus her- vor, dass, wenn Massregeln getroffen werden, welche geeig- net sind, diese zersetzten Stoffe zu zerstören, dass in diesen Gebärhäusern das sogenannte epidemische Kindbettfieber nicht mehr vorkommt, wenn selbe auch früher durch eine lange Reihe von Jahren alljährlich davon heimgesucht waren. Hie- her gehören die erste Gebärklinik zu Wien und die geburts- hilfliche Klinik zu Pest. Von fremden hiehergehörigen Er- fahrungen werden wir später sprechen.
Das was wir über das Erscheinen und Verschwinden des sogenannten epidemischen Kindbettfiebers sagten, wollen wir hier, in so weit es sich auf das Wiener Gebärhaus bezieht, durch Zahlen beweisen.
Das Wiener Gebärhaus wurde, wie schon angegeben, am 16. August 1784 eröffnet. Siehe Tabelle Nr. XVII. Seite 62.
Als die Medicin in Wien noch der anatomischen Grund- lage entbehrte, ereigneten sich innerhalb 39 Jahren, also bis zum Jahre 1823, 71,395 Geburten, davon starben 897, also 1.25 Percent. Als die Medicin in Wien vom Jahre 1823 ange- fangen die anatomische Grundlage annahm, ereigneten sich bis zum Jahre 1833, in welchem Jahre die Trennung des Ge- bärhauses in zwei Abtheilungen stattfand, also innerhalb zehn Jahren, 28,429 Geburten, davon starben 1509, also 5.30 Per- cent. Siehe Tabelle Nr. XVII. Seite 62.
Im Jahre 1833 fand die Trennung des Gebärhauses in zwei Abtheilungen statt, und es wurden Schüler und Schüle- rinnen beiden Abtheilungen in gleicher Anzahl behufs des ge- burtshilflichen Unterrichtes zugewiesen. Am 10. October 1840 wurden durch eine allerhöchste Entschliessung sämmtliche Schüler der ersten Abtheilung und sämmtliche Schülerinnen
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welches von der chirurgischen Abtheilung getrennt, meiner
Leitung anvertraut wurde. Durch sechs Jahre hatte ich keine
Epidemie ohne Chlorwaschungen.
Dass die grosse Sterblichkeit in den Gebärhäusern nicht
durch atmosphärische Einflüsse bedingt ist, geht daraus her-
vor, dass, wenn Massregeln getroffen werden, welche geeig-
net sind, diese zersetzten Stoffe zu zerstören, dass in diesen
Gebärhäusern das sogenannte epidemische Kindbettfieber nicht
mehr vorkommt, wenn selbe auch früher durch eine lange
Reihe von Jahren alljährlich davon heimgesucht waren. Hie-
her gehören die erste Gebärklinik zu Wien und die geburts-
hilfliche Klinik zu Pest. Von fremden hiehergehörigen Er-
fahrungen werden wir später sprechen.
Das was wir über das Erscheinen und Verschwinden des
sogenannten epidemischen Kindbettfiebers sagten, wollen wir
hier, in so weit es sich auf das Wiener Gebärhaus bezieht,
durch Zahlen beweisen.
Das Wiener Gebärhaus wurde, wie schon angegeben, am
16. August 1784 eröffnet. Siehe Tabelle Nr. XVII. Seite 62.
Als die Medicin in Wien noch der anatomischen Grund-
lage entbehrte, ereigneten sich innerhalb 39 Jahren, also bis
zum Jahre 1823, 71,395 Geburten, davon starben 897, also
1.25 Percent. Als die Medicin in Wien vom Jahre 1823 ange-
fangen die anatomische Grundlage annahm, ereigneten sich
bis zum Jahre 1833, in welchem Jahre die Trennung des Ge-
bärhauses in zwei Abtheilungen stattfand, also innerhalb zehn
Jahren, 28,429 Geburten, davon starben 1509, also 5.30 Per-
cent. Siehe Tabelle Nr. XVII. Seite 62.
Im Jahre 1833 fand die Trennung des Gebärhauses in
zwei Abtheilungen statt, und es wurden Schüler und Schüle-
rinnen beiden Abtheilungen in gleicher Anzahl behufs des ge-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/150>, abgerufen am 27.11.2024.
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