schied. Die Verhältnisse gestatteten nicht, eigene Gerüste für die Montirung auf- zustellen; es mußte deshalb der Träger möglichst unabhängig montirt werden. Ein continuirlicher Balken würde dies ermöglicht haben, doch wurde der Constructeur schließ- lich durch die Erwägung beeinflußt, daß bei Anwendung des continuirlichen Trägers in demselben beträchtliche Differenzen im Kräftesysteme sich geltend machen würden, da die hohen Pfeiler bei Temperatur- änderungen Hebungen und Senkungen der Stützen zur Folge hätten.
Trotz der Ungunst der örtlichen Ver- hältnisse wurde dieses Riesenwerk in der fabelhaft kurzen Zeit vom 16. October 1876 bis 20. Februar 1877 fertiggestellt, und zwar mit einem Arbeiteraufgebot von durchschnittlich 53 Mann pro Tag. Ueber den Bauvorgang berichtet Ingenieur Steiner das Folgende: "Die Arbeit wurde ohne eigentliches Gerüste durchgeführt und hierbei von den Landenden aus begonnen, wobei der Obergurt mit den Pfeilern der früher in Aussicht genommenen unvollendeten Drahtseilbrücke verankert wurde, während der Untergurt sich gegen das Mauerwerk stemmte. Auf diese Weise wurde der Träger successive vorgebaut. Ungefähr in der Mitte der äußeren Felder wurden hölzerne Thürme errichtet, welche Winden trugen, durch deren Anwendung den Trägern die richtige Höhen- lage gegeben und zum Theile auch die Ver- ankerung entlastet werden konnte. Der wich- tigste und schwierigste Punkt war, den richtigen Winkel einzuhalten, welchen man den Stäben an der Außenstelle zu geben hatte, um die Spitze des unterstützenden Holz- thurmes in der richtigen Höhe zu er- reichen, sowie die genaue Ermittelung und Durchführung der Höhenlage dieses pro-
Zweiter Abſchnitt.
[Abbildung]
Fig. 261.
Der Kentuckyviaduct.
ſchied. Die Verhältniſſe geſtatteten nicht, eigene Gerüſte für die Montirung auf- zuſtellen; es mußte deshalb der Träger möglichſt unabhängig montirt werden. Ein continuirlicher Balken würde dies ermöglicht haben, doch wurde der Conſtructeur ſchließ- lich durch die Erwägung beeinflußt, daß bei Anwendung des continuirlichen Trägers in demſelben beträchtliche Differenzen im Kräfteſyſteme ſich geltend machen würden, da die hohen Pfeiler bei Temperatur- änderungen Hebungen und Senkungen der Stützen zur Folge hätten.
Trotz der Ungunſt der örtlichen Ver- hältniſſe wurde dieſes Rieſenwerk in der fabelhaft kurzen Zeit vom 16. October 1876 bis 20. Februar 1877 fertiggeſtellt, und zwar mit einem Arbeiteraufgebot von durchſchnittlich 53 Mann pro Tag. Ueber den Bauvorgang berichtet Ingenieur Steiner das Folgende: »Die Arbeit wurde ohne eigentliches Gerüſte durchgeführt und hierbei von den Landenden aus begonnen, wobei der Obergurt mit den Pfeilern der früher in Ausſicht genommenen unvollendeten Drahtſeilbrücke verankert wurde, während der Untergurt ſich gegen das Mauerwerk ſtemmte. Auf dieſe Weiſe wurde der Träger ſucceſſive vorgebaut. Ungefähr in der Mitte der äußeren Felder wurden hölzerne Thürme errichtet, welche Winden trugen, durch deren Anwendung den Trägern die richtige Höhen- lage gegeben und zum Theile auch die Ver- ankerung entlaſtet werden konnte. Der wich- tigſte und ſchwierigſte Punkt war, den richtigen Winkel einzuhalten, welchen man den Stäben an der Außenſtelle zu geben hatte, um die Spitze des unterſtützenden Holz- thurmes in der richtigen Höhe zu er- reichen, ſowie die genaue Ermittelung und Durchführung der Höhenlage dieſes pro-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0358"n="318"/><fwplace="top"type="header">Zweiter Abſchnitt.</fw><lb/><figure><head>Fig. 261.</head><p> Der Kentuckyviaduct.</p></figure>ſchied. Die Verhältniſſe geſtatteten nicht,<lb/>
eigene Gerüſte für die Montirung auf-<lb/>
zuſtellen; es mußte deshalb der Träger<lb/>
möglichſt unabhängig montirt werden. Ein<lb/>
continuirlicher Balken würde dies ermöglicht<lb/>
haben, doch wurde der Conſtructeur ſchließ-<lb/>
lich durch die Erwägung beeinflußt, daß<lb/>
bei Anwendung des continuirlichen Trägers<lb/>
in demſelben beträchtliche Differenzen im<lb/>
Kräfteſyſteme ſich geltend machen würden,<lb/>
da die hohen Pfeiler bei Temperatur-<lb/>
änderungen Hebungen und Senkungen der<lb/>
Stützen zur Folge hätten.</p><lb/><p>Trotz der Ungunſt der örtlichen Ver-<lb/>
hältniſſe wurde dieſes Rieſenwerk in der<lb/>
fabelhaft kurzen Zeit vom 16. October<lb/>
1876 bis 20. Februar 1877 fertiggeſtellt,<lb/>
und zwar mit einem Arbeiteraufgebot von<lb/>
durchſchnittlich 53 Mann pro Tag. Ueber<lb/>
den Bauvorgang berichtet Ingenieur<lb/><hirendition="#g">Steiner</hi> das Folgende: »Die Arbeit wurde<lb/>
ohne eigentliches Gerüſte durchgeführt und<lb/>
hierbei von den Landenden aus begonnen,<lb/>
wobei der Obergurt mit den Pfeilern der<lb/>
früher in Ausſicht genommenen unvollendeten<lb/>
Drahtſeilbrücke verankert wurde, während der<lb/>
Untergurt ſich gegen das Mauerwerk ſtemmte.<lb/>
Auf dieſe Weiſe wurde der Träger ſucceſſive<lb/>
vorgebaut. Ungefähr in der Mitte der<lb/>
äußeren Felder wurden hölzerne Thürme<lb/>
errichtet, welche Winden trugen, durch deren<lb/>
Anwendung den Trägern die richtige Höhen-<lb/>
lage gegeben und zum Theile auch die Ver-<lb/>
ankerung entlaſtet werden konnte. Der wich-<lb/>
tigſte und ſchwierigſte Punkt war, den<lb/>
richtigen Winkel einzuhalten, welchen man<lb/>
den Stäben an der Außenſtelle zu geben<lb/>
hatte, um die Spitze des unterſtützenden Holz-<lb/>
thurmes in der richtigen Höhe zu er-<lb/>
reichen, ſowie die genaue Ermittelung und<lb/>
Durchführung der Höhenlage dieſes pro-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[318/0358]
Zweiter Abſchnitt.
[Abbildung Fig. 261. Der Kentuckyviaduct.]
ſchied. Die Verhältniſſe geſtatteten nicht,
eigene Gerüſte für die Montirung auf-
zuſtellen; es mußte deshalb der Träger
möglichſt unabhängig montirt werden. Ein
continuirlicher Balken würde dies ermöglicht
haben, doch wurde der Conſtructeur ſchließ-
lich durch die Erwägung beeinflußt, daß
bei Anwendung des continuirlichen Trägers
in demſelben beträchtliche Differenzen im
Kräfteſyſteme ſich geltend machen würden,
da die hohen Pfeiler bei Temperatur-
änderungen Hebungen und Senkungen der
Stützen zur Folge hätten.
Trotz der Ungunſt der örtlichen Ver-
hältniſſe wurde dieſes Rieſenwerk in der
fabelhaft kurzen Zeit vom 16. October
1876 bis 20. Februar 1877 fertiggeſtellt,
und zwar mit einem Arbeiteraufgebot von
durchſchnittlich 53 Mann pro Tag. Ueber
den Bauvorgang berichtet Ingenieur
Steiner das Folgende: »Die Arbeit wurde
ohne eigentliches Gerüſte durchgeführt und
hierbei von den Landenden aus begonnen,
wobei der Obergurt mit den Pfeilern der
früher in Ausſicht genommenen unvollendeten
Drahtſeilbrücke verankert wurde, während der
Untergurt ſich gegen das Mauerwerk ſtemmte.
Auf dieſe Weiſe wurde der Träger ſucceſſive
vorgebaut. Ungefähr in der Mitte der
äußeren Felder wurden hölzerne Thürme
errichtet, welche Winden trugen, durch deren
Anwendung den Trägern die richtige Höhen-
lage gegeben und zum Theile auch die Ver-
ankerung entlaſtet werden konnte. Der wich-
tigſte und ſchwierigſte Punkt war, den
richtigen Winkel einzuhalten, welchen man
den Stäben an der Außenſtelle zu geben
hatte, um die Spitze des unterſtützenden Holz-
thurmes in der richtigen Höhe zu er-
reichen, ſowie die genaue Ermittelung und
Durchführung der Höhenlage dieſes pro-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/358>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.