pse_355.001 drückender, sondern sie werden dadurch zugleich zu objektiven pse_355.002 Gebilden, so daß der Mensch sein Inneres aus sich pse_355.003 hinausstellt und sich von ihm trennt: ein schöpferischer Vorgang pse_355.004 der Selbstbefreiung, der im Ausdruck zugleich Gestaltung pse_355.005 und Form wird. Wir spüren, daß wir mit dieser Urform pse_355.006 einem großen Teil dessen nahekommen, was man unter pse_355.007 lyrischen Arten versteht.
pse_355.008 In dieser Urform liegt noch reinster Ausdruck eines Inneren. pse_355.009 Aber in der sprachkünstlerischen Formung können pse_355.010 auch Leistungen zur Kunst emporgeläutert sein, die sprachlicher pse_355.011 Darstellung überhaupt eignen. Der von mir deutlich pse_355.012 abgehobene Gegenstand, der mich zur Betrachtung angeregt pse_355.013 hat, kann nun auch in der sprachkünstlerischen Neuschöpfung pse_355.014 einfach gezeigt werden, wir stellen ihn durch die Kraft pse_355.015 der Sprache eindringlich in die Welt hinein: das Zeigen.pse_355.016 Selbstverständlich hat das Zeigen viel Verwandtschaft zu den pse_355.017 beiden folgenden Urformen, so daß es gewagt erscheinen pse_355.018 könnte, es gesondert herauszustellen. Aber es bestehen doch pse_355.019 deutliche Unterschiede, gerade auch in der Formung.
pse_355.020 Ist der "Gegenstand", der mich betroffen hat, den ich anschaue, pse_355.021 ein Vorgang, ein Ereignis, eine Handlung, etwas Geschehendes, pse_355.022 und will ich ihn nun sprachlich neu schaffen, so pse_355.023 daß im Sprachvorgang der andere mitablaufen kann, neu pse_355.024 erlebbar wird, so treffen wir auf die Urform des Erzählens.pse_355.025 Hier bauen wir vor uns die Welt auf aus sprachlichen Kräften, pse_355.026 suchen ihr dieselbe Fülle zu geben, mit der sie uns entgegengetreten pse_355.027 ist, aber gestalten sie als Werden, als einen Vorgang, pse_355.028 nicht als ruhendes Gebilde. In der Gestaltung der Welt als pse_355.029 Verlaufendes können wir erst recht ihre Fülle greifen.
pse_355.030 Bisher war der Mensch als Singender, Zeigender, Erzählender pse_355.031 immer noch gleichsam Bestandteil auch der künstlerischen pse_355.032 Gestalt, es war in der betreffenden Dichtung immer einer pse_355.033 mitvernehmbar, der sang, zeigte, erzählte. Er kann aber in der pse_355.034 Gestaltung ganz zurücktreten: er schafft menschliche Figuren, pse_355.035 die er nun gleichsam als selbständige handeln läßt, er stellt pse_355.036 sie als Lebewesen vor uns hin und ist nur mehr in feinsten pse_355.037 Zügen dem aufmerksamen Beobachter vernehmbar: das pse_355.038 Darstellen. Es rollt menschliches Geschehen ab, als wenn es
pse_355.001 drückender, sondern sie werden dadurch zugleich zu objektiven pse_355.002 Gebilden, so daß der Mensch sein Inneres aus sich pse_355.003 hinausstellt und sich von ihm trennt: ein schöpferischer Vorgang pse_355.004 der Selbstbefreiung, der im Ausdruck zugleich Gestaltung pse_355.005 und Form wird. Wir spüren, daß wir mit dieser Urform pse_355.006 einem großen Teil dessen nahekommen, was man unter pse_355.007 lyrischen Arten versteht.
pse_355.008 In dieser Urform liegt noch reinster Ausdruck eines Inneren. pse_355.009 Aber in der sprachkünstlerischen Formung können pse_355.010 auch Leistungen zur Kunst emporgeläutert sein, die sprachlicher pse_355.011 Darstellung überhaupt eignen. Der von mir deutlich pse_355.012 abgehobene Gegenstand, der mich zur Betrachtung angeregt pse_355.013 hat, kann nun auch in der sprachkünstlerischen Neuschöpfung pse_355.014 einfach gezeigt werden, wir stellen ihn durch die Kraft pse_355.015 der Sprache eindringlich in die Welt hinein: das Zeigen.pse_355.016 Selbstverständlich hat das Zeigen viel Verwandtschaft zu den pse_355.017 beiden folgenden Urformen, so daß es gewagt erscheinen pse_355.018 könnte, es gesondert herauszustellen. Aber es bestehen doch pse_355.019 deutliche Unterschiede, gerade auch in der Formung.
pse_355.020 Ist der »Gegenstand«, der mich betroffen hat, den ich anschaue, pse_355.021 ein Vorgang, ein Ereignis, eine Handlung, etwas Geschehendes, pse_355.022 und will ich ihn nun sprachlich neu schaffen, so pse_355.023 daß im Sprachvorgang der andere mitablaufen kann, neu pse_355.024 erlebbar wird, so treffen wir auf die Urform des Erzählens.pse_355.025 Hier bauen wir vor uns die Welt auf aus sprachlichen Kräften, pse_355.026 suchen ihr dieselbe Fülle zu geben, mit der sie uns entgegengetreten pse_355.027 ist, aber gestalten sie als Werden, als einen Vorgang, pse_355.028 nicht als ruhendes Gebilde. In der Gestaltung der Welt als pse_355.029 Verlaufendes können wir erst recht ihre Fülle greifen.
pse_355.030 Bisher war der Mensch als Singender, Zeigender, Erzählender pse_355.031 immer noch gleichsam Bestandteil auch der künstlerischen pse_355.032 Gestalt, es war in der betreffenden Dichtung immer einer pse_355.033 mitvernehmbar, der sang, zeigte, erzählte. Er kann aber in der pse_355.034 Gestaltung ganz zurücktreten: er schafft menschliche Figuren, pse_355.035 die er nun gleichsam als selbständige handeln läßt, er stellt pse_355.036 sie als Lebewesen vor uns hin und ist nur mehr in feinsten pse_355.037 Zügen dem aufmerksamen Beobachter vernehmbar: das pse_355.038 Darstellen. Es rollt menschliches Geschehen ab, als wenn es
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drückender, sondern sie werden dadurch zugleich zu objektiven pse_355.002
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hinausstellt und sich von ihm trennt: ein schöpferischer Vorgang pse_355.004
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einem großen Teil dessen nahekommen, was man unter pse_355.007
lyrischen Arten versteht.
pse_355.008
In dieser Urform liegt noch reinster Ausdruck eines Inneren. pse_355.009
Aber in der sprachkünstlerischen Formung können pse_355.010
auch Leistungen zur Kunst emporgeläutert sein, die sprachlicher pse_355.011
Darstellung überhaupt eignen. Der von mir deutlich pse_355.012
abgehobene Gegenstand, der mich zur Betrachtung angeregt pse_355.013
hat, kann nun auch in der sprachkünstlerischen Neuschöpfung pse_355.014
einfach gezeigt werden, wir stellen ihn durch die Kraft pse_355.015
der Sprache eindringlich in die Welt hinein: das Zeigen. pse_355.016
Selbstverständlich hat das Zeigen viel Verwandtschaft zu den pse_355.017
beiden folgenden Urformen, so daß es gewagt erscheinen pse_355.018
könnte, es gesondert herauszustellen. Aber es bestehen doch pse_355.019
deutliche Unterschiede, gerade auch in der Formung.
pse_355.020
Ist der »Gegenstand«, der mich betroffen hat, den ich anschaue, pse_355.021
ein Vorgang, ein Ereignis, eine Handlung, etwas Geschehendes, pse_355.022
und will ich ihn nun sprachlich neu schaffen, so pse_355.023
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pse_355.030
Bisher war der Mensch als Singender, Zeigender, Erzählender pse_355.031
immer noch gleichsam Bestandteil auch der künstlerischen pse_355.032
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/371>, abgerufen am 22.11.2024.
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