pse_529.001 dem anderen ergibt, aber doch durch Träume und Formeln pse_529.002 schon ganz zu Anfang aufs Ende hingewiesen wird. Siegfrieds pse_529.003 Besuch in Worms führt zur Liebe zu Kriemhild, zum pse_529.004 Vertrag wegen der Erwerbung Brünhilds, das Dunkle dieser pse_529.005 Erwerbung löst den Streit der Königinnen aus, daraus folgt pse_529.006 der Tod Siegfrieds und endlich der große Racheplan Kriemhilds, pse_529.007 der erst mit dem Untergang aller Burgunden sein pse_529.008 furchtbares Ende findet: ein unheimlicher Ablauf eng verketteter pse_529.009 Ereignisse bis zu einem Ende, hinter dem, zum Unterschied pse_529.010 von den antiken Epen, nichts mehr kommen kann. pse_529.011 Frei sich entfaltende Nebenepisoden treten hier zurück. Aber pse_529.012 es enthüllt sich in diesem unaufhaltsamen Ablauf immer mehr pse_529.013 ein Weltbild reichster Art: von Treue und Rache, von Verstricktheit pse_529.014 und Schuld und vor allem von kühnem Aufrechtstehen pse_529.015 in den ärgsten Schicksalsschlägen: ein tragisches pse_529.016 Weltbild. Die "Odyssee" entwickelt aber neben einer gewissen pse_529.017 Zielgerichtetheit eine neue Kunstform: die Rahmung. pse_529.018 Damit entsteht ein kunstvoller, bewußter Aufbau. Die Binnenerzählung pse_529.019 des Odysseus bei den Phäaken umfaßt fünf Gesänge, pse_529.020 sie ist mehr in die Mitte gerückt als die nur zwei Gesänge pse_529.021 umfassende des Äneas bei Dido, die gleich im zweiten pse_529.022 Gesang beginnt und schon mit dem dritten endet. Bei Vergil pse_529.023 ist das wirklich nur Episode, bei Homer breiterer Binnenteil, pse_529.024 der sich aber doch organisch ins Ganze einfügt und deutlich pse_529.025 der Weltbildweitung dient: wir bekommen nun nach den anfänglichen pse_529.026 Gesängen, die die Heimkehr des Odysseus klar pse_529.027 machen, den breiten und mannigfaltigen Hintergrund einer pse_529.028 Welt, der ein Mensch in seinem Leben begegnen muß. Ganz pse_529.029 anders wird der Aufbau im christlichen Epos. Gemäß der pse_529.030 hierarchischen Anlage der ganzen Welt, ihrer Ausrichtung pse_529.031 auf Gott, der Geborgenheit des Ganzen in einem großen pse_529.032 Heilsplan und doch der Spannung zwischen Diesseits und pse_529.033 Jenseits wird auch der Bau des Epos verwickelter, durchdachter, pse_529.034 die Glieder haben bestimmte Funktionen im Ganzen, pse_529.035 es ist eine große Architektur, die sich hier offenbart und die pse_529.036 schon durch ihre Art eben das Weltbild gestaltet. Bei Dante pse_529.037 entsteht so ein dreiteiliger Großaufbau, der doch nur die pse_529.038 Jenseitsreiche gestaltet, aber erlebt von einem noch im Diesseits
pse_529.001 dem anderen ergibt, aber doch durch Träume und Formeln pse_529.002 schon ganz zu Anfang aufs Ende hingewiesen wird. Siegfrieds pse_529.003 Besuch in Worms führt zur Liebe zu Kriemhild, zum pse_529.004 Vertrag wegen der Erwerbung Brünhilds, das Dunkle dieser pse_529.005 Erwerbung löst den Streit der Königinnen aus, daraus folgt pse_529.006 der Tod Siegfrieds und endlich der große Racheplan Kriemhilds, pse_529.007 der erst mit dem Untergang aller Burgunden sein pse_529.008 furchtbares Ende findet: ein unheimlicher Ablauf eng verketteter pse_529.009 Ereignisse bis zu einem Ende, hinter dem, zum Unterschied pse_529.010 von den antiken Epen, nichts mehr kommen kann. pse_529.011 Frei sich entfaltende Nebenepisoden treten hier zurück. Aber pse_529.012 es enthüllt sich in diesem unaufhaltsamen Ablauf immer mehr pse_529.013 ein Weltbild reichster Art: von Treue und Rache, von Verstricktheit pse_529.014 und Schuld und vor allem von kühnem Aufrechtstehen pse_529.015 in den ärgsten Schicksalsschlägen: ein tragisches pse_529.016 Weltbild. Die »Odyssee« entwickelt aber neben einer gewissen pse_529.017 Zielgerichtetheit eine neue Kunstform: die Rahmung. pse_529.018 Damit entsteht ein kunstvoller, bewußter Aufbau. Die Binnenerzählung pse_529.019 des Odysseus bei den Phäaken umfaßt fünf Gesänge, pse_529.020 sie ist mehr in die Mitte gerückt als die nur zwei Gesänge pse_529.021 umfassende des Äneas bei Dido, die gleich im zweiten pse_529.022 Gesang beginnt und schon mit dem dritten endet. Bei Vergil pse_529.023 ist das wirklich nur Episode, bei Homer breiterer Binnenteil, pse_529.024 der sich aber doch organisch ins Ganze einfügt und deutlich pse_529.025 der Weltbildweitung dient: wir bekommen nun nach den anfänglichen pse_529.026 Gesängen, die die Heimkehr des Odysseus klar pse_529.027 machen, den breiten und mannigfaltigen Hintergrund einer pse_529.028 Welt, der ein Mensch in seinem Leben begegnen muß. Ganz pse_529.029 anders wird der Aufbau im christlichen Epos. Gemäß der pse_529.030 hierarchischen Anlage der ganzen Welt, ihrer Ausrichtung pse_529.031 auf Gott, der Geborgenheit des Ganzen in einem großen pse_529.032 Heilsplan und doch der Spannung zwischen Diesseits und pse_529.033 Jenseits wird auch der Bau des Epos verwickelter, durchdachter, pse_529.034 die Glieder haben bestimmte Funktionen im Ganzen, pse_529.035 es ist eine große Architektur, die sich hier offenbart und die pse_529.036 schon durch ihre Art eben das Weltbild gestaltet. Bei Dante pse_529.037 entsteht so ein dreiteiliger Großaufbau, der doch nur die pse_529.038 Jenseitsreiche gestaltet, aber erlebt von einem noch im Diesseits
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Erwerbung löst den Streit der Königinnen aus, daraus folgt pse_529.006
der Tod Siegfrieds und endlich der große Racheplan Kriemhilds, pse_529.007
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Frei sich entfaltende Nebenepisoden treten hier zurück. Aber pse_529.012
es enthüllt sich in diesem unaufhaltsamen Ablauf immer mehr pse_529.013
ein Weltbild reichster Art: von Treue und Rache, von Verstricktheit pse_529.014
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Gesang beginnt und schon mit dem dritten endet. Bei Vergil pse_529.023
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/545>, abgerufen am 23.11.2024.
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