selns an den vermehrten Krankheiten und Todesfällen die Schuld trage.
"Diese unaufmerksame und ungeregelte Handhabung des Wäschewechselns hat aber nicht die Oberhebamme, son- dern die Wärterin N. N. verschuldet, welche auch deshalb entlassen wurde.
"Im Schuljahre 1856/7 sind 31 Wöchnerinnen gestorben, darunter 16 am Kindbettfieber, wegen Mangel an Wäsche und unregelmässiger Ablieferung derselben von Seite der Wä- scherin.
"Im Schuljahre 1857/8 sind 24 Wöchnerinnen gestorben, darunter 18 am Kindbettfieber, wegen unaufmerksamen und ungeregelten Wäschewechsels.
"Es starben nie mehr als zwei Individuen an einem Tage; wenn es daher heisst, dass im Schuljahre 1856/7 eine weit geringere Sterblichkeit herrschte, und dass die Sterblichkeit zu Anfang des Schuljahres 1857/8 einen so hohen Grad er- reicht habe, dass an einem Tage bis zu zehn Wöchnerinnen gestorben seien, so stimmt dies nicht mit der Wahrheit.
"Mit Blut besudeltes Bettzeug verstorbener Wöchnerinnen wurde nie neuhinzugekommenen unterbreitet, es müssten denn darunter diejenigen Leintücher gemeint sein, die wir im Schul- jahre 1856/57 mit Blut und Lochialfluss besudelt vom Wäscher als reingewaschen zurückerhielten, und welche ich die Ehre hatte persönlich vorzuzeigen, mit der Anzeige, dass diese Leintücher an meiner Klinik das Kindbettfieber hervorgerufen haben.
"Vom ersten medicinischen Schriftsteller, von Hippo- krates, angefangen, bis auf die neueste Zeit war es die unan- gefochtene Ueberzeugung der Aerzte aller Zeiten, dass die furchtbaren Verheerungen, welche das Kindbettfieber unter den Wöchnerinnen anrichtete, epidemischen, d. h. atmosphä- rischen Einflüssen zuzuschreiben sei, d. h. Einflüssen, welche jeder Wirksamkeit des Arztes entzogen, ihre verheerenden Wirkungen ganz unbeirrt und unaufhaltsam äussern. Mir ist
Semmelweis, Kindbettfieber. 7
selns an den vermehrten Krankheiten und Todesfällen die Schuld trage.
»Diese unaufmerksame und ungeregelte Handhabung des Wäschewechselns hat aber nicht die Oberhebamme, son- dern die Wärterin N. N. verschuldet, welche auch deshalb entlassen wurde.
»Im Schuljahre 1856/7 sind 31 Wöchnerinnen gestorben, darunter 16 am Kindbettfieber, wegen Mangel an Wäsche und unregelmässiger Ablieferung derselben von Seite der Wä- scherin.
»Im Schuljahre 1857/8 sind 24 Wöchnerinnen gestorben, darunter 18 am Kindbettfieber, wegen unaufmerksamen und ungeregelten Wäschewechsels.
»Es starben nie mehr als zwei Individuen an einem Tage; wenn es daher heisst, dass im Schuljahre 1856/7 eine weit geringere Sterblichkeit herrschte, und dass die Sterblichkeit zu Anfang des Schuljahres 1857/8 einen so hohen Grad er- reicht habe, dass an einem Tage bis zu zehn Wöchnerinnen gestorben seien, so stimmt dies nicht mit der Wahrheit.
»Mit Blut besudeltes Bettzeug verstorbener Wöchnerinnen wurde nie neuhinzugekommenen unterbreitet, es müssten denn darunter diejenigen Leintücher gemeint sein, die wir im Schul- jahre 1856/57 mit Blut und Lochialfluss besudelt vom Wäscher als reingewaschen zurückerhielten, und welche ich die Ehre hatte persönlich vorzuzeigen, mit der Anzeige, dass diese Leintücher an meiner Klinik das Kindbettfieber hervorgerufen haben.
»Vom ersten medicinischen Schriftsteller, von Hippo- krates, angefangen, bis auf die neueste Zeit war es die unan- gefochtene Ueberzeugung der Aerzte aller Zeiten, dass die furchtbaren Verheerungen, welche das Kindbettfieber unter den Wöchnerinnen anrichtete, epidemischen, d. h. atmosphä- rischen Einflüssen zuzuschreiben sei, d. h. Einflüssen, welche jeder Wirksamkeit des Arztes entzogen, ihre verheerenden Wirkungen ganz unbeirrt und unaufhaltsam äussern. Mir ist
Semmelweis, Kindbettfieber. 7
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selns an den vermehrten Krankheiten und Todesfällen die
Schuld trage.
»Diese unaufmerksame und ungeregelte Handhabung des
Wäschewechselns hat aber nicht die Oberhebamme, son-
dern die Wärterin N. N. verschuldet, welche auch deshalb
entlassen wurde.
»Im Schuljahre 1856/7 sind 31 Wöchnerinnen gestorben,
darunter 16 am Kindbettfieber, wegen Mangel an Wäsche
und unregelmässiger Ablieferung derselben von Seite der Wä-
scherin.
»Im Schuljahre 1857/8 sind 24 Wöchnerinnen gestorben,
darunter 18 am Kindbettfieber, wegen unaufmerksamen und
ungeregelten Wäschewechsels.
»Es starben nie mehr als zwei Individuen an einem Tage;
wenn es daher heisst, dass im Schuljahre 1856/7 eine weit
geringere Sterblichkeit herrschte, und dass die Sterblichkeit
zu Anfang des Schuljahres 1857/8 einen so hohen Grad er-
reicht habe, dass an einem Tage bis zu zehn Wöchnerinnen
gestorben seien, so stimmt dies nicht mit der Wahrheit.
»Mit Blut besudeltes Bettzeug verstorbener Wöchnerinnen
wurde nie neuhinzugekommenen unterbreitet, es müssten denn
darunter diejenigen Leintücher gemeint sein, die wir im Schul-
jahre 1856/57 mit Blut und Lochialfluss besudelt vom Wäscher
als reingewaschen zurückerhielten, und welche ich die Ehre
hatte persönlich vorzuzeigen, mit der Anzeige, dass diese
Leintücher an meiner Klinik das Kindbettfieber hervorgerufen
haben.
»Vom ersten medicinischen Schriftsteller, von Hippo-
krates, angefangen, bis auf die neueste Zeit war es die unan-
gefochtene Ueberzeugung der Aerzte aller Zeiten, dass die
furchtbaren Verheerungen, welche das Kindbettfieber unter
den Wöchnerinnen anrichtete, epidemischen, d. h. atmosphä-
rischen Einflüssen zuzuschreiben sei, d. h. Einflüssen, welche
jeder Wirksamkeit des Arztes entzogen, ihre verheerenden
Wirkungen ganz unbeirrt und unaufhaltsam äussern. Mir ist
Semmelweis, Kindbettfieber. 7
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/109>, abgerufen am 22.11.2024.
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