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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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Anordnungen lyrischer Verszeilen bei Hofmannswaldau, pse_141.002
Arno Holz, Apollinaire usw., sondern auch bei Hymnen pse_141.003
(Goethe, Hölderlin, Nietzsche); denn dieses Druckbild (tatsächlich pse_141.004
Formung der Druckerschwärze!) deutet an, in welchem pse_141.005
Rhythmus, in welcher Versbewegung der Dichter gestaltet pse_141.006
hat; in gewöhnlichem Prosadruck würde die Rhythmik, pse_141.007
die der Dichter hineinlegte, nicht ohne weiteres und sofort pse_141.008
heraustreten. Aber unter äußerer Form könnte man auch alles pse_141.009
verstehen, was wir gerade früher als Model bezeichnet haben. pse_141.010
Ob es Hexameter sind oder antike Odenstrophen, ob Prosa pse_141.011
oder Vers, ob Drama oder Roman. Das alles meint man mit pse_141.012
einer festgewordenen, durch Tradition üblich gewordenen pse_141.013
Form. -- Nun aber die innere Form. Hier ist zu unterscheiden pse_141.014
zwischen innerer Sprachform und innerer Form der Dichtung. pse_141.015
Unter innerer Sprachform, über die sich die Gelehrten seit pse_141.016
Humboldt nicht einig werden können, so daß schon vorgeschlagen pse_141.017
wurde, den Ausdruck ganz zu meiden, versteht man pse_141.018
am besten und im Sinne Humboldts die Art, wie der Mensch pse_141.019
die Erfahrungswelt sprachlich erfaßt und prägt. Auf dem pse_141.020
Gebiet der Dichtung wird die Sache nun ganz verschwommen. pse_141.021
Denn man kann z. B. die Distichenform, also die abwechselnde pse_141.022
Verbindung von Hexameter und Pentameter, als pse_141.023
einen Model ansehen, also als äußere Form. Aber ebensogut pse_141.024
als innere; denn es kann in ihr eine bestimmte Schaffensart des pse_141.025
Dichters Gestalt werden, es ist die innere Formkraft, die das pse_141.026
Ganze zur Gestalt bändigt. Oder halten wir "Emilia Galotti", pse_141.027
"Götz" und "Tasso" nebeneinander: man kann die Anlage in pse_141.028
Auftritte, Szenen und Aufzüge, die Zahl der Personen usw. pse_141.029
als äußere Form ansehen (sogar im Druckbild festgehalten), pse_141.030
aber auch als innere, wenn man an den schöpferischen Willen pse_141.031
denkt, der das Dichtwerk gerade zu solcher Gestalt hat gerinnen pse_141.032
lassen. Es bleibt also dabei, daß beide Begriffe relativ pse_141.033
sind.

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Zur Form gehört der Inhalt, das, was geformt wird. Inhalt pse_141.035
ist ein korrelativer Begriff zu Form. Und doch: wie reich pse_141.036
auch der Gehalt dieses Wortes! Es kommt ganz darauf an, pse_141.037
von welcher Seite man ihn betrachtet. Gerade aber die verschiedenen pse_141.038
Gesichtspunkte, unter denen man das anschauen

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Anordnungen lyrischer Verszeilen bei Hofmannswaldau, pse_141.002
Arno Holz, Apollinaire usw., sondern auch bei Hymnen pse_141.003
(Goethe, Hölderlin, Nietzsche); denn dieses Druckbild (tatsächlich pse_141.004
Formung der Druckerschwärze!) deutet an, in welchem pse_141.005
Rhythmus, in welcher Versbewegung der Dichter gestaltet pse_141.006
hat; in gewöhnlichem Prosadruck würde die Rhythmik, pse_141.007
die der Dichter hineinlegte, nicht ohne weiteres und sofort pse_141.008
heraustreten. Aber unter äußerer Form könnte man auch alles pse_141.009
verstehen, was wir gerade früher als Model bezeichnet haben. pse_141.010
Ob es Hexameter sind oder antike Odenstrophen, ob Prosa pse_141.011
oder Vers, ob Drama oder Roman. Das alles meint man mit pse_141.012
einer festgewordenen, durch Tradition üblich gewordenen pse_141.013
Form. — Nun aber die innere Form. Hier ist zu unterscheiden pse_141.014
zwischen innerer Sprachform und innerer Form der Dichtung. pse_141.015
Unter innerer Sprachform, über die sich die Gelehrten seit pse_141.016
Humboldt nicht einig werden können, so daß schon vorgeschlagen pse_141.017
wurde, den Ausdruck ganz zu meiden, versteht man pse_141.018
am besten und im Sinne Humboldts die Art, wie der Mensch pse_141.019
die Erfahrungswelt sprachlich erfaßt und prägt. Auf dem pse_141.020
Gebiet der Dichtung wird die Sache nun ganz verschwommen. pse_141.021
Denn man kann z. B. die Distichenform, also die abwechselnde pse_141.022
Verbindung von Hexameter und Pentameter, als pse_141.023
einen Model ansehen, also als äußere Form. Aber ebensogut pse_141.024
als innere; denn es kann in ihr eine bestimmte Schaffensart des pse_141.025
Dichters Gestalt werden, es ist die innere Formkraft, die das pse_141.026
Ganze zur Gestalt bändigt. Oder halten wir »Emilia Galotti«, pse_141.027
»Götz« und »Tasso« nebeneinander: man kann die Anlage in pse_141.028
Auftritte, Szenen und Aufzüge, die Zahl der Personen usw. pse_141.029
als äußere Form ansehen (sogar im Druckbild festgehalten), pse_141.030
aber auch als innere, wenn man an den schöpferischen Willen pse_141.031
denkt, der das Dichtwerk gerade zu solcher Gestalt hat gerinnen pse_141.032
lassen. Es bleibt also dabei, daß beide Begriffe relativ pse_141.033
sind.

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Zur Form gehört der Inhalt, das, was geformt wird. Inhalt pse_141.035
ist ein korrelativer Begriff zu Form. Und doch: wie reich pse_141.036
auch der Gehalt dieses Wortes! Es kommt ganz darauf an, pse_141.037
von welcher Seite man ihn betrachtet. Gerade aber die verschiedenen pse_141.038
Gesichtspunkte, unter denen man das anschauen

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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/157>, abgerufen am 24.11.2024.