pse_358.001 Stärke (Ich-Form) wird hier sprachkünstlerisch dauergeprägt pse_358.002 und gewinnt Leben für sich: wo das war, wann das pse_358.003 war, mit wem es geschehen ist, das bleibt alles außerhalb, nur pse_358.004 daß ein Mensch von einem Zauber ganz bestimmter Art erfaßt pse_358.005 wurde, geht zugleich mit dem Zauber ins Gebilde ein. pse_358.006 Jedes lyrische Erlebnisgedicht geht so auf dem Weg zur Verwesentlichung pse_358.007 über die Einmaligkeit ins allgemein Menschliche pse_358.008 hinaus, ohne diesen Zauber, daß ein Mensch so etwas pse_358.009 einmal erlebt haben kann, aufzugeben, auszuschalten; aber pse_358.010 er ist im Höheren aufgehoben. Da liegt der große Unterschied pse_358.011 zu einer sachdarstellerischen Beschreibung und Darlegung pse_358.012 eines Erlebnisses.
pse_358.013 2. Man kann bestimmte Bereiche der Erfahrungswelt zu pse_358.014 einem geordneten Gefüge von Begriffen zusammenfassen. pse_358.015 Auch das geschieht durch die Sprache, aber in sachdarstellerischer pse_358.016 Haltung. Das ist die wissenschaftliche Betrachtung und pse_358.017 Ordnung eines Stückes der Welt. Zweck der sprachlichen pse_358.018 Darstellung ist, diese Ordnung mitzuteilen, zu festigen und pse_358.019 aufzubewahren. Nun besteht aber die Möglichkeit, daß dafür pse_358.020 dichterische Mittel eingesetzt werden. Freilich drängen hier pse_358.021 außerdichterische Maßstäbe herein, man beurteilt dieses pse_358.022 sprachkünstlerische Gebilde dann auch nach Begriffen, nicht pse_358.023 nach ästhetischen Grundsätzen. Doch kann es sein, daß in pse_358.024 einer solchen sprachkünstlerischen Formung, in den sprachlichen pse_358.025 Bildern und Vergleichen, in den sich bildenden Symbolen, pse_358.026 im dynamischen Ablauf und in den Lautungswerten pse_358.027 erst die Ordnung des Erlebten erwächst. Es wird also in pse_358.028 solchem Fall das Aufbauen und Zusammenfügen einer Ordnung,pse_358.029 die aus der außerrsprachlichen Wirklichkeit gespeist wird, im pse_358.030 Sprachgebilde selber Wirklichkeit.
pse_358.031
Werdend betrachte sie nun, wie nach und nach sich die Pflanze,pse_358.032 Stufenweise geführt, bildet zu Blüten und Frucht.pse_358.033 Aus dem Samen entwickelt sie sich, sobald ihn der Erdepse_358.034 Stille befruchtender Schoß hold in das Leben entläßtpse_358.035 Und dem Reize des Lichts, des heiligen, ewig bewegten,pse_358.036 Gleich den zärtesten Bau keimender Blätter empfiehlt.pse_358.037 Einfach schlief in dem Samen die Kraft; ein beginnendes Vorbildpse_358.038 Lag, verschlossen in sich, unter die Hülle gebeugt,pse_358.039 Blatt und Wurzel und Keim, nur halb geformet und farblos;
pse_358.001 Stärke (Ich-Form) wird hier sprachkünstlerisch dauergeprägt pse_358.002 und gewinnt Leben für sich: wo das war, wann das pse_358.003 war, mit wem es geschehen ist, das bleibt alles außerhalb, nur pse_358.004 daß ein Mensch von einem Zauber ganz bestimmter Art erfaßt pse_358.005 wurde, geht zugleich mit dem Zauber ins Gebilde ein. pse_358.006 Jedes lyrische Erlebnisgedicht geht so auf dem Weg zur Verwesentlichung pse_358.007 über die Einmaligkeit ins allgemein Menschliche pse_358.008 hinaus, ohne diesen Zauber, daß ein Mensch so etwas pse_358.009 einmal erlebt haben kann, aufzugeben, auszuschalten; aber pse_358.010 er ist im Höheren aufgehoben. Da liegt der große Unterschied pse_358.011 zu einer sachdarstellerischen Beschreibung und Darlegung pse_358.012 eines Erlebnisses.
pse_358.013 2. Man kann bestimmte Bereiche der Erfahrungswelt zu pse_358.014 einem geordneten Gefüge von Begriffen zusammenfassen. pse_358.015 Auch das geschieht durch die Sprache, aber in sachdarstellerischer pse_358.016 Haltung. Das ist die wissenschaftliche Betrachtung und pse_358.017 Ordnung eines Stückes der Welt. Zweck der sprachlichen pse_358.018 Darstellung ist, diese Ordnung mitzuteilen, zu festigen und pse_358.019 aufzubewahren. Nun besteht aber die Möglichkeit, daß dafür pse_358.020 dichterische Mittel eingesetzt werden. Freilich drängen hier pse_358.021 außerdichterische Maßstäbe herein, man beurteilt dieses pse_358.022 sprachkünstlerische Gebilde dann auch nach Begriffen, nicht pse_358.023 nach ästhetischen Grundsätzen. Doch kann es sein, daß in pse_358.024 einer solchen sprachkünstlerischen Formung, in den sprachlichen pse_358.025 Bildern und Vergleichen, in den sich bildenden Symbolen, pse_358.026 im dynamischen Ablauf und in den Lautungswerten pse_358.027 erst die Ordnung des Erlebten erwächst. Es wird also in pse_358.028 solchem Fall das Aufbauen und Zusammenfügen einer Ordnung,pse_358.029 die aus der außerrsprachlichen Wirklichkeit gespeist wird, im pse_358.030 Sprachgebilde selber Wirklichkeit.
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Werdend betrachte sie nun, wie nach und nach sich die Pflanze,pse_358.032 Stufenweise geführt, bildet zu Blüten und Frucht.pse_358.033 Aus dem Samen entwickelt sie sich, sobald ihn der Erdepse_358.034 Stille befruchtender Schoß hold in das Leben entläßtpse_358.035 Und dem Reize des Lichts, des heiligen, ewig bewegten,pse_358.036 Gleich den zärtesten Bau keimender Blätter empfiehlt.pse_358.037 Einfach schlief in dem Samen die Kraft; ein beginnendes Vorbildpse_358.038 Lag, verschlossen in sich, unter die Hülle gebeugt,pse_358.039 Blatt und Wurzel und Keim, nur halb geformet und farblos;
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war, mit wem es geschehen ist, das bleibt alles außerhalb, nur pse_358.004
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er ist im Höheren aufgehoben. Da liegt der große Unterschied pse_358.011
zu einer sachdarstellerischen Beschreibung und Darlegung pse_358.012
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einem geordneten Gefüge von Begriffen zusammenfassen. pse_358.015
Auch das geschieht durch die Sprache, aber in sachdarstellerischer pse_358.016
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dichterische Mittel eingesetzt werden. Freilich drängen hier pse_358.021
außerdichterische Maßstäbe herein, man beurteilt dieses pse_358.022
sprachkünstlerische Gebilde dann auch nach Begriffen, nicht pse_358.023
nach ästhetischen Grundsätzen. Doch kann es sein, daß in pse_358.024
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die aus der außerrsprachlichen Wirklichkeit gespeist wird, im pse_358.030
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pse_358.031
Werdend betrachte sie nun, wie nach und nach sich die Pflanze, pse_358.032
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/374>, abgerufen am 25.11.2024.
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