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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Die Ruinen von Ani.
letzte Bagratidenkönig Kakig II. den Waffen des byzantinischen
Kaisers Constantinus Monomachos unterlag und Ani, sowie die
befestigte Grenze, welche durch den Arpatschai markirt war, zur
Schutzwehr gegen das von Osten vordringende Türkenthum
wurde. Der kleine Grenzfluß hatte demnach schon vor mehr als
neun Jahrhunderten eine ähnliche Rolle gespielt wie neuester
Zeit, aber die Byzantiner waren keine Zerstörer und wie Ani
nichts von seinem Glanze einbüßte, so blieb auch das umliegende
Land in voller Blüthe, bis die Reiter des Seldschukiden Alp-
Arzlan durch die bagratidischen Tempelhallen ritten und auf den
Hochaltären der Patriarchendome ihre Rosse fütterten. Diese
Katastrophe trat nach kaum zwanzigjähriger Occupation Anis
durch die Byzantiner ein. Aber auch den Seldschukiden sollte
das armenische Emporium noch einmal abgenommen werden, und
zwar sechzig Jahre später (1124) durch den georgischen König
David, der es an sich riß und so unter christliche, wenn auch
nicht armenische Herrschaft brachte. Er hatte Abulsevar seiner
Satrapie entsetzt und mit sich nach Georgien fortgeschleppt, dafür
wälzte bald hierauf Pchadlun, der Sohn des Gefangenen, seine
Schaaren aus Chorassan nach dem Arpatschai und nach zwei-
jähriger Belagerung zog er in Ani ein -- ohne der Stadt etwas
anzuthun. Die Geschichte der Seldschukiden gibt widerholt Be-
weise derartiger Großmuth und Toleranz und man braucht nur
den Namen eines Melek-Schah zu nennen, um sich des gewal-
tigen Unterschiedes zwischen dieser ersten Turk-Dynastie und ihren
Nachfolgern bewußt zu werden. Dafür kam bald darauf das
furchtbare Gewitter der Mongolen-Invasion, die zwei Drittel der
Bewohnerschaft Anis unters Messer brachte1, und zu Anfang

1 Gleichwohl haben auch die Fürsten und Heerführer dieser anderen
Weltstürmer mitunter Städte und Einwohner geschont, wie beispielsweise
selbst der wüthende Hulagu-Khan, der in dem eroberten Bagdad den Be-
fehl gab, an der brennenden Stadt so viel als möglich zu retten. Noch
weit besseres Beispiel haben Hulagu's Nachfolger oder die "Ilkhane" ge-
geben, zumal Arghuns Sohn Gasan, dem der Ruhm gebührt, gesetzliche
und civilisirte Zustände geschaffen zu haben, wie nach ihm keine zweite
Dynastie mehr, die das Erbe des Chalifats antrat. Der kleine, häßliche
mongolische Prinz, der sich Gasan nannte, hatte überdies auch eine histo-
risch erwiesene Schwäche für -- das Christenthum. Wie die letzten frei-
2*

Die Ruinen von Ani.
letzte Bagratidenkönig Kakig II. den Waffen des byzantiniſchen
Kaiſers Conſtantinus Monomachos unterlag und Ani, ſowie die
befeſtigte Grenze, welche durch den Arpatſchai markirt war, zur
Schutzwehr gegen das von Oſten vordringende Türkenthum
wurde. Der kleine Grenzfluß hatte demnach ſchon vor mehr als
neun Jahrhunderten eine ähnliche Rolle geſpielt wie neueſter
Zeit, aber die Byzantiner waren keine Zerſtörer und wie Ani
nichts von ſeinem Glanze einbüßte, ſo blieb auch das umliegende
Land in voller Blüthe, bis die Reiter des Seldſchukiden Alp-
Arzlan durch die bagratidiſchen Tempelhallen ritten und auf den
Hochaltären der Patriarchendome ihre Roſſe fütterten. Dieſe
Kataſtrophe trat nach kaum zwanzigjähriger Occupation Anis
durch die Byzantiner ein. Aber auch den Seldſchukiden ſollte
das armeniſche Emporium noch einmal abgenommen werden, und
zwar ſechzig Jahre ſpäter (1124) durch den georgiſchen König
David, der es an ſich riß und ſo unter chriſtliche, wenn auch
nicht armeniſche Herrſchaft brachte. Er hatte Abulſevar ſeiner
Satrapie entſetzt und mit ſich nach Georgien fortgeſchleppt, dafür
wälzte bald hierauf Pchadlun, der Sohn des Gefangenen, ſeine
Schaaren aus Choraſſan nach dem Arpatſchai und nach zwei-
jähriger Belagerung zog er in Ani ein — ohne der Stadt etwas
anzuthun. Die Geſchichte der Seldſchukiden gibt widerholt Be-
weiſe derartiger Großmuth und Toleranz und man braucht nur
den Namen eines Melek-Schah zu nennen, um ſich des gewal-
tigen Unterſchiedes zwiſchen dieſer erſten Turk-Dynaſtie und ihren
Nachfolgern bewußt zu werden. Dafür kam bald darauf das
furchtbare Gewitter der Mongolen-Invaſion, die zwei Drittel der
Bewohnerſchaft Anis unters Meſſer brachte1, und zu Anfang

1 Gleichwohl haben auch die Fürſten und Heerführer dieſer anderen
Weltſtürmer mitunter Städte und Einwohner geſchont, wie beiſpielsweiſe
ſelbſt der wüthende Hulagu-Khan, der in dem eroberten Bagdad den Be-
fehl gab, an der brennenden Stadt ſo viel als möglich zu retten. Noch
weit beſſeres Beiſpiel haben Hulagu’s Nachfolger oder die „Ilkhane“ ge-
geben, zumal Arghuns Sohn Gaſan, dem der Ruhm gebührt, geſetzliche
und civiliſirte Zuſtände geſchaffen zu haben, wie nach ihm keine zweite
Dynaſtie mehr, die das Erbe des Chalifats antrat. Der kleine, häßliche
mongoliſche Prinz, der ſich Gaſan nannte, hatte überdies auch eine hiſto-
riſch erwieſene Schwäche für — das Chriſtenthum. Wie die letzten frei-
2*
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[19/0051] Die Ruinen von Ani. letzte Bagratidenkönig Kakig II. den Waffen des byzantiniſchen Kaiſers Conſtantinus Monomachos unterlag und Ani, ſowie die befeſtigte Grenze, welche durch den Arpatſchai markirt war, zur Schutzwehr gegen das von Oſten vordringende Türkenthum wurde. Der kleine Grenzfluß hatte demnach ſchon vor mehr als neun Jahrhunderten eine ähnliche Rolle geſpielt wie neueſter Zeit, aber die Byzantiner waren keine Zerſtörer und wie Ani nichts von ſeinem Glanze einbüßte, ſo blieb auch das umliegende Land in voller Blüthe, bis die Reiter des Seldſchukiden Alp- Arzlan durch die bagratidiſchen Tempelhallen ritten und auf den Hochaltären der Patriarchendome ihre Roſſe fütterten. Dieſe Kataſtrophe trat nach kaum zwanzigjähriger Occupation Anis durch die Byzantiner ein. Aber auch den Seldſchukiden ſollte das armeniſche Emporium noch einmal abgenommen werden, und zwar ſechzig Jahre ſpäter (1124) durch den georgiſchen König David, der es an ſich riß und ſo unter chriſtliche, wenn auch nicht armeniſche Herrſchaft brachte. Er hatte Abulſevar ſeiner Satrapie entſetzt und mit ſich nach Georgien fortgeſchleppt, dafür wälzte bald hierauf Pchadlun, der Sohn des Gefangenen, ſeine Schaaren aus Choraſſan nach dem Arpatſchai und nach zwei- jähriger Belagerung zog er in Ani ein — ohne der Stadt etwas anzuthun. Die Geſchichte der Seldſchukiden gibt widerholt Be- weiſe derartiger Großmuth und Toleranz und man braucht nur den Namen eines Melek-Schah zu nennen, um ſich des gewal- tigen Unterſchiedes zwiſchen dieſer erſten Turk-Dynaſtie und ihren Nachfolgern bewußt zu werden. Dafür kam bald darauf das furchtbare Gewitter der Mongolen-Invaſion, die zwei Drittel der Bewohnerſchaft Anis unters Meſſer brachte 1, und zu Anfang 1 Gleichwohl haben auch die Fürſten und Heerführer dieſer anderen Weltſtürmer mitunter Städte und Einwohner geſchont, wie beiſpielsweiſe ſelbſt der wüthende Hulagu-Khan, der in dem eroberten Bagdad den Be- fehl gab, an der brennenden Stadt ſo viel als möglich zu retten. Noch weit beſſeres Beiſpiel haben Hulagu’s Nachfolger oder die „Ilkhane“ ge- geben, zumal Arghuns Sohn Gaſan, dem der Ruhm gebührt, geſetzliche und civiliſirte Zuſtände geſchaffen zu haben, wie nach ihm keine zweite Dynaſtie mehr, die das Erbe des Chalifats antrat. Der kleine, häßliche mongoliſche Prinz, der ſich Gaſan nannte, hatte überdies auch eine hiſto- riſch erwieſene Schwäche für — das Chriſtenthum. Wie die letzten frei- 2*

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/51>, abgerufen am 22.11.2024.