daß der Lenker dieses kraftvollen Mechanismus in dem Augenblicke Gegendampf giebt, in dem er sich dem Amboß bis auf einige Centimeter genähert hat. Der Hammer schwingt also innerhalb seines Gerüstes auf und ab, ohne irgend welche Kraftleistung zu äußern -- ein überwältigendes Schauspiel!
Der Hammer "Fritz" ist die große Schöpfung Alfred Krupp's vom Jahre 1861. Er ist also nun bald vier Jahrzehnte in Betrieb und hat in dieser Zeit eine Arbeit verrichtet, die Millionen von Menschenhänden nicht zu Wege gebracht haben würden. Seine Gesammterscheinung hat etwas Phantastisches, das vornehmlich durch die in dieser Halle herrschende Dunkelheit hervorgerufen wird. Bis in schattenhafte Ferne reicht sein Aufbau in die Höhe. Die Stille ist wie der Schlummer eines Riesen, bei dessem Erwachen Erde und Baulichkeit erzittern und das dumpfe Ge- dröhne bis in weite Ferne hörbar ist. Letzteres kommt vornehmlich von dem gewaltigen Dampfauspuff nach jedem Schlage.
Der Vorgang beim Bearbeiten großer Schmiedestücke ist der Folgende. Der Stahlblock kommt zuvörderst in einen der vier Flammöfen, welche sich in unmittel- barer Nähe des Hammers befinden und bis zu welchem die etwa 10 Meter langen Ausleger der vier großen Krahne reichen. Von diesen, welche dicht am Hammer- gerüste stehen, haben zwei je 30 Tonnen, die beiden anderen je 50 Tonnen Trag- kraft. Die Flammöfen haben 6 Meter lange Kammern, deren Sohle auf Rollen beweglich ist. Dadurch wird es möglich, die schweren Schmiedestücke ohne beson- deren Kraftaufwand in die Oefen einzuführen beziehungsweise hervorzuholen. Wenn man indeß bedenkt, daß ein solch schweres Schmiedestück nach und nach bis zu 8 und 10 Meter Länge (z. B. für das Seelenrohr eines Marinegeschützes) ausge- hämmert werden muß, so leuchtet ein, daß mit dem Fortschreiten der Arbeit nicht mehr das ganze Schmiedestück in den Ofen eingebracht werden kann. Es ragt dann das eine Ende aus letzterem heraus. Es wird entsprechend verwahrt und unter den Hammer gebracht, wenn die andere Hälfte niedergehämmert ist.
Sobald das Schmiedestück mit der rollenden Kammersohle aus dem Flamm- ofen hervorgeholt ist, wendet einer der Krahne seinen Ausleger derart, daß die schwere eiserne Hängekette durch Arbeiter leicht und sicher genau an jener Stelle um das Schmiedestück geschlungen werden kann, wo sich der Schwerpunkt des Blockes befindet. Nun wird dieser gehoben, der Ausleger wendet sich dem Amboß zu und es bedarf nur einiger weniger geschickter Hantirungen, um das Schmiede- stück unter den Hammer zu bringen. Bei der Mächtigkeit desselben kann es nicht überraschen, daß -- trotz aller Wucht der 50 Tonnenlast -- die Wirkung der Schläge eine mäßige ist. Der Fallklotz dringt nur wenige Centimeter in die glühende, dabei gleichwohl sehr widerstandskräftige Masse ein. Nach einigen Schlägen wird der Block gewendet und dieser Vorgang so oft wiederholt, bis sich die Noth- wendigkeit einstellt, denselben im Flammofen von Neuem zu erhitzen. Bei der Häufigkeit solcher Proceduren und angesichts des immer unhandlicher werdenden
Erſter Abſchnitt.
daß der Lenker dieſes kraftvollen Mechanismus in dem Augenblicke Gegendampf giebt, in dem er ſich dem Amboß bis auf einige Centimeter genähert hat. Der Hammer ſchwingt alſo innerhalb ſeines Gerüſtes auf und ab, ohne irgend welche Kraftleiſtung zu äußern — ein überwältigendes Schauſpiel!
Der Hammer »Fritz« iſt die große Schöpfung Alfred Krupp's vom Jahre 1861. Er iſt alſo nun bald vier Jahrzehnte in Betrieb und hat in dieſer Zeit eine Arbeit verrichtet, die Millionen von Menſchenhänden nicht zu Wege gebracht haben würden. Seine Geſammterſcheinung hat etwas Phantaſtiſches, das vornehmlich durch die in dieſer Halle herrſchende Dunkelheit hervorgerufen wird. Bis in ſchattenhafte Ferne reicht ſein Aufbau in die Höhe. Die Stille iſt wie der Schlummer eines Rieſen, bei deſſem Erwachen Erde und Baulichkeit erzittern und das dumpfe Ge- dröhne bis in weite Ferne hörbar iſt. Letzteres kommt vornehmlich von dem gewaltigen Dampfauspuff nach jedem Schlage.
Der Vorgang beim Bearbeiten großer Schmiedeſtücke iſt der Folgende. Der Stahlblock kommt zuvörderſt in einen der vier Flammöfen, welche ſich in unmittel- barer Nähe des Hammers befinden und bis zu welchem die etwa 10 Meter langen Ausleger der vier großen Krahne reichen. Von dieſen, welche dicht am Hammer- gerüſte ſtehen, haben zwei je 30 Tonnen, die beiden anderen je 50 Tonnen Trag- kraft. Die Flammöfen haben 6 Meter lange Kammern, deren Sohle auf Rollen beweglich iſt. Dadurch wird es möglich, die ſchweren Schmiedeſtücke ohne beſon- deren Kraftaufwand in die Oefen einzuführen beziehungsweiſe hervorzuholen. Wenn man indeß bedenkt, daß ein ſolch ſchweres Schmiedeſtück nach und nach bis zu 8 und 10 Meter Länge (z. B. für das Seelenrohr eines Marinegeſchützes) ausge- hämmert werden muß, ſo leuchtet ein, daß mit dem Fortſchreiten der Arbeit nicht mehr das ganze Schmiedeſtück in den Ofen eingebracht werden kann. Es ragt dann das eine Ende aus letzterem heraus. Es wird entſprechend verwahrt und unter den Hammer gebracht, wenn die andere Hälfte niedergehämmert iſt.
Sobald das Schmiedeſtück mit der rollenden Kammerſohle aus dem Flamm- ofen hervorgeholt iſt, wendet einer der Krahne ſeinen Ausleger derart, daß die ſchwere eiſerne Hängekette durch Arbeiter leicht und ſicher genau an jener Stelle um das Schmiedeſtück geſchlungen werden kann, wo ſich der Schwerpunkt des Blockes befindet. Nun wird dieſer gehoben, der Ausleger wendet ſich dem Amboß zu und es bedarf nur einiger weniger geſchickter Hantirungen, um das Schmiede- ſtück unter den Hammer zu bringen. Bei der Mächtigkeit deſſelben kann es nicht überraſchen, daß — trotz aller Wucht der 50 Tonnenlaſt — die Wirkung der Schläge eine mäßige iſt. Der Fallklotz dringt nur wenige Centimeter in die glühende, dabei gleichwohl ſehr widerſtandskräftige Maſſe ein. Nach einigen Schlägen wird der Block gewendet und dieſer Vorgang ſo oft wiederholt, bis ſich die Noth- wendigkeit einſtellt, denſelben im Flammofen von Neuem zu erhitzen. Bei der Häufigkeit ſolcher Proceduren und angeſichts des immer unhandlicher werdenden
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0176"n="148"/><fwplace="top"type="header">Erſter Abſchnitt.</fw><lb/>
daß der Lenker dieſes kraftvollen Mechanismus in dem Augenblicke Gegendampf<lb/>
giebt, in dem er ſich dem Amboß bis auf einige Centimeter genähert hat. Der<lb/>
Hammer ſchwingt alſo innerhalb ſeines Gerüſtes auf und ab, ohne irgend welche<lb/>
Kraftleiſtung zu äußern — ein überwältigendes Schauſpiel!</p><lb/><p>Der Hammer »Fritz« iſt die große Schöpfung Alfred <hirendition="#g">Krupp</hi>'s vom Jahre<lb/>
1861. Er iſt alſo nun bald vier Jahrzehnte in Betrieb und hat in dieſer Zeit eine<lb/>
Arbeit verrichtet, die Millionen von Menſchenhänden nicht zu Wege gebracht haben<lb/>
würden. Seine Geſammterſcheinung hat etwas Phantaſtiſches, das vornehmlich durch<lb/>
die in dieſer Halle herrſchende Dunkelheit hervorgerufen wird. Bis in ſchattenhafte<lb/>
Ferne reicht ſein Aufbau in die Höhe. Die Stille iſt wie der Schlummer eines<lb/>
Rieſen, bei deſſem Erwachen Erde und Baulichkeit erzittern und das dumpfe Ge-<lb/>
dröhne bis in weite Ferne hörbar iſt. Letzteres kommt vornehmlich von dem gewaltigen<lb/>
Dampfauspuff nach jedem Schlage.</p><lb/><p>Der Vorgang beim Bearbeiten großer Schmiedeſtücke iſt der Folgende. Der<lb/>
Stahlblock kommt zuvörderſt in einen der vier Flammöfen, welche ſich in unmittel-<lb/>
barer Nähe des Hammers befinden und bis zu welchem die etwa 10 Meter langen<lb/>
Ausleger der vier großen Krahne reichen. Von dieſen, welche dicht am Hammer-<lb/>
gerüſte ſtehen, haben zwei je 30 Tonnen, die beiden anderen je 50 Tonnen Trag-<lb/>
kraft. Die Flammöfen haben 6 Meter lange Kammern, deren Sohle auf Rollen<lb/>
beweglich iſt. Dadurch wird es möglich, die ſchweren Schmiedeſtücke ohne beſon-<lb/>
deren Kraftaufwand in die Oefen einzuführen beziehungsweiſe hervorzuholen. Wenn<lb/>
man indeß bedenkt, daß ein ſolch ſchweres Schmiedeſtück nach und nach bis zu 8<lb/>
und 10 Meter Länge (z. B. für das Seelenrohr eines Marinegeſchützes) ausge-<lb/>
hämmert werden muß, ſo leuchtet ein, daß mit dem Fortſchreiten der Arbeit nicht<lb/>
mehr das ganze Schmiedeſtück in den Ofen eingebracht werden kann. Es ragt<lb/>
dann das eine Ende aus letzterem heraus. Es wird entſprechend verwahrt und<lb/>
unter den Hammer gebracht, wenn die andere Hälfte niedergehämmert iſt.</p><lb/><p>Sobald das Schmiedeſtück mit der rollenden Kammerſohle aus dem Flamm-<lb/>
ofen hervorgeholt iſt, wendet einer der Krahne ſeinen Ausleger derart, daß die<lb/>ſchwere eiſerne Hängekette durch Arbeiter leicht und ſicher genau an jener Stelle<lb/>
um das Schmiedeſtück geſchlungen werden kann, wo ſich der Schwerpunkt des<lb/>
Blockes befindet. Nun wird dieſer gehoben, der Ausleger wendet ſich dem Amboß<lb/>
zu und es bedarf nur einiger weniger geſchickter Hantirungen, um das Schmiede-<lb/>ſtück unter den Hammer zu bringen. Bei der Mächtigkeit deſſelben kann es nicht<lb/>
überraſchen, daß — trotz aller Wucht der 50 Tonnenlaſt — die Wirkung der<lb/>
Schläge eine mäßige iſt. Der Fallklotz dringt nur wenige Centimeter in die<lb/>
glühende, dabei gleichwohl ſehr widerſtandskräftige Maſſe ein. Nach einigen Schlägen<lb/>
wird der Block gewendet und dieſer Vorgang ſo oft wiederholt, bis ſich die Noth-<lb/>
wendigkeit einſtellt, denſelben im Flammofen von Neuem zu erhitzen. Bei der<lb/>
Häufigkeit ſolcher Proceduren und angeſichts des immer unhandlicher werdenden<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[148/0176]
Erſter Abſchnitt.
daß der Lenker dieſes kraftvollen Mechanismus in dem Augenblicke Gegendampf
giebt, in dem er ſich dem Amboß bis auf einige Centimeter genähert hat. Der
Hammer ſchwingt alſo innerhalb ſeines Gerüſtes auf und ab, ohne irgend welche
Kraftleiſtung zu äußern — ein überwältigendes Schauſpiel!
Der Hammer »Fritz« iſt die große Schöpfung Alfred Krupp's vom Jahre
1861. Er iſt alſo nun bald vier Jahrzehnte in Betrieb und hat in dieſer Zeit eine
Arbeit verrichtet, die Millionen von Menſchenhänden nicht zu Wege gebracht haben
würden. Seine Geſammterſcheinung hat etwas Phantaſtiſches, das vornehmlich durch
die in dieſer Halle herrſchende Dunkelheit hervorgerufen wird. Bis in ſchattenhafte
Ferne reicht ſein Aufbau in die Höhe. Die Stille iſt wie der Schlummer eines
Rieſen, bei deſſem Erwachen Erde und Baulichkeit erzittern und das dumpfe Ge-
dröhne bis in weite Ferne hörbar iſt. Letzteres kommt vornehmlich von dem gewaltigen
Dampfauspuff nach jedem Schlage.
Der Vorgang beim Bearbeiten großer Schmiedeſtücke iſt der Folgende. Der
Stahlblock kommt zuvörderſt in einen der vier Flammöfen, welche ſich in unmittel-
barer Nähe des Hammers befinden und bis zu welchem die etwa 10 Meter langen
Ausleger der vier großen Krahne reichen. Von dieſen, welche dicht am Hammer-
gerüſte ſtehen, haben zwei je 30 Tonnen, die beiden anderen je 50 Tonnen Trag-
kraft. Die Flammöfen haben 6 Meter lange Kammern, deren Sohle auf Rollen
beweglich iſt. Dadurch wird es möglich, die ſchweren Schmiedeſtücke ohne beſon-
deren Kraftaufwand in die Oefen einzuführen beziehungsweiſe hervorzuholen. Wenn
man indeß bedenkt, daß ein ſolch ſchweres Schmiedeſtück nach und nach bis zu 8
und 10 Meter Länge (z. B. für das Seelenrohr eines Marinegeſchützes) ausge-
hämmert werden muß, ſo leuchtet ein, daß mit dem Fortſchreiten der Arbeit nicht
mehr das ganze Schmiedeſtück in den Ofen eingebracht werden kann. Es ragt
dann das eine Ende aus letzterem heraus. Es wird entſprechend verwahrt und
unter den Hammer gebracht, wenn die andere Hälfte niedergehämmert iſt.
Sobald das Schmiedeſtück mit der rollenden Kammerſohle aus dem Flamm-
ofen hervorgeholt iſt, wendet einer der Krahne ſeinen Ausleger derart, daß die
ſchwere eiſerne Hängekette durch Arbeiter leicht und ſicher genau an jener Stelle
um das Schmiedeſtück geſchlungen werden kann, wo ſich der Schwerpunkt des
Blockes befindet. Nun wird dieſer gehoben, der Ausleger wendet ſich dem Amboß
zu und es bedarf nur einiger weniger geſchickter Hantirungen, um das Schmiede-
ſtück unter den Hammer zu bringen. Bei der Mächtigkeit deſſelben kann es nicht
überraſchen, daß — trotz aller Wucht der 50 Tonnenlaſt — die Wirkung der
Schläge eine mäßige iſt. Der Fallklotz dringt nur wenige Centimeter in die
glühende, dabei gleichwohl ſehr widerſtandskräftige Maſſe ein. Nach einigen Schlägen
wird der Block gewendet und dieſer Vorgang ſo oft wiederholt, bis ſich die Noth-
wendigkeit einſtellt, denſelben im Flammofen von Neuem zu erhitzen. Bei der
Häufigkeit ſolcher Proceduren und angeſichts des immer unhandlicher werdenden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/176>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.