eine Füllung von kleineren Hartblei- oder Zinkkugeln enthält. Eine besondere Abart ist das Hülsen-Shrapnel, welches so construirt ist, daß nicht wie beim gewöhnlichen Shrapnel das ganze Geschoß durch die Sprengladung im absteigenden Aste der Flugbahn zerrissen und die Füllladung gegen das Ziel geschleudert wird; es wird vielmehr nur die Spitze des Projectils abgerissen und die Füllladung auf diese Weise durch die Sprengladung aus dem ganz verbliebenen cylindrischen Theil des Projectils erneuert verschossen. Hierdurch entsteht eine sehr geringe Streuung der Füllgeschosse, wodurch sich diese Geschoßgattung zum Beschießen von gegen den Flachschuß gedeckten lebenden Zielen besonders eignet. Sie findet demgemäß vorzugs- weise bei Belagerungsmörsern Verwendung.
[Abbildung]
Fig. 555.
Gezogener eiserner Hinterlad-Mörser (Seiten- ansicht und Längsdurchschnitt).
Bezüglich der Geschosse dieser Mörser ("Bomben") ist einzuschalten, daß mit Einführung der gezogenen Rohre, be- ziehungsweise der Hinterlader, eine lange Zeit der Experimente platzgriff. Wir können in dieselben nicht näher eingehen, doch dürften die nachfolgenden, in Oester- reich ausgeführten Experimente zur Klärung der Angelegenheit das Ihrige beitragen. Nach Einführung der Hinter- ladekanonen in Oesterreich übertrug man deren Constructionsprincipien auch auf die Mörser, beziehungsweise auf die Geschoß-Mantelfläche. Letztere bestand aus einer an den Geschoßkern ange- gossenen dicken Hülle aus Blei, deren Durchmesser größer war als das Caliber der Bohrung. Es wurde also das Geschoß nicht durch Warzen in Drehung versetzt, die in den Zügen der Rohrbohrung schleiften, sondern der Bleimantel des Geschosses mußte sich beim Schuß erst in die Züge einpressen, wodurch natürlich die Führung genauer wurde.
Unter solchen Umständen hätte man das Geschoß natürlich nicht laden können, es hätte ja einen zu großen Durchmesser gehabt. Man gab also dem Geschoß diesen großen Durchmesser nicht an seinem ganzen Umfange, sondern nur an einzelnen Stellen, das heißt, man schnitt in den Bleimantel breite Furchen ein, zwischen je zwei, wobei immer der Theil des Bleimantels hervorragte, der bestimmt war, sich in die Züge des Rohres einzupressen und das Geschoß in der Bohrung zu führen. Damit nun diese hervorragenden Geschoßleisten beim Laden einen Platz fanden, mußten in die Bohrung breite Furchen eingeschnitten werden, und nur der übrig bleibende Theil derselben konnte mit Zügen versehen werden. Der rückwärtige Theil der Bohrung (Geschoßlager) war weiter ausgearbeitet, so daß das einge- führte Geschoß sich darin frei lagern und drehen konnte; denn nach dem Laden
Erſter Abſchnitt.
eine Füllung von kleineren Hartblei- oder Zinkkugeln enthält. Eine beſondere Abart iſt das Hülſen-Shrapnel, welches ſo conſtruirt iſt, daß nicht wie beim gewöhnlichen Shrapnel das ganze Geſchoß durch die Sprengladung im abſteigenden Aſte der Flugbahn zerriſſen und die Füllladung gegen das Ziel geſchleudert wird; es wird vielmehr nur die Spitze des Projectils abgeriſſen und die Füllladung auf dieſe Weiſe durch die Sprengladung aus dem ganz verbliebenen cylindriſchen Theil des Projectils erneuert verſchoſſen. Hierdurch entſteht eine ſehr geringe Streuung der Füllgeſchoſſe, wodurch ſich dieſe Geſchoßgattung zum Beſchießen von gegen den Flachſchuß gedeckten lebenden Zielen beſonders eignet. Sie findet demgemäß vorzugs- weiſe bei Belagerungsmörſern Verwendung.
[Abbildung]
Fig. 555.
Gezogener eiſerner Hinterlad-Mörſer (Seiten- anſicht und Längsdurchſchnitt).
Bezüglich der Geſchoſſe dieſer Mörſer (»Bomben«) iſt einzuſchalten, daß mit Einführung der gezogenen Rohre, be- ziehungsweiſe der Hinterlader, eine lange Zeit der Experimente platzgriff. Wir können in dieſelben nicht näher eingehen, doch dürften die nachfolgenden, in Oeſter- reich ausgeführten Experimente zur Klärung der Angelegenheit das Ihrige beitragen. Nach Einführung der Hinter- ladekanonen in Oeſterreich übertrug man deren Conſtructionsprincipien auch auf die Mörſer, beziehungsweiſe auf die Geſchoß-Mantelfläche. Letztere beſtand aus einer an den Geſchoßkern ange- goſſenen dicken Hülle aus Blei, deren Durchmeſſer größer war als das Caliber der Bohrung. Es wurde alſo das Geſchoß nicht durch Warzen in Drehung verſetzt, die in den Zügen der Rohrbohrung ſchleiften, ſondern der Bleimantel des Geſchoſſes mußte ſich beim Schuß erſt in die Züge einpreſſen, wodurch natürlich die Führung genauer wurde.
Unter ſolchen Umſtänden hätte man das Geſchoß natürlich nicht laden können, es hätte ja einen zu großen Durchmeſſer gehabt. Man gab alſo dem Geſchoß dieſen großen Durchmeſſer nicht an ſeinem ganzen Umfange, ſondern nur an einzelnen Stellen, das heißt, man ſchnitt in den Bleimantel breite Furchen ein, zwiſchen je zwei, wobei immer der Theil des Bleimantels hervorragte, der beſtimmt war, ſich in die Züge des Rohres einzupreſſen und das Geſchoß in der Bohrung zu führen. Damit nun dieſe hervorragenden Geſchoßleiſten beim Laden einen Platz fanden, mußten in die Bohrung breite Furchen eingeſchnitten werden, und nur der übrig bleibende Theil derſelben konnte mit Zügen verſehen werden. Der rückwärtige Theil der Bohrung (Geſchoßlager) war weiter ausgearbeitet, ſo daß das einge- führte Geſchoß ſich darin frei lagern und drehen konnte; denn nach dem Laden
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Erſter Abſchnitt.
eine Füllung von kleineren Hartblei- oder Zinkkugeln enthält. Eine beſondere Abart
iſt das Hülſen-Shrapnel, welches ſo conſtruirt iſt, daß nicht wie beim gewöhnlichen
Shrapnel das ganze Geſchoß durch die Sprengladung im abſteigenden Aſte der
Flugbahn zerriſſen und die Füllladung gegen das Ziel geſchleudert wird; es wird
vielmehr nur die Spitze des Projectils abgeriſſen und die Füllladung auf dieſe
Weiſe durch die Sprengladung aus dem ganz verbliebenen cylindriſchen Theil des
Projectils erneuert verſchoſſen. Hierdurch entſteht eine ſehr geringe Streuung der
Füllgeſchoſſe, wodurch ſich dieſe Geſchoßgattung zum Beſchießen von gegen den
Flachſchuß gedeckten lebenden Zielen beſonders eignet. Sie findet demgemäß vorzugs-
weiſe bei Belagerungsmörſern Verwendung.
[Abbildung Fig. 555. Gezogener eiſerner Hinterlad-Mörſer (Seiten-
anſicht und Längsdurchſchnitt).]
Bezüglich der Geſchoſſe dieſer Mörſer
(»Bomben«) iſt einzuſchalten, daß mit
Einführung der gezogenen Rohre, be-
ziehungsweiſe der Hinterlader, eine lange
Zeit der Experimente platzgriff. Wir
können in dieſelben nicht näher eingehen,
doch dürften die nachfolgenden, in Oeſter-
reich ausgeführten Experimente zur
Klärung der Angelegenheit das Ihrige
beitragen. Nach Einführung der Hinter-
ladekanonen in Oeſterreich übertrug man
deren Conſtructionsprincipien auch auf
die Mörſer, beziehungsweiſe auf die
Geſchoß-Mantelfläche. Letztere beſtand
aus einer an den Geſchoßkern ange-
goſſenen dicken Hülle aus Blei, deren Durchmeſſer größer war als das Caliber der
Bohrung. Es wurde alſo das Geſchoß nicht durch Warzen in Drehung verſetzt,
die in den Zügen der Rohrbohrung ſchleiften, ſondern der Bleimantel des Geſchoſſes
mußte ſich beim Schuß erſt in die Züge einpreſſen, wodurch natürlich die Führung
genauer wurde.
Unter ſolchen Umſtänden hätte man das Geſchoß natürlich nicht laden können,
es hätte ja einen zu großen Durchmeſſer gehabt. Man gab alſo dem Geſchoß
dieſen großen Durchmeſſer nicht an ſeinem ganzen Umfange, ſondern nur an
einzelnen Stellen, das heißt, man ſchnitt in den Bleimantel breite Furchen ein,
zwiſchen je zwei, wobei immer der Theil des Bleimantels hervorragte, der beſtimmt
war, ſich in die Züge des Rohres einzupreſſen und das Geſchoß in der Bohrung
zu führen. Damit nun dieſe hervorragenden Geſchoßleiſten beim Laden einen Platz
fanden, mußten in die Bohrung breite Furchen eingeſchnitten werden, und nur der
übrig bleibende Theil derſelben konnte mit Zügen verſehen werden. Der rückwärtige
Theil der Bohrung (Geſchoßlager) war weiter ausgearbeitet, ſo daß das einge-
führte Geſchoß ſich darin frei lagern und drehen konnte; denn nach dem Laden
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 698. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/772>, abgerufen am 23.11.2024.
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