Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.König Erowant II. Residenzen. wilden Engschlucht, wo heute das Kloster Kotschiran liegt1. Vonder Felszunge, wo der Arpatschai mit wildem Gebrause in den ruhigeren, silberglänzenden Araxes mündet, dräut ein längst ver- lassenes und vergessenes Gemäuer in die romantischen Thal- schluchten hinab. Es ist König Erowants II. Burg2 und seine Residenz (die dritte, die dieser armenische Trajan erbaute), das einst weit berühmte Erowantagerd lag nicht weit hievon, mit seinem Schmucke von Palästen und Mausoleen. Die Völker- stürme und Erdbeben haben hier der Nachwelt nur spärliche Er- innerungen gelassen, und nur die schwarzen Grabsteine aus hartem Lavagestein sind als sinnige Ueberreste an der Stelle der einstigen Pracht zurückgeblieben. Gleich einsam und öde ist's auf der Fels- kuppe von Erowantaschad, welche sich gerade gegenüber der eben beschriebenen Localität, am linken Ufer des Flusses erhebt. Es ist die vierte in der Reihe der Residenzen am unteren Arpa- tschai. Erowant, der Usurpator aus arsacidischem Königsgeschlechte, der Sanadrugs Herrschaft über Armenien und Edessa in Trümmer geschlagen hatte, erbaute sie als seine zweite Residenz, nachdem er sich in dem älteren Armavir (am Araxes südlich von Etsch- miadsin) nicht mehr behaglich fühlte. Mit diesem baulustigen Beherrscher Armeniens berühren wir eine der interessantesten Geschichtsepochen des Landes. Sanadrug, den Erowant nicht nur aus dem Felde geschlagen, sondern ihn auch mit seinem ganzen Hofstaate hinrichten hatte lassen, besaß einen Sohn Namens Ardasches, der jenem Blutbade entronnen war und bei den Parthern Schutz gefunden hatte. Er war während der langen Regierungszeit Erowant II. herangewachsen, hatte den Beistand der parthischen Könige gewonnen und den Thronräuber unter den Mauern seiner eigenen Residenz geschlagen3. 1 Ker Porter, Trav. I, 177; auch bei St. Martin, "Memoire sur l'Armenie", I, 297. 2 Ansicht bei Dubois, Voy. p. 36. 3 Nachmals versäumte Ardasches nicht, seine parthischen Freunde
königlich zu belohnen, namentlich den Bagratiden Sempad, den er zu seinem Kronfeldherrn (Sbarabied) machte. Unter ihm erstand auch wieder. die ältere Arsaciden-Residenz Ardaschat (Artaxata), welche unter Corbulo durch Kaiser Neros Legionen zerstört worden war. Aus sämmtlichen Re- sidenzen Erowant II. wurden die Schätze, namentlich aber die zahlreichen König Erowant II. Reſidenzen. wilden Engſchlucht, wo heute das Kloſter Kotſchiran liegt1. Vonder Felszunge, wo der Arpatſchai mit wildem Gebrauſe in den ruhigeren, ſilberglänzenden Araxes mündet, dräut ein längſt ver- laſſenes und vergeſſenes Gemäuer in die romantiſchen Thal- ſchluchten hinab. Es iſt König Erowants II. Burg2 und ſeine Reſidenz (die dritte, die dieſer armeniſche Trajan erbaute), das einſt weit berühmte Erowantagerd lag nicht weit hievon, mit ſeinem Schmucke von Paläſten und Mauſoleen. Die Völker- ſtürme und Erdbeben haben hier der Nachwelt nur ſpärliche Er- innerungen gelaſſen, und nur die ſchwarzen Grabſteine aus hartem Lavageſtein ſind als ſinnige Ueberreſte an der Stelle der einſtigen Pracht zurückgeblieben. Gleich einſam und öde iſt’s auf der Fels- kuppe von Erowantaſchad, welche ſich gerade gegenüber der eben beſchriebenen Localität, am linken Ufer des Fluſſes erhebt. Es iſt die vierte in der Reihe der Reſidenzen am unteren Arpa- tſchai. Erowant, der Uſurpator aus arſacidiſchem Königsgeſchlechte, der Sanadrugs Herrſchaft über Armenien und Edeſſa in Trümmer geſchlagen hatte, erbaute ſie als ſeine zweite Reſidenz, nachdem er ſich in dem älteren Armavir (am Araxes ſüdlich von Etſch- miadſin) nicht mehr behaglich fühlte. Mit dieſem bauluſtigen Beherrſcher Armeniens berühren wir eine der intereſſanteſten Geſchichtsepochen des Landes. Sanadrug, den Erowant nicht nur aus dem Felde geſchlagen, ſondern ihn auch mit ſeinem ganzen Hofſtaate hinrichten hatte laſſen, beſaß einen Sohn Namens Ardaſches, der jenem Blutbade entronnen war und bei den Parthern Schutz gefunden hatte. Er war während der langen Regierungszeit Erowant II. herangewachſen, hatte den Beiſtand der parthiſchen Könige gewonnen und den Thronräuber unter den Mauern ſeiner eigenen Reſidenz geſchlagen3. 1 Ker Porter, Trav. I, 177; auch bei St. Martin, „Mémoire sur l’Arménie“, I, 297. 2 Anſicht bei Dubois, Voy. p. 36. 3 Nachmals verſäumte Ardaſches nicht, ſeine parthiſchen Freunde
königlich zu belohnen, namentlich den Bagratiden Sempad, den er zu ſeinem Kronfeldherrn (Sbarabied) machte. Unter ihm erſtand auch wieder. die ältere Arſaciden-Reſidenz Ardaſchat (Artaxata), welche unter Corbulo durch Kaiſer Neros Legionen zerſtört worden war. Aus ſämmtlichen Re- ſidenzen Erowant II. wurden die Schätze, namentlich aber die zahlreichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0053" n="21"/><fw place="top" type="header">König Erowant <hi rendition="#aq">II.</hi> Reſidenzen.</fw><lb/> wilden Engſchlucht, wo heute das Kloſter Kotſchiran liegt<note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Ker Porter, Trav. I, 177;</hi> auch bei <hi rendition="#aq">St. Martin, „Mémoire sur<lb/> l’Arménie“, I,</hi> 297.</note>. Von<lb/> der Felszunge, wo der Arpatſchai mit wildem Gebrauſe in den<lb/> ruhigeren, ſilberglänzenden Araxes mündet, dräut ein längſt ver-<lb/> laſſenes und vergeſſenes Gemäuer in die romantiſchen Thal-<lb/> ſchluchten hinab. Es iſt König Erowants <hi rendition="#aq">II.</hi> Burg<note place="foot" n="2">Anſicht bei Dubois, <hi rendition="#aq">Voy. p.</hi> 36.</note> und ſeine<lb/> Reſidenz (die dritte, die dieſer armeniſche Trajan erbaute), das<lb/> einſt weit berühmte Erowantagerd lag nicht weit hievon, mit<lb/> ſeinem Schmucke von Paläſten und Mauſoleen. Die Völker-<lb/> ſtürme und Erdbeben haben hier der Nachwelt nur ſpärliche Er-<lb/> innerungen gelaſſen, und nur die ſchwarzen Grabſteine aus hartem<lb/> Lavageſtein ſind als ſinnige Ueberreſte an der Stelle der einſtigen<lb/> Pracht zurückgeblieben. Gleich einſam und öde iſt’s auf der Fels-<lb/> kuppe von Erowantaſchad, welche ſich gerade gegenüber der<lb/> eben beſchriebenen Localität, am linken Ufer des Fluſſes erhebt.<lb/> Es iſt die vierte in der Reihe der Reſidenzen am unteren Arpa-<lb/> tſchai. Erowant, der Uſurpator aus arſacidiſchem Königsgeſchlechte,<lb/> der Sanadrugs Herrſchaft über Armenien und Edeſſa in Trümmer<lb/> geſchlagen hatte, erbaute ſie als ſeine zweite Reſidenz, nachdem<lb/> er ſich in dem älteren Armavir (am Araxes ſüdlich von Etſch-<lb/> miadſin) nicht mehr behaglich fühlte. Mit dieſem bauluſtigen<lb/> Beherrſcher Armeniens berühren wir eine der intereſſanteſten<lb/> Geſchichtsepochen des Landes. Sanadrug, den Erowant nicht<lb/> nur aus dem Felde geſchlagen, ſondern ihn auch mit ſeinem<lb/> ganzen Hofſtaate hinrichten hatte laſſen, beſaß einen Sohn<lb/> Namens Ardaſches, der jenem Blutbade entronnen war und bei<lb/> den Parthern Schutz gefunden hatte. Er war während der<lb/> langen Regierungszeit Erowant <hi rendition="#aq">II.</hi> herangewachſen, hatte den<lb/> Beiſtand der parthiſchen Könige gewonnen und den Thronräuber<lb/> unter den Mauern ſeiner eigenen Reſidenz geſchlagen<note xml:id="seg2pn_2_1" next="#seg2pn_2_2" place="foot" n="3">Nachmals verſäumte Ardaſches nicht, ſeine parthiſchen Freunde<lb/> königlich zu belohnen, namentlich den Bagratiden Sempad, den er zu<lb/> ſeinem Kronfeldherrn (Sbarabied) machte. Unter ihm erſtand auch wieder.<lb/> die ältere Arſaciden-Reſidenz Ardaſchat (Artaxata), welche unter Corbulo<lb/> durch Kaiſer Neros Legionen zerſtört worden war. Aus ſämmtlichen Re-<lb/> ſidenzen Erowant <hi rendition="#aq">II.</hi> wurden die Schätze, namentlich aber die zahlreichen</note>.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [21/0053]
König Erowant II. Reſidenzen.
wilden Engſchlucht, wo heute das Kloſter Kotſchiran liegt 1. Von
der Felszunge, wo der Arpatſchai mit wildem Gebrauſe in den
ruhigeren, ſilberglänzenden Araxes mündet, dräut ein längſt ver-
laſſenes und vergeſſenes Gemäuer in die romantiſchen Thal-
ſchluchten hinab. Es iſt König Erowants II. Burg 2 und ſeine
Reſidenz (die dritte, die dieſer armeniſche Trajan erbaute), das
einſt weit berühmte Erowantagerd lag nicht weit hievon, mit
ſeinem Schmucke von Paläſten und Mauſoleen. Die Völker-
ſtürme und Erdbeben haben hier der Nachwelt nur ſpärliche Er-
innerungen gelaſſen, und nur die ſchwarzen Grabſteine aus hartem
Lavageſtein ſind als ſinnige Ueberreſte an der Stelle der einſtigen
Pracht zurückgeblieben. Gleich einſam und öde iſt’s auf der Fels-
kuppe von Erowantaſchad, welche ſich gerade gegenüber der
eben beſchriebenen Localität, am linken Ufer des Fluſſes erhebt.
Es iſt die vierte in der Reihe der Reſidenzen am unteren Arpa-
tſchai. Erowant, der Uſurpator aus arſacidiſchem Königsgeſchlechte,
der Sanadrugs Herrſchaft über Armenien und Edeſſa in Trümmer
geſchlagen hatte, erbaute ſie als ſeine zweite Reſidenz, nachdem
er ſich in dem älteren Armavir (am Araxes ſüdlich von Etſch-
miadſin) nicht mehr behaglich fühlte. Mit dieſem bauluſtigen
Beherrſcher Armeniens berühren wir eine der intereſſanteſten
Geſchichtsepochen des Landes. Sanadrug, den Erowant nicht
nur aus dem Felde geſchlagen, ſondern ihn auch mit ſeinem
ganzen Hofſtaate hinrichten hatte laſſen, beſaß einen Sohn
Namens Ardaſches, der jenem Blutbade entronnen war und bei
den Parthern Schutz gefunden hatte. Er war während der
langen Regierungszeit Erowant II. herangewachſen, hatte den
Beiſtand der parthiſchen Könige gewonnen und den Thronräuber
unter den Mauern ſeiner eigenen Reſidenz geſchlagen 3.
1 Ker Porter, Trav. I, 177; auch bei St. Martin, „Mémoire sur
l’Arménie“, I, 297.
2 Anſicht bei Dubois, Voy. p. 36.
3 Nachmals verſäumte Ardaſches nicht, ſeine parthiſchen Freunde
königlich zu belohnen, namentlich den Bagratiden Sempad, den er zu
ſeinem Kronfeldherrn (Sbarabied) machte. Unter ihm erſtand auch wieder.
die ältere Arſaciden-Reſidenz Ardaſchat (Artaxata), welche unter Corbulo
durch Kaiſer Neros Legionen zerſtört worden war. Aus ſämmtlichen Re-
ſidenzen Erowant II. wurden die Schätze, namentlich aber die zahlreichen
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