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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Die kaukasische Emigration.
sich als wenig lucrativ erwies. Wenn man einen georgischen
Dolch liebt, so kauft man kein tartarisches Krautmesser, dachten
die Agenten und wiesen die tscherkessischen Biedermänner mit
ihrer weinenden und zappelnden Waare ab.

In jüngster Zeit haben sich um Trapezunt abermals Scenen
aus dem kaukasischen Emigranten-Elend abgespielt, die nur inso-
fern von ihrer traurigen Härte verloren, als der Jammer eines
ohnedies genug barbarischen Krieges diese Scenen übersehen ließ.
Nach der verunglückten Fazly'schen Expedition über Suchum-
Kale hinaus, haben bei 36,000 Kaukasier, meist Abchasen ihre
Heimat freiwillig verlassen, um unter dem Schirm und Schutz
des Padischah auf fremder Erde eine neue Existenz zu finden.
Daß diese Erde, die Türkei, im Großen und Ganzen genommen,
diesmal so wenig gastlich war, wie vor zwölf und dreizehn
Jahren, ging aus mancher Nachricht von der Pontusküste hervor.
Hauptsächlich aber war es wieder Trapezunt, wo die Emigranten
in hellen Haufen anlangten, aber die Männer fanden diesmal
wenigstens sofort ihr Brod, indem sie in den Kampf zogen, der
für sie immerdar ein Raubkrieg war und ist. Die Pforte, welche
ihren braven Nizams seit Jahr und Tag den Sold schuldig blieb,
dafür aber dickbäuchigen Inhabern von Sinecuren in Stambul
Gehalte bis zu 60,000 Piastern oder 6000 Gulden pro Monat (!)
auszahlte, hatte für die Abchasen selbstverständlich kein Geld.
Sie war daher indirecte gezwungen, gegenüber den tscherkessischen
Brandschatzungen einfach ein Auge zuzudrücken, indeß sie sich
officiell in den Harnisch warf und angab, daß sie dieser Räuber-
romantik zu jeder Zeit energisch zu steuern bemüht war. Den
Weibern und Kindern war aber nicht einmal mit dem Kriege
gedient und sie waren es, die, halb nackt und hilflos, ohne Heim
und Besitz, in den -- Blüthengärten von Dschanik ein ähnliches
Loos fanden, wie es vor einem Dutzend Jahren ihre zuerst emi-
grirten Landsleute gefunden hatten1. --

1 Ganz wunderlich nahm sich hiebei eine Nachricht aus, daß der
Vicekönig von Egypten diesmal eine große Zahl von Emigranten zur
Colonisirung des Nilthales herbeigezogen habe und daß eine oder zwei
Schiffsladungen dieselben auch thatsächlich am Gestade des Pharaonenlandes
abgesetzt hätten. Es ist nicht bekannt geworden, was an dieser Nachricht
Wahres sei; ein Glück für die armen Fellahs, die ohnedies den ungeheuer-
6*

Die kaukaſiſche Emigration.
ſich als wenig lucrativ erwies. Wenn man einen georgiſchen
Dolch liebt, ſo kauft man kein tartariſches Krautmeſſer, dachten
die Agenten und wieſen die tſcherkeſſiſchen Biedermänner mit
ihrer weinenden und zappelnden Waare ab.

In jüngſter Zeit haben ſich um Trapezunt abermals Scenen
aus dem kaukaſiſchen Emigranten-Elend abgeſpielt, die nur inſo-
fern von ihrer traurigen Härte verloren, als der Jammer eines
ohnedies genug barbariſchen Krieges dieſe Scenen überſehen ließ.
Nach der verunglückten Fazly’ſchen Expedition über Suchum-
Kale hinaus, haben bei 36,000 Kaukaſier, meiſt Abchaſen ihre
Heimat freiwillig verlaſſen, um unter dem Schirm und Schutz
des Padiſchah auf fremder Erde eine neue Exiſtenz zu finden.
Daß dieſe Erde, die Türkei, im Großen und Ganzen genommen,
diesmal ſo wenig gaſtlich war, wie vor zwölf und dreizehn
Jahren, ging aus mancher Nachricht von der Pontusküſte hervor.
Hauptſächlich aber war es wieder Trapezunt, wo die Emigranten
in hellen Haufen anlangten, aber die Männer fanden diesmal
wenigſtens ſofort ihr Brod, indem ſie in den Kampf zogen, der
für ſie immerdar ein Raubkrieg war und iſt. Die Pforte, welche
ihren braven Nizams ſeit Jahr und Tag den Sold ſchuldig blieb,
dafür aber dickbäuchigen Inhabern von Sinecuren in Stambul
Gehalte bis zu 60,000 Piaſtern oder 6000 Gulden pro Monat (!)
auszahlte, hatte für die Abchaſen ſelbſtverſtändlich kein Geld.
Sie war daher indirecte gezwungen, gegenüber den tſcherkeſſiſchen
Brandſchatzungen einfach ein Auge zuzudrücken, indeß ſie ſich
officiell in den Harniſch warf und angab, daß ſie dieſer Räuber-
romantik zu jeder Zeit energiſch zu ſteuern bemüht war. Den
Weibern und Kindern war aber nicht einmal mit dem Kriege
gedient und ſie waren es, die, halb nackt und hilflos, ohne Heim
und Beſitz, in den — Blüthengärten von Dſchanik ein ähnliches
Loos fanden, wie es vor einem Dutzend Jahren ihre zuerſt emi-
grirten Landsleute gefunden hatten1. —

1 Ganz wunderlich nahm ſich hiebei eine Nachricht aus, daß der
Vicekönig von Egypten diesmal eine große Zahl von Emigranten zur
Coloniſirung des Nilthales herbeigezogen habe und daß eine oder zwei
Schiffsladungen dieſelben auch thatſächlich am Geſtade des Pharaonenlandes
abgeſetzt hätten. Es iſt nicht bekannt geworden, was an dieſer Nachricht
Wahres ſei; ein Glück für die armen Fellahs, die ohnedies den ungeheuer-
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[83/0115] Die kaukaſiſche Emigration. ſich als wenig lucrativ erwies. Wenn man einen georgiſchen Dolch liebt, ſo kauft man kein tartariſches Krautmeſſer, dachten die Agenten und wieſen die tſcherkeſſiſchen Biedermänner mit ihrer weinenden und zappelnden Waare ab. In jüngſter Zeit haben ſich um Trapezunt abermals Scenen aus dem kaukaſiſchen Emigranten-Elend abgeſpielt, die nur inſo- fern von ihrer traurigen Härte verloren, als der Jammer eines ohnedies genug barbariſchen Krieges dieſe Scenen überſehen ließ. Nach der verunglückten Fazly’ſchen Expedition über Suchum- Kale hinaus, haben bei 36,000 Kaukaſier, meiſt Abchaſen ihre Heimat freiwillig verlaſſen, um unter dem Schirm und Schutz des Padiſchah auf fremder Erde eine neue Exiſtenz zu finden. Daß dieſe Erde, die Türkei, im Großen und Ganzen genommen, diesmal ſo wenig gaſtlich war, wie vor zwölf und dreizehn Jahren, ging aus mancher Nachricht von der Pontusküſte hervor. Hauptſächlich aber war es wieder Trapezunt, wo die Emigranten in hellen Haufen anlangten, aber die Männer fanden diesmal wenigſtens ſofort ihr Brod, indem ſie in den Kampf zogen, der für ſie immerdar ein Raubkrieg war und iſt. Die Pforte, welche ihren braven Nizams ſeit Jahr und Tag den Sold ſchuldig blieb, dafür aber dickbäuchigen Inhabern von Sinecuren in Stambul Gehalte bis zu 60,000 Piaſtern oder 6000 Gulden pro Monat (!) auszahlte, hatte für die Abchaſen ſelbſtverſtändlich kein Geld. Sie war daher indirecte gezwungen, gegenüber den tſcherkeſſiſchen Brandſchatzungen einfach ein Auge zuzudrücken, indeß ſie ſich officiell in den Harniſch warf und angab, daß ſie dieſer Räuber- romantik zu jeder Zeit energiſch zu ſteuern bemüht war. Den Weibern und Kindern war aber nicht einmal mit dem Kriege gedient und ſie waren es, die, halb nackt und hilflos, ohne Heim und Beſitz, in den — Blüthengärten von Dſchanik ein ähnliches Loos fanden, wie es vor einem Dutzend Jahren ihre zuerſt emi- grirten Landsleute gefunden hatten 1. — 1 Ganz wunderlich nahm ſich hiebei eine Nachricht aus, daß der Vicekönig von Egypten diesmal eine große Zahl von Emigranten zur Coloniſirung des Nilthales herbeigezogen habe und daß eine oder zwei Schiffsladungen dieſelben auch thatſächlich am Geſtade des Pharaonenlandes abgeſetzt hätten. Es iſt nicht bekannt geworden, was an dieſer Nachricht Wahres ſei; ein Glück für die armen Fellahs, die ohnedies den ungeheuer- 6*

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/115>, abgerufen am 22.11.2024.