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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Erster Abschnitt.

Und nun erst die technischen Details! Das Plattenwalzwerk steht mit dem
Martinwerk IV -- von dem wir weiter oben flüchtig Erwähnung gemacht haben --
in Verbindung. Die beiden Martinöfen geben Chargen bis 40 Tonnen, und ein
ungeheuerer Siemensofen, der zum Vorwärmen der zu walzenden Platten dient,
hat eine Kammer von 5 Meter Länge, 5 Meter Breite und eine fahrbare Sohle,
auf welcher die schwersten Panzerplatten leicht und rasch eingeführt, beziehungsweise
hervorgeholt werden. In gleichem Maße gigantisch ist das Walzwerk mit seinen
mächtigen Tiegelstahlwalzen, die eine wirksame Länge von 4 Metern haben. Es ist
ein Reversirwalzwerk, dessen Maschine 3500 Pferdekräfte leistet. Selbstverständlich
fehlen die selbstthätigen Rollbahnen nicht, welche die Walzstücke automatisch dem
Walzwerke zuführen.

Beim Anblicke dieser verblüffenden Constructionen vergessen wir ganz, uns
in der Halle selbst umzusehen. Wir bemerken drei Pfeilerreihen, welche den ganzen
Raum in vier Schiffe gliedern, zwei schmälere in der Mitte, zwei breitere an den
Seiten. Die Pfeiler sind kastenartig construirt, im Innern hohl, so daß man
mittelst Stiegenleitern bis auf eine gewisse Höhe emporsteigen kann. In dieser Höhe
sind die Pfeiler mit starken Kragstücken versehen, welche enorm starke Längsträger
stützen, die ihrerseits wieder die Geleise für die Laufkrahne tragen. Die oberen Theile
der Pfeiler, welche dem Dache zur Stütze dienen, sind etwas schwächer dimensionirt.

Die Krahnanlagen bilden für sich eine Sehenswürdigkeit, da kein zweites
Werk auf der Erde so viele und große Hebevorrichtungen auf einem relativ be-
schränkten Raume zusammengedrängt aufweisen kann. Es sind ihrer zehn vorhanden,
von denen einem die kolossale Leistungsfähigkeit von 150 Tonnen, den anderen
eine solche von je 75 Tonnen zukommt. Ihrer Construction nach gleichen sie
Brückenträgern, welche die Schiffe der Halle überspannen. Der maschinelle Antrieb,
sowie die Lenkbarkeit der einzelnen Krahne lassen in Bezug auf Zweckmäßigkeit
nichts zu wünschen übrig.

Sehen wir uns nun den Arbeitsvorgang an. Um eine Panzerplatte von
60 Tonnen Gewicht herzustellen, bedarf es des flüssigen Inhaltes der beiden Martin-
öfen, welche chargebereit sind. Nun rollen zwei der 75 Tonnenkrahne mit ihren
Pfannen heran, senken diese in die Grube und nach erfolgtem Abstich strömt die
bläulich glühende Masse in die Pfannen ab. Sowie diese gefüllt sind, rollen die
Krahne zur Formgrube, wo eine mächtige Coquille die Schmelzmasse aufnimmt.
Die mit feuerfester Masse geschlossenen Bodenlöcher der Pfannen werden durchstoßen
und das flüssige Metall strömt in kleinen Rinnen in die Coquille ab. Langsam
und ruhig füllt sich letztere und nach Ablauf einer halben Stunde ist der Guß
fertig. Das Material ist Nickelstahl, eine neue Specialität der Fabrik, welche vor-
wiegend bei der Erzeugung von Panzerplatten und Schiffskurbelwellen (vgl. S. 58)
Anwendung findet.

Das Gußstück wird bis zu einem gewissen Grade der Erkaltung ausgesetzt,
sodann ausgehoben und zum Anwärmen in den weiter oben erwähnten riesigen

Erſter Abſchnitt.

Und nun erſt die techniſchen Details! Das Plattenwalzwerk ſteht mit dem
Martinwerk IV — von dem wir weiter oben flüchtig Erwähnung gemacht haben —
in Verbindung. Die beiden Martinöfen geben Chargen bis 40 Tonnen, und ein
ungeheuerer Siemensofen, der zum Vorwärmen der zu walzenden Platten dient,
hat eine Kammer von 5 Meter Länge, 5 Meter Breite und eine fahrbare Sohle,
auf welcher die ſchwerſten Panzerplatten leicht und raſch eingeführt, beziehungsweiſe
hervorgeholt werden. In gleichem Maße gigantiſch iſt das Walzwerk mit ſeinen
mächtigen Tiegelſtahlwalzen, die eine wirkſame Länge von 4 Metern haben. Es iſt
ein Reverſirwalzwerk, deſſen Maſchine 3500 Pferdekräfte leiſtet. Selbſtverſtändlich
fehlen die ſelbſtthätigen Rollbahnen nicht, welche die Walzſtücke automatiſch dem
Walzwerke zuführen.

Beim Anblicke dieſer verblüffenden Conſtructionen vergeſſen wir ganz, uns
in der Halle ſelbſt umzuſehen. Wir bemerken drei Pfeilerreihen, welche den ganzen
Raum in vier Schiffe gliedern, zwei ſchmälere in der Mitte, zwei breitere an den
Seiten. Die Pfeiler ſind kaſtenartig conſtruirt, im Innern hohl, ſo daß man
mittelſt Stiegenleitern bis auf eine gewiſſe Höhe emporſteigen kann. In dieſer Höhe
ſind die Pfeiler mit ſtarken Kragſtücken verſehen, welche enorm ſtarke Längsträger
ſtützen, die ihrerſeits wieder die Geleiſe für die Laufkrahne tragen. Die oberen Theile
der Pfeiler, welche dem Dache zur Stütze dienen, ſind etwas ſchwächer dimenſionirt.

Die Krahnanlagen bilden für ſich eine Sehenswürdigkeit, da kein zweites
Werk auf der Erde ſo viele und große Hebevorrichtungen auf einem relativ be-
ſchränkten Raume zuſammengedrängt aufweiſen kann. Es ſind ihrer zehn vorhanden,
von denen einem die koloſſale Leiſtungsfähigkeit von 150 Tonnen, den anderen
eine ſolche von je 75 Tonnen zukommt. Ihrer Conſtruction nach gleichen ſie
Brückenträgern, welche die Schiffe der Halle überſpannen. Der maſchinelle Antrieb,
ſowie die Lenkbarkeit der einzelnen Krahne laſſen in Bezug auf Zweckmäßigkeit
nichts zu wünſchen übrig.

Sehen wir uns nun den Arbeitsvorgang an. Um eine Panzerplatte von
60 Tonnen Gewicht herzuſtellen, bedarf es des flüſſigen Inhaltes der beiden Martin-
öfen, welche chargebereit ſind. Nun rollen zwei der 75 Tonnenkrahne mit ihren
Pfannen heran, ſenken dieſe in die Grube und nach erfolgtem Abſtich ſtrömt die
bläulich glühende Maſſe in die Pfannen ab. Sowie dieſe gefüllt ſind, rollen die
Krahne zur Formgrube, wo eine mächtige Coquille die Schmelzmaſſe aufnimmt.
Die mit feuerfeſter Maſſe geſchloſſenen Bodenlöcher der Pfannen werden durchſtoßen
und das flüſſige Metall ſtrömt in kleinen Rinnen in die Coquille ab. Langſam
und ruhig füllt ſich letztere und nach Ablauf einer halben Stunde iſt der Guß
fertig. Das Material iſt Nickelſtahl, eine neue Specialität der Fabrik, welche vor-
wiegend bei der Erzeugung von Panzerplatten und Schiffskurbelwellen (vgl. S. 58)
Anwendung findet.

Das Gußſtück wird bis zu einem gewiſſen Grade der Erkaltung ausgeſetzt,
ſodann ausgehoben und zum Anwärmen in den weiter oben erwähnten rieſigen

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[154/0182] Erſter Abſchnitt. Und nun erſt die techniſchen Details! Das Plattenwalzwerk ſteht mit dem Martinwerk IV — von dem wir weiter oben flüchtig Erwähnung gemacht haben — in Verbindung. Die beiden Martinöfen geben Chargen bis 40 Tonnen, und ein ungeheuerer Siemensofen, der zum Vorwärmen der zu walzenden Platten dient, hat eine Kammer von 5 Meter Länge, 5 Meter Breite und eine fahrbare Sohle, auf welcher die ſchwerſten Panzerplatten leicht und raſch eingeführt, beziehungsweiſe hervorgeholt werden. In gleichem Maße gigantiſch iſt das Walzwerk mit ſeinen mächtigen Tiegelſtahlwalzen, die eine wirkſame Länge von 4 Metern haben. Es iſt ein Reverſirwalzwerk, deſſen Maſchine 3500 Pferdekräfte leiſtet. Selbſtverſtändlich fehlen die ſelbſtthätigen Rollbahnen nicht, welche die Walzſtücke automatiſch dem Walzwerke zuführen. Beim Anblicke dieſer verblüffenden Conſtructionen vergeſſen wir ganz, uns in der Halle ſelbſt umzuſehen. Wir bemerken drei Pfeilerreihen, welche den ganzen Raum in vier Schiffe gliedern, zwei ſchmälere in der Mitte, zwei breitere an den Seiten. Die Pfeiler ſind kaſtenartig conſtruirt, im Innern hohl, ſo daß man mittelſt Stiegenleitern bis auf eine gewiſſe Höhe emporſteigen kann. In dieſer Höhe ſind die Pfeiler mit ſtarken Kragſtücken verſehen, welche enorm ſtarke Längsträger ſtützen, die ihrerſeits wieder die Geleiſe für die Laufkrahne tragen. Die oberen Theile der Pfeiler, welche dem Dache zur Stütze dienen, ſind etwas ſchwächer dimenſionirt. Die Krahnanlagen bilden für ſich eine Sehenswürdigkeit, da kein zweites Werk auf der Erde ſo viele und große Hebevorrichtungen auf einem relativ be- ſchränkten Raume zuſammengedrängt aufweiſen kann. Es ſind ihrer zehn vorhanden, von denen einem die koloſſale Leiſtungsfähigkeit von 150 Tonnen, den anderen eine ſolche von je 75 Tonnen zukommt. Ihrer Conſtruction nach gleichen ſie Brückenträgern, welche die Schiffe der Halle überſpannen. Der maſchinelle Antrieb, ſowie die Lenkbarkeit der einzelnen Krahne laſſen in Bezug auf Zweckmäßigkeit nichts zu wünſchen übrig. Sehen wir uns nun den Arbeitsvorgang an. Um eine Panzerplatte von 60 Tonnen Gewicht herzuſtellen, bedarf es des flüſſigen Inhaltes der beiden Martin- öfen, welche chargebereit ſind. Nun rollen zwei der 75 Tonnenkrahne mit ihren Pfannen heran, ſenken dieſe in die Grube und nach erfolgtem Abſtich ſtrömt die bläulich glühende Maſſe in die Pfannen ab. Sowie dieſe gefüllt ſind, rollen die Krahne zur Formgrube, wo eine mächtige Coquille die Schmelzmaſſe aufnimmt. Die mit feuerfeſter Maſſe geſchloſſenen Bodenlöcher der Pfannen werden durchſtoßen und das flüſſige Metall ſtrömt in kleinen Rinnen in die Coquille ab. Langſam und ruhig füllt ſich letztere und nach Ablauf einer halben Stunde iſt der Guß fertig. Das Material iſt Nickelſtahl, eine neue Specialität der Fabrik, welche vor- wiegend bei der Erzeugung von Panzerplatten und Schiffskurbelwellen (vgl. S. 58) Anwendung findet. Das Gußſtück wird bis zu einem gewiſſen Grade der Erkaltung ausgeſetzt, ſodann ausgehoben und zum Anwärmen in den weiter oben erwähnten rieſigen

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/182>, abgerufen am 24.11.2024.