Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite

pse_145.001
Daher seien die einzelnen Ausdrücke nochmals wiederholt pse_145.002
und kurz in ihrem hier verwendeten Sinn geordnet. Auf der pse_145.003
Seite des Inhalts: Stoff ist das Äußerlichste, noch gar nicht in pse_145.004
die Dichtung Eingegangene -- Gehalt das Tiefe an Lebenssinn, pse_145.005
was sich uns in der Dichtung offenbart; die Idee der auf eine pse_145.006
Formel gebrachte Gehalt. Auf der Seite der Form: Form bleibe pse_145.007
der weiteste Ausdruck für alles, was der Dichter an formender pse_145.008
Arbeit geleistet hat. Mit Gestalt und Gebilde heben wir pse_145.009
mehr den inneren Reichtum und den Zusammenklang dieser pse_145.010
Form heraus. Gestaltung läßt uns an den Schaffensvorgang pse_145.011
denken, der irgendwie ja auch im Werk aufbewahrt ist. pse_145.012
Dafür, daß in der Gestalt eine innere menschliche Haltung pse_145.013
lebendig wirkt und dauergeprägt ist, bietet sich im allgemeinsten pse_145.014
das Wort Gepräge. Denken wir mehr ans Sprachkunstwerk, pse_145.015
so sprechen wir von Stil, im Gesamten von Struktur. pse_145.016
Der Aufbau einer Dichtung steht im Blick, wenn wir pse_145.017
die Reihung und Aufeinanderfolge der Glieder betrachten, pse_145.018
ihre Bindung und ihren Zusammenklang betont mehr das pse_145.019
Wort Fügung. Viele dieser Ausdrücke gelten auch für menschliche pse_145.020
Werke, die keine Kunstwerke, keine Dichtung sind. pse_145.021
Bei der Betrachtung eines Kunstwerks müssen bei diesen pse_145.022
Fachausdrücken also immer sofort die besonderen Eigenarten pse_145.023
eines ästhetischen Gebildes, eines Kunstwerkes mitgedacht pse_145.024
werden.

pse_145.025
Auch die Betrachtung der Gestaltungsmöglichkeiten der pse_145.026
Dichtung muß von verschiedenen Gesichtspunkten ausgehen, pse_145.027
also wieder die Einheit der künstlerischen Form trennen pse_145.028
und einzelne Kräfte betrachten. Wir prüfen zuerst die pse_145.029
sprachkünstlerischen Möglichkeiten und dann den Aufbau pse_145.030
einer Dichtung als Ganzheit und Einheit. Erst dann können pse_145.031
wir versuchen, in einem Gesamtblick alles zusammenzufassen pse_145.032
und zu werten.

pse_145.001
Daher seien die einzelnen Ausdrücke nochmals wiederholt pse_145.002
und kurz in ihrem hier verwendeten Sinn geordnet. Auf der pse_145.003
Seite des Inhalts: Stoff ist das Äußerlichste, noch gar nicht in pse_145.004
die Dichtung Eingegangene — Gehalt das Tiefe an Lebenssinn, pse_145.005
was sich uns in der Dichtung offenbart; die Idee der auf eine pse_145.006
Formel gebrachte Gehalt. Auf der Seite der Form: Form bleibe pse_145.007
der weiteste Ausdruck für alles, was der Dichter an formender pse_145.008
Arbeit geleistet hat. Mit Gestalt und Gebilde heben wir pse_145.009
mehr den inneren Reichtum und den Zusammenklang dieser pse_145.010
Form heraus. Gestaltung läßt uns an den Schaffensvorgang pse_145.011
denken, der irgendwie ja auch im Werk aufbewahrt ist. pse_145.012
Dafür, daß in der Gestalt eine innere menschliche Haltung pse_145.013
lebendig wirkt und dauergeprägt ist, bietet sich im allgemeinsten pse_145.014
das Wort Gepräge. Denken wir mehr ans Sprachkunstwerk, pse_145.015
so sprechen wir von Stil, im Gesamten von Struktur. pse_145.016
Der Aufbau einer Dichtung steht im Blick, wenn wir pse_145.017
die Reihung und Aufeinanderfolge der Glieder betrachten, pse_145.018
ihre Bindung und ihren Zusammenklang betont mehr das pse_145.019
Wort Fügung. Viele dieser Ausdrücke gelten auch für menschliche pse_145.020
Werke, die keine Kunstwerke, keine Dichtung sind. pse_145.021
Bei der Betrachtung eines Kunstwerks müssen bei diesen pse_145.022
Fachausdrücken also immer sofort die besonderen Eigenarten pse_145.023
eines ästhetischen Gebildes, eines Kunstwerkes mitgedacht pse_145.024
werden.

pse_145.025
Auch die Betrachtung der Gestaltungsmöglichkeiten der pse_145.026
Dichtung muß von verschiedenen Gesichtspunkten ausgehen, pse_145.027
also wieder die Einheit der künstlerischen Form trennen pse_145.028
und einzelne Kräfte betrachten. Wir prüfen zuerst die pse_145.029
sprachkünstlerischen Möglichkeiten und dann den Aufbau pse_145.030
einer Dichtung als Ganzheit und Einheit. Erst dann können pse_145.031
wir versuchen, in einem Gesamtblick alles zusammenzufassen pse_145.032
und zu werten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0161" n="145"/>
            <p><lb n="pse_145.001"/>
Daher seien die einzelnen Ausdrücke nochmals wiederholt <lb n="pse_145.002"/>
und kurz in ihrem hier verwendeten Sinn geordnet. Auf der <lb n="pse_145.003"/>
Seite des <hi rendition="#i">Inhalts:</hi> Stoff ist das Äußerlichste, noch gar nicht in <lb n="pse_145.004"/>
die Dichtung Eingegangene &#x2014; Gehalt das Tiefe an Lebenssinn, <lb n="pse_145.005"/>
was sich uns in der Dichtung offenbart; die Idee der auf eine <lb n="pse_145.006"/>
Formel gebrachte Gehalt. Auf der Seite der <hi rendition="#i">Form:</hi> Form bleibe <lb n="pse_145.007"/>
der weiteste Ausdruck für alles, was der Dichter an formender <lb n="pse_145.008"/>
Arbeit geleistet hat. Mit Gestalt und Gebilde heben wir <lb n="pse_145.009"/>
mehr den inneren Reichtum und den Zusammenklang dieser <lb n="pse_145.010"/>
Form heraus. Gestaltung läßt uns an den Schaffensvorgang <lb n="pse_145.011"/>
denken, der irgendwie ja auch im Werk aufbewahrt ist. <lb n="pse_145.012"/>
Dafür, daß in der Gestalt eine innere menschliche Haltung <lb n="pse_145.013"/>
lebendig wirkt und dauergeprägt ist, bietet sich im allgemeinsten <lb n="pse_145.014"/>
das Wort Gepräge. Denken wir mehr ans Sprachkunstwerk, <lb n="pse_145.015"/>
so sprechen wir von Stil, im Gesamten von Struktur. <lb n="pse_145.016"/>
Der Aufbau einer Dichtung steht im Blick, wenn wir <lb n="pse_145.017"/>
die Reihung und Aufeinanderfolge der Glieder betrachten, <lb n="pse_145.018"/>
ihre Bindung und ihren Zusammenklang betont mehr das <lb n="pse_145.019"/>
Wort Fügung. Viele dieser Ausdrücke gelten auch für menschliche <lb n="pse_145.020"/>
Werke, die keine Kunstwerke, keine Dichtung sind. <lb n="pse_145.021"/>
Bei der Betrachtung eines Kunstwerks müssen bei diesen <lb n="pse_145.022"/>
Fachausdrücken also immer sofort die besonderen Eigenarten <lb n="pse_145.023"/>
eines ästhetischen Gebildes, eines Kunstwerkes mitgedacht <lb n="pse_145.024"/>
werden.</p>
            <p><lb n="pse_145.025"/>
Auch die Betrachtung der Gestaltungsmöglichkeiten der <lb n="pse_145.026"/>
Dichtung muß von verschiedenen Gesichtspunkten ausgehen, <lb n="pse_145.027"/>
also wieder die Einheit der künstlerischen Form trennen <lb n="pse_145.028"/>
und einzelne Kräfte betrachten. Wir prüfen zuerst die <lb n="pse_145.029"/>
sprachkünstlerischen Möglichkeiten und dann den Aufbau <lb n="pse_145.030"/>
einer Dichtung als Ganzheit und Einheit. Erst dann können <lb n="pse_145.031"/>
wir versuchen, in einem Gesamtblick alles zusammenzufassen <lb n="pse_145.032"/>
und zu werten.</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0161] pse_145.001 Daher seien die einzelnen Ausdrücke nochmals wiederholt pse_145.002 und kurz in ihrem hier verwendeten Sinn geordnet. Auf der pse_145.003 Seite des Inhalts: Stoff ist das Äußerlichste, noch gar nicht in pse_145.004 die Dichtung Eingegangene — Gehalt das Tiefe an Lebenssinn, pse_145.005 was sich uns in der Dichtung offenbart; die Idee der auf eine pse_145.006 Formel gebrachte Gehalt. Auf der Seite der Form: Form bleibe pse_145.007 der weiteste Ausdruck für alles, was der Dichter an formender pse_145.008 Arbeit geleistet hat. Mit Gestalt und Gebilde heben wir pse_145.009 mehr den inneren Reichtum und den Zusammenklang dieser pse_145.010 Form heraus. Gestaltung läßt uns an den Schaffensvorgang pse_145.011 denken, der irgendwie ja auch im Werk aufbewahrt ist. pse_145.012 Dafür, daß in der Gestalt eine innere menschliche Haltung pse_145.013 lebendig wirkt und dauergeprägt ist, bietet sich im allgemeinsten pse_145.014 das Wort Gepräge. Denken wir mehr ans Sprachkunstwerk, pse_145.015 so sprechen wir von Stil, im Gesamten von Struktur. pse_145.016 Der Aufbau einer Dichtung steht im Blick, wenn wir pse_145.017 die Reihung und Aufeinanderfolge der Glieder betrachten, pse_145.018 ihre Bindung und ihren Zusammenklang betont mehr das pse_145.019 Wort Fügung. Viele dieser Ausdrücke gelten auch für menschliche pse_145.020 Werke, die keine Kunstwerke, keine Dichtung sind. pse_145.021 Bei der Betrachtung eines Kunstwerks müssen bei diesen pse_145.022 Fachausdrücken also immer sofort die besonderen Eigenarten pse_145.023 eines ästhetischen Gebildes, eines Kunstwerkes mitgedacht pse_145.024 werden. pse_145.025 Auch die Betrachtung der Gestaltungsmöglichkeiten der pse_145.026 Dichtung muß von verschiedenen Gesichtspunkten ausgehen, pse_145.027 also wieder die Einheit der künstlerischen Form trennen pse_145.028 und einzelne Kräfte betrachten. Wir prüfen zuerst die pse_145.029 sprachkünstlerischen Möglichkeiten und dann den Aufbau pse_145.030 einer Dichtung als Ganzheit und Einheit. Erst dann können pse_145.031 wir versuchen, in einem Gesamtblick alles zusammenzufassen pse_145.032 und zu werten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/161
Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/161>, abgerufen am 27.04.2024.