fallend genug, junge Mädchen zu sehen, die mit wichtiger Miene den Puls fühlen und Krankenbeobachtungen auf- schreiben. Sie ahmen aber darin ihre Lehrerin, die erste Hebamme nach, deren Ansehen, welches sie sich am Kran- kenbette zu geben weiss, noch dadurch erhöht wird, dass der Arzt immer ihrer Meinung ist."
Seite 46 sagt Osiander: "Den Leichenöffnungen, die in einem von dem Gebärhause etwas entfernten Gartenhause vor- genommen werden, wohnen die Schülerinnen gewöhnlich bei. Ich habe da oft mit Erstaunen gesehen, welchen lebhaften Antheil einige junge Mädchen an dem Zerfleischen der Lei- chen nahmen, wie sie mit entblössten und blutigen Armen, grosse Messer in der Hand haltend, unter Zank und Gelächter, sich Becken herausschnitten, nachdem sie von dem Arzte die Erlaubniss erhalten hatten, dieselben für sich zu präpariren."
Seite 51 sagt Osiander: "Unter den Beobachtungen bei den Leichenuntersuchungen, an die Baudelocque seine Zu- hörer erinnerte, ist besonders die Zerreissung eines Psoas- muskels in der Anstrengung zur Geburt wichtig.
"Folgende Tabelle wurde von den vorgefallenen Gebur- ten gegeben: Seit dem 9. December 1797 bis zum 31. Mai 1809 sind 17,308 Frauen entbunden, diese haben gegeben 17,499 Kinder, 189 Frauen gebaren Zwillinge, also 1 von 91; nur zwei hatten Drillinge. 2000 Entbundene, zum wenigsten, sind schwer erkrankt, und 700 gestorben und secirt!"
Seite 242 sagt Osiander: "Die Unterleibsentzündung der Wöchnerinnen, das Uebel, welches gewöhnlich mit dem Namen Puerperalfieber bezeichnet wird, und welches in allen grossen und überfüllten Gebärhäusern einheimisch zu sein pflegt, kommt auch in dem Gebärhause zu Paris häufig vor.
"Die Krankheit wird besonders in den Wintermonaten häufig beobachtet, und ob sie gleich eigentlich immerfort herrscht, so erinnert man sich doch mit Schrecken an die bei- den Jahre (zwischen 1803 und 1808), wo sie endemisch wü- thete, und eine Menge von Wöchnerinnen dahinraffte. Ich
Semmelweis, Kindbettfieber. 9
fallend genug, junge Mädchen zu sehen, die mit wichtiger Miene den Puls fühlen und Krankenbeobachtungen auf- schreiben. Sie ahmen aber darin ihre Lehrerin, die erste Hebamme nach, deren Ansehen, welches sie sich am Kran- kenbette zu geben weiss, noch dadurch erhöht wird, dass der Arzt immer ihrer Meinung ist.«
Seite 46 sagt Osiander: »Den Leichenöffnungen, die in einem von dem Gebärhause etwas entfernten Gartenhause vor- genommen werden, wohnen die Schülerinnen gewöhnlich bei. Ich habe da oft mit Erstaunen gesehen, welchen lebhaften Antheil einige junge Mädchen an dem Zerfleischen der Lei- chen nahmen, wie sie mit entblössten und blutigen Armen, grosse Messer in der Hand haltend, unter Zank und Gelächter, sich Becken herausschnitten, nachdem sie von dem Arzte die Erlaubniss erhalten hatten, dieselben für sich zu präpariren.«
Seite 51 sagt Osiander: »Unter den Beobachtungen bei den Leichenuntersuchungen, an die Baudelocque seine Zu- hörer erinnerte, ist besonders die Zerreissung eines Psoas- muskels in der Anstrengung zur Geburt wichtig.
»Folgende Tabelle wurde von den vorgefallenen Gebur- ten gegeben: Seit dem 9. December 1797 bis zum 31. Mai 1809 sind 17,308 Frauen entbunden, diese haben gegeben 17,499 Kinder, 189 Frauen gebaren Zwillinge, also 1 von 91; nur zwei hatten Drillinge. 2000 Entbundene, zum wenigsten, sind schwer erkrankt, und 700 gestorben und secirt!«
Seite 242 sagt Osiander: »Die Unterleibsentzündung der Wöchnerinnen, das Uebel, welches gewöhnlich mit dem Namen Puerperalfieber bezeichnet wird, und welches in allen grossen und überfüllten Gebärhäusern einheimisch zu sein pflegt, kommt auch in dem Gebärhause zu Paris häufig vor.
»Die Krankheit wird besonders in den Wintermonaten häufig beobachtet, und ob sie gleich eigentlich immerfort herrscht, so erinnert man sich doch mit Schrecken an die bei- den Jahre (zwischen 1803 und 1808), wo sie endemisch wü- thete, und eine Menge von Wöchnerinnen dahinraffte. Ich
Semmelweis, Kindbettfieber. 9
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fallend genug, junge Mädchen zu sehen, die mit wichtiger
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schreiben. Sie ahmen aber darin ihre Lehrerin, die erste
Hebamme nach, deren Ansehen, welches sie sich am Kran-
kenbette zu geben weiss, noch dadurch erhöht wird, dass der
Arzt immer ihrer Meinung ist.«
Seite 46 sagt Osiander: »Den Leichenöffnungen, die in
einem von dem Gebärhause etwas entfernten Gartenhause vor-
genommen werden, wohnen die Schülerinnen gewöhnlich bei.
Ich habe da oft mit Erstaunen gesehen, welchen lebhaften
Antheil einige junge Mädchen an dem Zerfleischen der Lei-
chen nahmen, wie sie mit entblössten und blutigen Armen,
grosse Messer in der Hand haltend, unter Zank und Gelächter,
sich Becken herausschnitten, nachdem sie von dem Arzte die
Erlaubniss erhalten hatten, dieselben für sich zu präpariren.«
Seite 51 sagt Osiander: »Unter den Beobachtungen bei
den Leichenuntersuchungen, an die Baudelocque seine Zu-
hörer erinnerte, ist besonders die Zerreissung eines Psoas-
muskels in der Anstrengung zur Geburt wichtig.
»Folgende Tabelle wurde von den vorgefallenen Gebur-
ten gegeben: Seit dem 9. December 1797 bis zum 31. Mai
1809 sind 17,308 Frauen entbunden, diese haben gegeben
17,499 Kinder, 189 Frauen gebaren Zwillinge, also 1 von 91;
nur zwei hatten Drillinge. 2000 Entbundene, zum wenigsten,
sind schwer erkrankt, und 700 gestorben und secirt!«
Seite 242 sagt Osiander: »Die Unterleibsentzündung
der Wöchnerinnen, das Uebel, welches gewöhnlich mit dem
Namen Puerperalfieber bezeichnet wird, und welches in allen
grossen und überfüllten Gebärhäusern einheimisch zu sein
pflegt, kommt auch in dem Gebärhause zu Paris häufig vor.
»Die Krankheit wird besonders in den Wintermonaten
häufig beobachtet, und ob sie gleich eigentlich immerfort
herrscht, so erinnert man sich doch mit Schrecken an die bei-
den Jahre (zwischen 1803 und 1808), wo sie endemisch wü-
thete, und eine Menge von Wöchnerinnen dahinraffte. Ich
Semmelweis, Kindbettfieber. 9
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/141>, abgerufen am 25.11.2024.
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