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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Belul von Bajazid.
derten sie in ihr altes Gefängniß zurück, den schwersten Leiden
ausgesetzt ... Nun kommt die Romantik des ganzen Zwischen-
falls. Die ewige Geißel dieser Länder, die auch heute wieder
über sie hereingebrochen ist, die Pest, brach plötzlich aus und
holte unter seinen Opfern auch den Winkeltyrannen Mahmud.
Sein Nachfolger hatte die "Franken" bereits zum Tode ver-
urtheilt, aber ehe noch die Execution vollzogen war, wurde auch
er von der Seuche hinweggerafft und der Bruder Mahmuds
zum Stammchef ausgerufen. Mittlerweile aber mußte es irgend
einer der Gefangenen der Frau des Kerkermeisters angethan
haben, denn sie benutzte die allgemeine Verwirrung, um ein ge-
heimes Schreiben an den Statthalter von Eriwan gelangen zu
lassen, der auch sofort die Auslieferung der gefangenen Europäer
verlangte. So langten Jaubert und seine Genossen nach vierzig-
tägiger Haft, in ewig banger Sorge zwischen Tod und Leben,
in Trapezunt ein, wo ihre gescheiterte Mission ihr Ende fand.

Auch später blieben die Zustände in diesem Räuberlande
dieselben, namentlich unter Belul, dem Sohne Mahmuds. Von
diesem rührt auch das Schloß auf der Felshöhe von Bajazid
her, der Stammsitz der Kurdenchefs des Territoriums südlich vom
Ararat. Daß im Oriente unter dem despotischen Drucke einzelner
Emporkömmlinge die Bevölkerungen immer den gleichen Leiden
ausgesetzt sind, sei es nun die rechtmäßige Staatsgewalt oder die
autoritative Anmaßung irgend eines Winkel-Ursurpators, beweisen
schon die Zustände, in welchem sich die Kurden unter Mahmuds
Herrschaft befanden. Sie, die in der Regel sich keinem Zwange
fügen und nur ihren wilden Instincten folgen, zumal dem Triebe
der persönlichen Freiheit, verrichteten ihrem Haupte Frohndienste,
wie nie früher und nie später irgend einer Behörde oder einem
ihrer Chefs. Mahmud hatte sein früheres Schloß, das auf der
anderen Seite der Stadt gelegen war, halb in Grotten versteckt
und voll weitläufiger Magazine, verlassen, und durch die Hände
seiner Leute ein neues, prächtigeres auf der Felshöhe gegenüber
dem Gefängnisse aufführen lassen1.

In Gold und bunten Arabesken schimmerte das Gemach,

1 Vgl. J. Brant, "Notes of a journey through a part of Koordistan",
l. c.
420 u. ff.

Belul von Bajazid.
derten ſie in ihr altes Gefängniß zurück, den ſchwerſten Leiden
ausgeſetzt … Nun kommt die Romantik des ganzen Zwiſchen-
falls. Die ewige Geißel dieſer Länder, die auch heute wieder
über ſie hereingebrochen iſt, die Peſt, brach plötzlich aus und
holte unter ſeinen Opfern auch den Winkeltyrannen Mahmud.
Sein Nachfolger hatte die „Franken“ bereits zum Tode ver-
urtheilt, aber ehe noch die Execution vollzogen war, wurde auch
er von der Seuche hinweggerafft und der Bruder Mahmuds
zum Stammchef ausgerufen. Mittlerweile aber mußte es irgend
einer der Gefangenen der Frau des Kerkermeiſters angethan
haben, denn ſie benutzte die allgemeine Verwirrung, um ein ge-
heimes Schreiben an den Statthalter von Eriwan gelangen zu
laſſen, der auch ſofort die Auslieferung der gefangenen Europäer
verlangte. So langten Jaubert und ſeine Genoſſen nach vierzig-
tägiger Haft, in ewig banger Sorge zwiſchen Tod und Leben,
in Trapezunt ein, wo ihre geſcheiterte Miſſion ihr Ende fand.

Auch ſpäter blieben die Zuſtände in dieſem Räuberlande
dieſelben, namentlich unter Belul, dem Sohne Mahmuds. Von
dieſem rührt auch das Schloß auf der Felshöhe von Bajazid
her, der Stammſitz der Kurdenchefs des Territoriums ſüdlich vom
Ararat. Daß im Oriente unter dem despotiſchen Drucke einzelner
Emporkömmlinge die Bevölkerungen immer den gleichen Leiden
ausgeſetzt ſind, ſei es nun die rechtmäßige Staatsgewalt oder die
autoritative Anmaßung irgend eines Winkel-Urſurpators, beweiſen
ſchon die Zuſtände, in welchem ſich die Kurden unter Mahmuds
Herrſchaft befanden. Sie, die in der Regel ſich keinem Zwange
fügen und nur ihren wilden Inſtincten folgen, zumal dem Triebe
der perſönlichen Freiheit, verrichteten ihrem Haupte Frohndienſte,
wie nie früher und nie ſpäter irgend einer Behörde oder einem
ihrer Chefs. Mahmud hatte ſein früheres Schloß, das auf der
anderen Seite der Stadt gelegen war, halb in Grotten verſteckt
und voll weitläufiger Magazine, verlaſſen, und durch die Hände
ſeiner Leute ein neues, prächtigeres auf der Felshöhe gegenüber
dem Gefängniſſe aufführen laſſen1.

In Gold und bunten Arabesken ſchimmerte das Gemach,

1 Vgl. J. Brant, „Notes of a journey through a part of Koordistan“,
l. c.
420 u. ff.
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[5/0037] Belul von Bajazid. derten ſie in ihr altes Gefängniß zurück, den ſchwerſten Leiden ausgeſetzt … Nun kommt die Romantik des ganzen Zwiſchen- falls. Die ewige Geißel dieſer Länder, die auch heute wieder über ſie hereingebrochen iſt, die Peſt, brach plötzlich aus und holte unter ſeinen Opfern auch den Winkeltyrannen Mahmud. Sein Nachfolger hatte die „Franken“ bereits zum Tode ver- urtheilt, aber ehe noch die Execution vollzogen war, wurde auch er von der Seuche hinweggerafft und der Bruder Mahmuds zum Stammchef ausgerufen. Mittlerweile aber mußte es irgend einer der Gefangenen der Frau des Kerkermeiſters angethan haben, denn ſie benutzte die allgemeine Verwirrung, um ein ge- heimes Schreiben an den Statthalter von Eriwan gelangen zu laſſen, der auch ſofort die Auslieferung der gefangenen Europäer verlangte. So langten Jaubert und ſeine Genoſſen nach vierzig- tägiger Haft, in ewig banger Sorge zwiſchen Tod und Leben, in Trapezunt ein, wo ihre geſcheiterte Miſſion ihr Ende fand. Auch ſpäter blieben die Zuſtände in dieſem Räuberlande dieſelben, namentlich unter Belul, dem Sohne Mahmuds. Von dieſem rührt auch das Schloß auf der Felshöhe von Bajazid her, der Stammſitz der Kurdenchefs des Territoriums ſüdlich vom Ararat. Daß im Oriente unter dem despotiſchen Drucke einzelner Emporkömmlinge die Bevölkerungen immer den gleichen Leiden ausgeſetzt ſind, ſei es nun die rechtmäßige Staatsgewalt oder die autoritative Anmaßung irgend eines Winkel-Urſurpators, beweiſen ſchon die Zuſtände, in welchem ſich die Kurden unter Mahmuds Herrſchaft befanden. Sie, die in der Regel ſich keinem Zwange fügen und nur ihren wilden Inſtincten folgen, zumal dem Triebe der perſönlichen Freiheit, verrichteten ihrem Haupte Frohndienſte, wie nie früher und nie ſpäter irgend einer Behörde oder einem ihrer Chefs. Mahmud hatte ſein früheres Schloß, das auf der anderen Seite der Stadt gelegen war, halb in Grotten verſteckt und voll weitläufiger Magazine, verlaſſen, und durch die Hände ſeiner Leute ein neues, prächtigeres auf der Felshöhe gegenüber dem Gefängniſſe aufführen laſſen 1. In Gold und bunten Arabesken ſchimmerte das Gemach, 1 Vgl. J. Brant, „Notes of a journey through a part of Koordistan“, l. c. 420 u. ff.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/37>, abgerufen am 25.11.2024.