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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Haik und Armenac.
hat sich unsere Kenntniß von demselben topographisch nicht
wesentlich erweitert, aber es wurde im Verlaufe des nächsten
halben Jahrhunderts, also bis in unsere Zeit hinein, die Iden-
tität verschiedener Localitäten der ersten armenischen Entwickelungs-
Epoche mit den heutigen topographischen Oertlichkeiten constatirt
und so die Handhabe zu tiefgreifenden Untersuchungen gegeben.

Erst Armenac, der Enkel Haiks, ergriff den Wanderstab und
stieg mit seinem ganzen Geschlechte über das "nordöstlich vor-
liegende Gebirge" in eine Ebene hinab, "welche auf allen Seiten
von hohen Gebirgen umgeben war, im Süden aber grüßte ihn
(Armenac) mit schneeweißem Scheitel ein Altvater zwischen Jüng-
lingen"1. Daß es sich hier um den Ararat handelte, beziehungs-
weise um die Ebene des Araxes, erscheint völlig zweifellos, aber
Namen hatte damals weder jener, noch diese. Armenac selbst
gründete am Fuße eines mehr nördlich liegenden Berges eine
Niederlassung, die er nach seinem Sohne Araghaz nannte, wie
der gewaltige erloschene Vulkan zwischen Eriwan und Alexandrapol
noch heute heißt. Auch die übrigen Söhne des Armenac, des
zweiten Stammvaters der Armenier, gaben Städten, Flüssen und
Landstrichen ihre Namen, und allenthalben haben sich diese bis
auf unsere Tage erhalten. Der zweite Sohn, Armavir, gründete
seine Stadt2 am "großen Flusse", welcher die Ebene zwischen
den südlichen und nördlichen Bergen durchströmte. Dieser Fluß
aber ward nach Armavirs Sohn, Erast, Erasches (Araxes) be-
nannt, und er hat diesen Namen bei den Armeniern bis auf den
Tag beibehalten3 ... Aus diesen kurzen Andeutungen geht

1 Moses von Chorene.
2 Diese Residenzstadt, die anderthalb Jahrtausende geblüht hatte
und das älteste heidnische Götter-Pantheon besaß, lag schon zur Zeit
Arschaks II. (363--381 n. Chr.) vollends in Trümmern. Seit Einführung
des Christenthums mußte sie wohl ihre ganze frühere Bedeutung verlieren
und so erscheint es erklärlich, daß die Forscher der Neuzeit nicht einmal
mehr ihre Lage präcise anzugeben im Stande waren. Am Fuße einer Akro-
pole lag die weitberühmte Stadt, von der neuestens nur mehr einige
Mauerreste zu sehen sind. (Vgl. Dubois, Voy. III, a. a. O.)
3 Auch für die Benennung des Ararat, der ursprünglich Masis hieß,
haben wir, wenn auch keinen historischen, so doch legendaren Anhaltspunkt.
Arai, das ist "der Schöne", war am Fuße des Riesenberges der assyrischen
Schemiram (Semiramis) erlegen. Die Gegend hieß seitdem nur mehr

Haik und Armenac.
hat ſich unſere Kenntniß von demſelben topographiſch nicht
weſentlich erweitert, aber es wurde im Verlaufe des nächſten
halben Jahrhunderts, alſo bis in unſere Zeit hinein, die Iden-
tität verſchiedener Localitäten der erſten armeniſchen Entwickelungs-
Epoche mit den heutigen topographiſchen Oertlichkeiten conſtatirt
und ſo die Handhabe zu tiefgreifenden Unterſuchungen gegeben.

Erſt Armenac, der Enkel Haiks, ergriff den Wanderſtab und
ſtieg mit ſeinem ganzen Geſchlechte über das „nordöſtlich vor-
liegende Gebirge“ in eine Ebene hinab, „welche auf allen Seiten
von hohen Gebirgen umgeben war, im Süden aber grüßte ihn
(Armenac) mit ſchneeweißem Scheitel ein Altvater zwiſchen Jüng-
lingen“1. Daß es ſich hier um den Ararat handelte, beziehungs-
weiſe um die Ebene des Araxes, erſcheint völlig zweifellos, aber
Namen hatte damals weder jener, noch dieſe. Armenac ſelbſt
gründete am Fuße eines mehr nördlich liegenden Berges eine
Niederlaſſung, die er nach ſeinem Sohne Araghaz nannte, wie
der gewaltige erloſchene Vulkan zwiſchen Eriwan und Alexandrapol
noch heute heißt. Auch die übrigen Söhne des Armenac, des
zweiten Stammvaters der Armenier, gaben Städten, Flüſſen und
Landſtrichen ihre Namen, und allenthalben haben ſich dieſe bis
auf unſere Tage erhalten. Der zweite Sohn, Armavir, gründete
ſeine Stadt2 am „großen Fluſſe“, welcher die Ebene zwiſchen
den ſüdlichen und nördlichen Bergen durchſtrömte. Dieſer Fluß
aber ward nach Armavirs Sohn, Eraſt, Eraſches (Araxes) be-
nannt, und er hat dieſen Namen bei den Armeniern bis auf den
Tag beibehalten3 … Aus dieſen kurzen Andeutungen geht

1 Moſes von Chorene.
2 Dieſe Reſidenzſtadt, die anderthalb Jahrtauſende geblüht hatte
und das älteſte heidniſche Götter-Pantheon beſaß, lag ſchon zur Zeit
Arſchaks II. (363—381 n. Chr.) vollends in Trümmern. Seit Einführung
des Chriſtenthums mußte ſie wohl ihre ganze frühere Bedeutung verlieren
und ſo erſcheint es erklärlich, daß die Forſcher der Neuzeit nicht einmal
mehr ihre Lage präciſe anzugeben im Stande waren. Am Fuße einer Akro-
pole lag die weitberühmte Stadt, von der neueſtens nur mehr einige
Mauerreſte zu ſehen ſind. (Vgl. Dubois, Voy. III, a. a. O.)
3 Auch für die Benennung des Ararat, der urſprünglich Maſis hieß,
haben wir, wenn auch keinen hiſtoriſchen, ſo doch legendaren Anhaltspunkt.
Araï, das iſt „der Schöne“, war am Fuße des Rieſenberges der aſſyriſchen
Schemiram (Semiramis) erlegen. Die Gegend hieß ſeitdem nur mehr
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[25/0057] Haik und Armenac. hat ſich unſere Kenntniß von demſelben topographiſch nicht weſentlich erweitert, aber es wurde im Verlaufe des nächſten halben Jahrhunderts, alſo bis in unſere Zeit hinein, die Iden- tität verſchiedener Localitäten der erſten armeniſchen Entwickelungs- Epoche mit den heutigen topographiſchen Oertlichkeiten conſtatirt und ſo die Handhabe zu tiefgreifenden Unterſuchungen gegeben. Erſt Armenac, der Enkel Haiks, ergriff den Wanderſtab und ſtieg mit ſeinem ganzen Geſchlechte über das „nordöſtlich vor- liegende Gebirge“ in eine Ebene hinab, „welche auf allen Seiten von hohen Gebirgen umgeben war, im Süden aber grüßte ihn (Armenac) mit ſchneeweißem Scheitel ein Altvater zwiſchen Jüng- lingen“ 1. Daß es ſich hier um den Ararat handelte, beziehungs- weiſe um die Ebene des Araxes, erſcheint völlig zweifellos, aber Namen hatte damals weder jener, noch dieſe. Armenac ſelbſt gründete am Fuße eines mehr nördlich liegenden Berges eine Niederlaſſung, die er nach ſeinem Sohne Araghaz nannte, wie der gewaltige erloſchene Vulkan zwiſchen Eriwan und Alexandrapol noch heute heißt. Auch die übrigen Söhne des Armenac, des zweiten Stammvaters der Armenier, gaben Städten, Flüſſen und Landſtrichen ihre Namen, und allenthalben haben ſich dieſe bis auf unſere Tage erhalten. Der zweite Sohn, Armavir, gründete ſeine Stadt 2 am „großen Fluſſe“, welcher die Ebene zwiſchen den ſüdlichen und nördlichen Bergen durchſtrömte. Dieſer Fluß aber ward nach Armavirs Sohn, Eraſt, Eraſches (Araxes) be- nannt, und er hat dieſen Namen bei den Armeniern bis auf den Tag beibehalten 3 … Aus dieſen kurzen Andeutungen geht 1 Moſes von Chorene. 2 Dieſe Reſidenzſtadt, die anderthalb Jahrtauſende geblüht hatte und das älteſte heidniſche Götter-Pantheon beſaß, lag ſchon zur Zeit Arſchaks II. (363—381 n. Chr.) vollends in Trümmern. Seit Einführung des Chriſtenthums mußte ſie wohl ihre ganze frühere Bedeutung verlieren und ſo erſcheint es erklärlich, daß die Forſcher der Neuzeit nicht einmal mehr ihre Lage präciſe anzugeben im Stande waren. Am Fuße einer Akro- pole lag die weitberühmte Stadt, von der neueſtens nur mehr einige Mauerreſte zu ſehen ſind. (Vgl. Dubois, Voy. III, a. a. O.) 3 Auch für die Benennung des Ararat, der urſprünglich Maſis hieß, haben wir, wenn auch keinen hiſtoriſchen, ſo doch legendaren Anhaltspunkt. Araï, das iſt „der Schöne“, war am Fuße des Rieſenberges der aſſyriſchen Schemiram (Semiramis) erlegen. Die Gegend hieß ſeitdem nur mehr

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/57>, abgerufen am 22.11.2024.