pse_651.001 gegenüber nicht aus. Ablösen davon wollen wir aber die pse_651.002 Tragikomödien und die Stücke, die Victor Hugo als "drames" pse_651.003 bezeichnet. Denn in den Tragikomödien prallt das rein pse_651.004 Komische und das rein Tragische in eigenartiger Weise zusammen, pse_651.005 während in den angegebenen Beispielen das Komische pse_651.006 völlig fehlt, ja sogar das Heitere stark zurücktritt. Das pse_651.007 Schauspiel ist also auch kein Mischspiel, sondern seine eigene pse_651.008 Art.
pse_651.009 Das Wesen ist die Grundhaltung des Ernstes. Wir haben bei pse_651.010 der Betrachtung der menschlich-dichterischen Weltauffassung pse_651.011 die zwei Grundstimmungen des Ernstes und der Heiterkeit pse_651.012 unterschieden. Der Ernst ist bestimmend für diese Dramenart. pse_651.013 Ja noch mehr: sie zeigt deutliche Zusammenhänge mit der pse_651.014 Tragödie. Tragische Situationenen stehen an entscheidenden pse_651.015 Stellen des dramatischen Vorgangs. In Goethes "Iphigenie" pse_651.016 droht reine Tragik sogar mehrmals durchzubrechen: im pse_651.017 Wahnsinn Orests, vor allem aber am Ende des vierten Aufzugs. pse_651.018 Da ist Iphigenie in eine Lage gestellt, wo jede Entscheidung pse_651.019 Katastrophe sein kann: durch Wahrheit Brudermord zu pse_651.020 begehen, durch Lüge ihr eigenes Innere zu zerstören. Im Ausruf pse_651.021 "Rettet mich und rettet euer Bild in meiner Seele" sind wir pse_651.022 hart an der Tragödie. Hier durchschreiten wir mit Iphigenie pse_651.023 eine tiefe Erschütterung, weil jeder Daseinsgrund eines sittlichen pse_651.024 Menschen zu versinken droht. In Schillers "Tell" ist pse_651.025 mit dem Ende der Apfelschußszene ein solcher Stand erreicht: pse_651.026 alle Taten, Beschlüsse, Opfer sind umsonst: Tell und die pse_651.027 ganze Gemeinschaft scheinen verloren. In den Worten des pse_651.028 Schiffers am Anfang des vierten Aufzugs kommt das zu erschütterndem pse_651.029 Ausdruck. Der Prinz von Homburg fühlt sich pse_651.030 im Augenblick, als er an den Ernst des Kurfürsten, ihn hinzurichten, pse_651.031 glauben muß, vernichtet, er hat jede Daseinssicherung pse_651.032 verloren, ein Abgrund gähnt vor ihm. Er hat sich dabei pse_651.033 selbst verloren, wie auch Natalie dem Kurfürsten sagt. Der pse_651.034 Prinz von Homburg ist in diesem Augenblick an dem Punkt, pse_651.035 an dem die Penthesileatragödie zu Ende ist: Das einmalige Sein pse_651.036 eines Menschen ist in unheilbaren Widerspruch mit der Welt pse_651.037 um ihn geraten, damit fühlt er seine Daseinsgrundlagen zerstört pse_651.038 und stürzt ins Nichts.
pse_651.001 gegenüber nicht aus. Ablösen davon wollen wir aber die pse_651.002 Tragikomödien und die Stücke, die Victor Hugo als »drames« pse_651.003 bezeichnet. Denn in den Tragikomödien prallt das rein pse_651.004 Komische und das rein Tragische in eigenartiger Weise zusammen, pse_651.005 während in den angegebenen Beispielen das Komische pse_651.006 völlig fehlt, ja sogar das Heitere stark zurücktritt. Das pse_651.007 Schauspiel ist also auch kein Mischspiel, sondern seine eigene pse_651.008 Art.
pse_651.009 Das Wesen ist die Grundhaltung des Ernstes. Wir haben bei pse_651.010 der Betrachtung der menschlich-dichterischen Weltauffassung pse_651.011 die zwei Grundstimmungen des Ernstes und der Heiterkeit pse_651.012 unterschieden. Der Ernst ist bestimmend für diese Dramenart. pse_651.013 Ja noch mehr: sie zeigt deutliche Zusammenhänge mit der pse_651.014 Tragödie. Tragische Situationenen stehen an entscheidenden pse_651.015 Stellen des dramatischen Vorgangs. In Goethes »Iphigenie« pse_651.016 droht reine Tragik sogar mehrmals durchzubrechen: im pse_651.017 Wahnsinn Orests, vor allem aber am Ende des vierten Aufzugs. pse_651.018 Da ist Iphigenie in eine Lage gestellt, wo jede Entscheidung pse_651.019 Katastrophe sein kann: durch Wahrheit Brudermord zu pse_651.020 begehen, durch Lüge ihr eigenes Innere zu zerstören. Im Ausruf pse_651.021 »Rettet mich und rettet euer Bild in meiner Seele« sind wir pse_651.022 hart an der Tragödie. Hier durchschreiten wir mit Iphigenie pse_651.023 eine tiefe Erschütterung, weil jeder Daseinsgrund eines sittlichen pse_651.024 Menschen zu versinken droht. In Schillers »Tell« ist pse_651.025 mit dem Ende der Apfelschußszene ein solcher Stand erreicht: pse_651.026 alle Taten, Beschlüsse, Opfer sind umsonst: Tell und die pse_651.027 ganze Gemeinschaft scheinen verloren. In den Worten des pse_651.028 Schiffers am Anfang des vierten Aufzugs kommt das zu erschütterndem pse_651.029 Ausdruck. Der Prinz von Homburg fühlt sich pse_651.030 im Augenblick, als er an den Ernst des Kurfürsten, ihn hinzurichten, pse_651.031 glauben muß, vernichtet, er hat jede Daseinssicherung pse_651.032 verloren, ein Abgrund gähnt vor ihm. Er hat sich dabei pse_651.033 selbst verloren, wie auch Natalie dem Kurfürsten sagt. Der pse_651.034 Prinz von Homburg ist in diesem Augenblick an dem Punkt, pse_651.035 an dem die Penthesileatragödie zu Ende ist: Das einmalige Sein pse_651.036 eines Menschen ist in unheilbaren Widerspruch mit der Welt pse_651.037 um ihn geraten, damit fühlt er seine Daseinsgrundlagen zerstört pse_651.038 und stürzt ins Nichts.
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Tragikomödien und die Stücke, die Victor Hugo als »drames« pse_651.003
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Komische und das rein Tragische in eigenartiger Weise zusammen, pse_651.005
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pse_651.009
Das Wesen ist die Grundhaltung des Ernstes. Wir haben bei pse_651.010
der Betrachtung der menschlich-dichterischen Weltauffassung pse_651.011
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Ja noch mehr: sie zeigt deutliche Zusammenhänge mit der pse_651.014
Tragödie. Tragische Situationenen stehen an entscheidenden pse_651.015
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Wahnsinn Orests, vor allem aber am Ende des vierten Aufzugs. pse_651.018
Da ist Iphigenie in eine Lage gestellt, wo jede Entscheidung pse_651.019
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 651. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/667>, abgerufen am 24.11.2024.
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