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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Hoch-Armenien.
unter Paskiewitsch-Eriwanski in Erzerum, dem alten Zankapfel
zwischen den Tigris- und Araxes-Ländern, ein.

Und die heutige Capitale, besitzt sie mehr, als ein historisches
Interesse? Wohl wird sie der Schlüssel zu Anatolien genannt
und ihre geographische Lage ist in der That derart, daß mit
ihrem Besitze eine gewisse politische Machtstellung, zwischen
Transkaukasien, Pontus, Kurdistan und Anatolien, von nicht blos
akademischen Werthe zu sein vermag, doch sind die räumlichen
Verhältnisse zwischen Erzerum und den Nachbar-Provinzen, zumal
den westlichen und südlichen derart, daß diese geographisch-politische
Präponderanz immerhin stark zu palarysiren wäre, sobald den
fraglichen Provinzen eigene Kraft und fremder (osmanischer)
Schutz innewohnten ... Als Stadt ist Erzerum niemals früher
so jämmerlich herabgekommen, als wie unter den Osmanen.
Abgesehen von der allgemeinen Verwahrlosung des Platzes, ward
durch ein ungerechtes Gewaltregiment auch das gewerbliche1 und
social freiere Leben im Laufe der Zeit vollends abgetödtet.
Würde nicht einer der ältesten und noch heute, ob Mangels an
jeder anderen Communication, stark frequentirter Handelsweg,
von der pontischen Küstenstadt Trapezunt durch die Capitale
Armeniens nach Persien u. s. w., gezogen sein, so würde man
heute dieselbe kaum mehr dem Namen nach kennen, wie so viele
andere einstigen Emporien im Innern Anatoliens, die man bei
uns heute nicht mehr kennt.

Erzerum hat auch ein altes Castell, das die Türken Itsch-
Kaleh (das "innere Schloß") nennen, in welchem einst die
Beglerbegs von Anatolien im Namen des Padischah Goldmünzen
prägen ließen und die Tschorbaschis von 15,000 Janitscharen,
die jahrein und jahraus in Erzerum lagen, ein- und ausgingen,

berühmten Pfauenthron (jetzt in der Schatzkammer des Sultans zu
Stambul) mit sich fortgeschleppt. Er wurde schließlich von einem seiner
Offiziere in seinem eigenen Zelte (in Sedjestan) ermordet, als man erfuhr,
er wolle alle Perser in seinem Heere umbringen lassen.
1 Besonders geschätzt waren früher die Erzerumer Kupfergeschirre,
welche im ganzen Oriente Absatz und ihren Weg selbst nach Persien und
Indien fanden. Noch vor hundert Jahren widerhallte die ganze Stadt
von dem Gehämmer der Kesselschmiede, eine Musik, von der sich das os-
manische Ohr längst entwöhnt hat.

Hoch-Armenien.
unter Paskiewitſch-Eriwanski in Erzerum, dem alten Zankapfel
zwiſchen den Tigris- und Araxes-Ländern, ein.

Und die heutige Capitale, beſitzt ſie mehr, als ein hiſtoriſches
Intereſſe? Wohl wird ſie der Schlüſſel zu Anatolien genannt
und ihre geographiſche Lage iſt in der That derart, daß mit
ihrem Beſitze eine gewiſſe politiſche Machtſtellung, zwiſchen
Transkaukaſien, Pontus, Kurdiſtan und Anatolien, von nicht blos
akademiſchen Werthe zu ſein vermag, doch ſind die räumlichen
Verhältniſſe zwiſchen Erzerum und den Nachbar-Provinzen, zumal
den weſtlichen und ſüdlichen derart, daß dieſe geographiſch-politiſche
Präponderanz immerhin ſtark zu palaryſiren wäre, ſobald den
fraglichen Provinzen eigene Kraft und fremder (osmaniſcher)
Schutz innewohnten … Als Stadt iſt Erzerum niemals früher
ſo jämmerlich herabgekommen, als wie unter den Osmanen.
Abgeſehen von der allgemeinen Verwahrloſung des Platzes, ward
durch ein ungerechtes Gewaltregiment auch das gewerbliche1 und
ſocial freiere Leben im Laufe der Zeit vollends abgetödtet.
Würde nicht einer der älteſten und noch heute, ob Mangels an
jeder anderen Communication, ſtark frequentirter Handelsweg,
von der pontiſchen Küſtenſtadt Trapezunt durch die Capitale
Armeniens nach Perſien u. ſ. w., gezogen ſein, ſo würde man
heute dieſelbe kaum mehr dem Namen nach kennen, wie ſo viele
andere einſtigen Emporien im Innern Anatoliens, die man bei
uns heute nicht mehr kennt.

Erzerum hat auch ein altes Caſtell, das die Türken Itſch-
Kaleh (das „innere Schloß“) nennen, in welchem einſt die
Beglerbegs von Anatolien im Namen des Padiſchah Goldmünzen
prägen ließen und die Tſchorbaſchis von 15,000 Janitſcharen,
die jahrein und jahraus in Erzerum lagen, ein- und ausgingen,

berühmten Pfauenthron (jetzt in der Schatzkammer des Sultans zu
Stambul) mit ſich fortgeſchleppt. Er wurde ſchließlich von einem ſeiner
Offiziere in ſeinem eigenen Zelte (in Sedjeſtan) ermordet, als man erfuhr,
er wolle alle Perſer in ſeinem Heere umbringen laſſen.
1 Beſonders geſchätzt waren früher die Erzerumer Kupfergeſchirre,
welche im ganzen Oriente Abſatz und ihren Weg ſelbſt nach Perſien und
Indien fanden. Noch vor hundert Jahren widerhallte die ganze Stadt
von dem Gehämmer der Keſſelſchmiede, eine Muſik, von der ſich das os-
maniſche Ohr längſt entwöhnt hat.
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[56/0088] Hoch-Armenien. unter Paskiewitſch-Eriwanski in Erzerum, dem alten Zankapfel zwiſchen den Tigris- und Araxes-Ländern, ein. Und die heutige Capitale, beſitzt ſie mehr, als ein hiſtoriſches Intereſſe? Wohl wird ſie der Schlüſſel zu Anatolien genannt und ihre geographiſche Lage iſt in der That derart, daß mit ihrem Beſitze eine gewiſſe politiſche Machtſtellung, zwiſchen Transkaukaſien, Pontus, Kurdiſtan und Anatolien, von nicht blos akademiſchen Werthe zu ſein vermag, doch ſind die räumlichen Verhältniſſe zwiſchen Erzerum und den Nachbar-Provinzen, zumal den weſtlichen und ſüdlichen derart, daß dieſe geographiſch-politiſche Präponderanz immerhin ſtark zu palaryſiren wäre, ſobald den fraglichen Provinzen eigene Kraft und fremder (osmaniſcher) Schutz innewohnten … Als Stadt iſt Erzerum niemals früher ſo jämmerlich herabgekommen, als wie unter den Osmanen. Abgeſehen von der allgemeinen Verwahrloſung des Platzes, ward durch ein ungerechtes Gewaltregiment auch das gewerbliche 1 und ſocial freiere Leben im Laufe der Zeit vollends abgetödtet. Würde nicht einer der älteſten und noch heute, ob Mangels an jeder anderen Communication, ſtark frequentirter Handelsweg, von der pontiſchen Küſtenſtadt Trapezunt durch die Capitale Armeniens nach Perſien u. ſ. w., gezogen ſein, ſo würde man heute dieſelbe kaum mehr dem Namen nach kennen, wie ſo viele andere einſtigen Emporien im Innern Anatoliens, die man bei uns heute nicht mehr kennt. Erzerum hat auch ein altes Caſtell, das die Türken Itſch- Kaleh (das „innere Schloß“) nennen, in welchem einſt die Beglerbegs von Anatolien im Namen des Padiſchah Goldmünzen prägen ließen und die Tſchorbaſchis von 15,000 Janitſcharen, die jahrein und jahraus in Erzerum lagen, ein- und ausgingen, 1 1 Beſonders geſchätzt waren früher die Erzerumer Kupfergeſchirre, welche im ganzen Oriente Abſatz und ihren Weg ſelbſt nach Perſien und Indien fanden. Noch vor hundert Jahren widerhallte die ganze Stadt von dem Gehämmer der Keſſelſchmiede, eine Muſik, von der ſich das os- maniſche Ohr längſt entwöhnt hat. 1 berühmten Pfauenthron (jetzt in der Schatzkammer des Sultans zu Stambul) mit ſich fortgeſchleppt. Er wurde ſchließlich von einem ſeiner Offiziere in ſeinem eigenen Zelte (in Sedjeſtan) ermordet, als man erfuhr, er wolle alle Perſer in ſeinem Heere umbringen laſſen.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/88>, abgerufen am 22.11.2024.