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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Hoch-Armenien.
den, von den Parthern eingesetzten König von Armenien, Partha-
masiris, vor sich geladen, oder besser: befohlen. Der König er-
schien und wie einst Tiridates vor Nero, so legte auch er seine
Tiara auf die Stufe des Trajanischen Thrones, in der Hoffnung,
dieselbe aus des Siegers Hand wieder zurückzuerhalten. Es
kam indeß anders. Vielleicht wäre Trajan geneigt gewesen,
Gnade und Großmuth zu üben, als aber Parthamasiris seine
Huldigung, oder eigentlich seine Demüthigung begangen hatte,
brach das versammelte Römerheer in einen frenetischen Freuden-
jubel aus, worauf der Entkrönte entsetzt die Flucht ergriff. Ein-
gebracht und vor Trajan geführt, beschwerte er sich, daß man
ihn, der sich freiwillig dem Sieger gestellt, um aus dessen Händen
die Krone Armeniens zu empfangen, als Gefangenen behandle,
worauf Trajan zur Antwort gab, daß er keineswegs die Absicht
habe, diese Krone irgend Jemandem zu verleihen, sondern sich be-
stimmt fühle, Armenien in eine Provinz des römischen Reiches
zu verwandeln. Der argenttäuschte Parthamasiris, empört über
diesen Entschluß, ergriff die Waffen, ward jedoch schon im ersten
Gefechte erschlagen.

Dieser Act ist zweifellos der interessanteste aus der Geschichte
Erzerums, beziehungsweise Garins, der Stadt und dem Emporium,
das vorher an der Stelle des nachmaligen "Arzen-er-Rum" der
Araber (daher der heutige Name) gestanden. Als die Araber
in Hoch-Armenien erschienen, gab es freilich keine Römer mehr,
aber es ist ja allgemein bekannt, daß die Bezeichnung "Rum"
auch auf das byzantinische Reich überging, und die Stadt Arzen
somit eine byzantinische Gründung war. Es gab übrigens zwei
Städte dieses Namens, eine westliche, deren Lage heute nicht
mehr genau bekannt ist (Erzingian?) und eine östliche, das
römische Grenzemporium, von den Arabern zum Unterschiede das
"Arzen der Römer" genannt, das unter byzantinischer Herrschaft
bis um die Mitte des 11. Jahrhunderts blühte.

Mit dem Einbruche der Seldschuken unter Alp-Arzlan kam
das erste Unwetter über das Theodosiopolis der Byzantiner1.
Manches Stück der altehrwürdigen Wallmauern, welche zum
Theile heute noch in nahezu elliptischer Form die Stadt umziehen

1 Hammer-Purgstall, "Geschichte der Osmanen", I.

Hoch-Armenien.
den, von den Parthern eingeſetzten König von Armenien, Partha-
maſiris, vor ſich geladen, oder beſſer: befohlen. Der König er-
ſchien und wie einſt Tiridates vor Nero, ſo legte auch er ſeine
Tiara auf die Stufe des Trajaniſchen Thrones, in der Hoffnung,
dieſelbe aus des Siegers Hand wieder zurückzuerhalten. Es
kam indeß anders. Vielleicht wäre Trajan geneigt geweſen,
Gnade und Großmuth zu üben, als aber Parthamaſiris ſeine
Huldigung, oder eigentlich ſeine Demüthigung begangen hatte,
brach das verſammelte Römerheer in einen frenetiſchen Freuden-
jubel aus, worauf der Entkrönte entſetzt die Flucht ergriff. Ein-
gebracht und vor Trajan geführt, beſchwerte er ſich, daß man
ihn, der ſich freiwillig dem Sieger geſtellt, um aus deſſen Händen
die Krone Armeniens zu empfangen, als Gefangenen behandle,
worauf Trajan zur Antwort gab, daß er keineswegs die Abſicht
habe, dieſe Krone irgend Jemandem zu verleihen, ſondern ſich be-
ſtimmt fühle, Armenien in eine Provinz des römiſchen Reiches
zu verwandeln. Der argenttäuſchte Parthamaſiris, empört über
dieſen Entſchluß, ergriff die Waffen, ward jedoch ſchon im erſten
Gefechte erſchlagen.

Dieſer Act iſt zweifellos der intereſſanteſte aus der Geſchichte
Erzerums, beziehungsweiſe Garins, der Stadt und dem Emporium,
das vorher an der Stelle des nachmaligen „Arzen-er-Rum“ der
Araber (daher der heutige Name) geſtanden. Als die Araber
in Hoch-Armenien erſchienen, gab es freilich keine Römer mehr,
aber es iſt ja allgemein bekannt, daß die Bezeichnung „Rum“
auch auf das byzantiniſche Reich überging, und die Stadt Arzen
ſomit eine byzantiniſche Gründung war. Es gab übrigens zwei
Städte dieſes Namens, eine weſtliche, deren Lage heute nicht
mehr genau bekannt iſt (Erzingian?) und eine öſtliche, das
römiſche Grenzemporium, von den Arabern zum Unterſchiede das
„Arzen der Römer“ genannt, das unter byzantiniſcher Herrſchaft
bis um die Mitte des 11. Jahrhunderts blühte.

Mit dem Einbruche der Seldſchuken unter Alp-Arzlan kam
das erſte Unwetter über das Theodoſiopolis der Byzantiner1.
Manches Stück der altehrwürdigen Wallmauern, welche zum
Theile heute noch in nahezu elliptiſcher Form die Stadt umziehen

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[54/0086] Hoch-Armenien. den, von den Parthern eingeſetzten König von Armenien, Partha- maſiris, vor ſich geladen, oder beſſer: befohlen. Der König er- ſchien und wie einſt Tiridates vor Nero, ſo legte auch er ſeine Tiara auf die Stufe des Trajaniſchen Thrones, in der Hoffnung, dieſelbe aus des Siegers Hand wieder zurückzuerhalten. Es kam indeß anders. Vielleicht wäre Trajan geneigt geweſen, Gnade und Großmuth zu üben, als aber Parthamaſiris ſeine Huldigung, oder eigentlich ſeine Demüthigung begangen hatte, brach das verſammelte Römerheer in einen frenetiſchen Freuden- jubel aus, worauf der Entkrönte entſetzt die Flucht ergriff. Ein- gebracht und vor Trajan geführt, beſchwerte er ſich, daß man ihn, der ſich freiwillig dem Sieger geſtellt, um aus deſſen Händen die Krone Armeniens zu empfangen, als Gefangenen behandle, worauf Trajan zur Antwort gab, daß er keineswegs die Abſicht habe, dieſe Krone irgend Jemandem zu verleihen, ſondern ſich be- ſtimmt fühle, Armenien in eine Provinz des römiſchen Reiches zu verwandeln. Der argenttäuſchte Parthamaſiris, empört über dieſen Entſchluß, ergriff die Waffen, ward jedoch ſchon im erſten Gefechte erſchlagen. Dieſer Act iſt zweifellos der intereſſanteſte aus der Geſchichte Erzerums, beziehungsweiſe Garins, der Stadt und dem Emporium, das vorher an der Stelle des nachmaligen „Arzen-er-Rum“ der Araber (daher der heutige Name) geſtanden. Als die Araber in Hoch-Armenien erſchienen, gab es freilich keine Römer mehr, aber es iſt ja allgemein bekannt, daß die Bezeichnung „Rum“ auch auf das byzantiniſche Reich überging, und die Stadt Arzen ſomit eine byzantiniſche Gründung war. Es gab übrigens zwei Städte dieſes Namens, eine weſtliche, deren Lage heute nicht mehr genau bekannt iſt (Erzingian?) und eine öſtliche, das römiſche Grenzemporium, von den Arabern zum Unterſchiede das „Arzen der Römer“ genannt, das unter byzantiniſcher Herrſchaft bis um die Mitte des 11. Jahrhunderts blühte. Mit dem Einbruche der Seldſchuken unter Alp-Arzlan kam das erſte Unwetter über das Theodoſiopolis der Byzantiner 1. Manches Stück der altehrwürdigen Wallmauern, welche zum Theile heute noch in nahezu elliptiſcher Form die Stadt umziehen 1 Hammer-Purgſtall, „Geſchichte der Osmanen“, I.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/86>, abgerufen am 05.05.2024.