System, wegen seiner in ästhetischer Beziehung wenig befriedigenden Gestaltung, geringen Beifall gefunden. Die praktischen Engländer und Amerikaner haben sich daran nicht gehalten, wie, bezüglich der ersteren, die Forth-
[Abbildung]
Fig. 270.
Cantileverbrücke bei den Niagarafällen.
brücke darthut, die schwerlich jemand als schön bezeichnen wird.
Immerhin ist die Möglichkeit gegeben, das System auch in wohlgefälligerer Linienführung zu entwickeln, und es ist nicht zu bestreiten, daß diese Möglichkeit sich in der neuen, von Schneider ohne Einrüstung der Mittelöffnung in der überraschend kurzen Zeit von drei Monaten fertiggestellten neuen Niagarabrücke sich verwirklicht zeigt. Zu der hier stehenden Abbildung (Fig. 270) ist zu bemerken, daß zur Kenntlichmachung der Gelenke, beziehungsweise des mittleren, auf den beiderseits ausgekragten Enden ruhenden kleinen Trägers die betreffen- den, lediglich als Füllstücke dienenden Stäbe nur punktirt worden sind. Selbstverständlich kann dieses Brückensystem auch in anderen Formen zur Anwendung kommen und weist überhaupt den größten Formenreichthum auf, da Kragarme und Mittelträger verschieden und unabhängig von einander durchgebildet werden können. Werden die landseitigen Kragarme sehr kurz, so muß man sie, wie auch bei dem hier gezeigten Beispiele nöthig war, mit den Landpfeilern verankern, um so das Aufkippen der Brücke bei Belastung der Mitte zu verhüten.
Das größte Bauwerk nach dem Krag- systeme ist die neue East Riverbrücke, welche New-York mit Long Island verbindet, und von der weiter oben bereits flüchtig die Rede war. Mit der Brücke steht ein neuerbauter Centralbahnhof der Long Island Ralway Co. in Verbindung, der 18 Meter über dem Wasser- spiegel liegt. Außerhalb derselben laufen die zwölf Geleise der Centralstation in vier zusammen, indem sie auf hohen stählernen Viaducten an die eigentliche Brücke anschließen, während der Wagenverkehr und die Fußgänger eigene Rampen, seitwärts der erwähnten Viaducte, zur Verfügung haben. -- Was die Brücke selbst anbetrifft, gestattete ein im East River liegendes
Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 22
Der eiſerne Brückenbau.
Syſtem, wegen ſeiner in äſthetiſcher Beziehung wenig befriedigenden Geſtaltung, geringen Beifall gefunden. Die praktiſchen Engländer und Amerikaner haben ſich daran nicht gehalten, wie, bezüglich der erſteren, die Forth-
[Abbildung]
Fig. 270.
Cantileverbrücke bei den Niagarafällen.
brücke darthut, die ſchwerlich jemand als ſchön bezeichnen wird.
Immerhin iſt die Möglichkeit gegeben, das Syſtem auch in wohlgefälligerer Linienführung zu entwickeln, und es iſt nicht zu beſtreiten, daß dieſe Möglichkeit ſich in der neuen, von Schneider ohne Einrüſtung der Mittelöffnung in der überraſchend kurzen Zeit von drei Monaten fertiggeſtellten neuen Niagarabrücke ſich verwirklicht zeigt. Zu der hier ſtehenden Abbildung (Fig. 270) iſt zu bemerken, daß zur Kenntlichmachung der Gelenke, beziehungsweiſe des mittleren, auf den beiderſeits ausgekragten Enden ruhenden kleinen Trägers die betreffen- den, lediglich als Füllſtücke dienenden Stäbe nur punktirt worden ſind. Selbſtverſtändlich kann dieſes Brückenſyſtem auch in anderen Formen zur Anwendung kommen und weiſt überhaupt den größten Formenreichthum auf, da Kragarme und Mittelträger verſchieden und unabhängig von einander durchgebildet werden können. Werden die landſeitigen Kragarme ſehr kurz, ſo muß man ſie, wie auch bei dem hier gezeigten Beiſpiele nöthig war, mit den Landpfeilern verankern, um ſo das Aufkippen der Brücke bei Belaſtung der Mitte zu verhüten.
Das größte Bauwerk nach dem Krag- ſyſteme iſt die neue Eaſt Riverbrücke, welche New-York mit Long Island verbindet, und von der weiter oben bereits flüchtig die Rede war. Mit der Brücke ſteht ein neuerbauter Centralbahnhof der Long Island Ralway Co. in Verbindung, der 18 Meter über dem Waſſer- ſpiegel liegt. Außerhalb derſelben laufen die zwölf Geleiſe der Centralſtation in vier zuſammen, indem ſie auf hohen ſtählernen Viaducten an die eigentliche Brücke anſchließen, während der Wagenverkehr und die Fußgänger eigene Rampen, ſeitwärts der erwähnten Viaducte, zur Verfügung haben. — Was die Brücke ſelbſt anbetrifft, geſtattete ein im Eaſt River liegendes
Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 22
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Der eiſerne Brückenbau.
Syſtem, wegen ſeiner in äſthetiſcher Beziehung wenig befriedigenden Geſtaltung, geringen
Beifall gefunden. Die praktiſchen Engländer und Amerikaner haben ſich daran nicht
gehalten, wie, bezüglich der erſteren, die Forth-
[Abbildung Fig. 270. Cantileverbrücke bei den Niagarafällen.]
brücke darthut, die ſchwerlich jemand als ſchön
bezeichnen wird.
Immerhin iſt die Möglichkeit gegeben, das
Syſtem auch in wohlgefälligerer Linienführung
zu entwickeln, und es iſt nicht zu beſtreiten,
daß dieſe Möglichkeit ſich in der neuen, von
Schneider ohne Einrüſtung der Mittelöffnung
in der überraſchend kurzen Zeit von drei
Monaten fertiggeſtellten neuen Niagarabrücke
ſich verwirklicht zeigt. Zu der hier ſtehenden
Abbildung (Fig. 270) iſt zu bemerken, daß zur
Kenntlichmachung der Gelenke, beziehungsweiſe
des mittleren, auf den beiderſeits ausgekragten
Enden ruhenden kleinen Trägers die betreffen-
den, lediglich als Füllſtücke dienenden Stäbe nur
punktirt worden ſind. Selbſtverſtändlich kann
dieſes Brückenſyſtem auch in anderen Formen
zur Anwendung kommen und weiſt überhaupt
den größten Formenreichthum auf, da Kragarme
und Mittelträger verſchieden und unabhängig
von einander durchgebildet werden können.
Werden die landſeitigen Kragarme ſehr kurz, ſo
muß man ſie, wie auch bei dem hier gezeigten
Beiſpiele nöthig war, mit den Landpfeilern
verankern, um ſo das Aufkippen der Brücke
bei Belaſtung der Mitte zu verhüten.
Das größte Bauwerk nach dem Krag-
ſyſteme iſt die neue Eaſt Riverbrücke, welche
New-York mit Long Island verbindet, und
von der weiter oben bereits flüchtig die Rede
war. Mit der Brücke ſteht ein neuerbauter
Centralbahnhof der Long Island Ralway Co.
in Verbindung, der 18 Meter über dem Waſſer-
ſpiegel liegt. Außerhalb derſelben laufen die
zwölf Geleiſe der Centralſtation in vier zuſammen, indem ſie auf hohen ſtählernen
Viaducten an die eigentliche Brücke anſchließen, während der Wagenverkehr und
die Fußgänger eigene Rampen, ſeitwärts der erwähnten Viaducte, zur Verfügung
haben. — Was die Brücke ſelbſt anbetrifft, geſtattete ein im Eaſt River liegendes
Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 22
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/377>, abgerufen am 22.11.2024.
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