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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Das Gartenland "Dschanik".
Bey, d. i.: Thalfürst) auf, der als Repräsentant der Regierung
zwar Steuer einheben konnte und mußte, um den regelmäßigen
Provinz-Tribut an die Hohe Pforte abführen zu können, im
übrigen aber mit wahrhaft patriarchalischer Urwüchsigkeit sein
Territorium verwaltete. Es war der mehr und mehr wachsende
Machteinfluß dieses Feudalherrn und Gouverneurs, Tahir Pascha,
der den viel mächtigeren, aber ungleich grausameren Gouverneur
Armeniens, Jussuff Pascha, reizte, und einen unbegrenzten Neid
in ihm erwachen ließ. Da die Pforte Willens war, Tahirs
Regiment bis zu den lazischen Bergen auszudehnen, um die ge-
fährliche Nachbarschaft dieses östlichen Grenzvolkes, auf das wir
weiter unten noch zurückkommen werden, unschädlich zu machen,
beeilte sich der Erzerumer Gouverneur seinen Bruder Osman,
gleich Jussuff ein Vampyr der verächtlichsten Sorte, in Trapezunt
einzusetzen und so, ganz den Intentionen der Regierung zuwider,
die Autorität Tahirs zu beschränken. Was konnten für den
selbstsüchtigen Gouverneur Armeniens die Verfügungen der Pforte
bedeuten, ihm, der wie ein Halb-Souverän in den verarmten
und ausgepreßten Gauen zwischen Pontus und Kurdistan hauste?
Jussuff wußte die Sache aber noch viel klüger anzufassen und
ehe er zu directen Eigenmächtigkeiten und Gewaltacten schritt,
denuncirte er seinen Nachbar Tahir in Constantinopel als einen
offenen Rebellen und daraufhin erhielt jener die entsprechenden Voll-
machten einzuschreiten. Zwar war der Strauß kein leichter und
die flinken unnahbaren Bergjäger des Dschanik trotzten selbst
den 20,000 Mann, die gleich einer plündernden und mordenden
Horde von den armenischen Tafelländern ins Gestadeland einge-
brochen waren, am Ende aber blieb dennoch der größte Theil
der Provinz den Jussuff'schen Mordgesellen zugänglich und die
unerhörtesten Grausamkeiten wurden auf Rechnung der officiellen
Regierung in einer ihrer ruhigsten Provinzen begangen1.

Jussuff, der Armenien zu Grunde gerichtet hatte durch
offenen Raub, nichtswürdige Erpressung und andere unerhörte
despotische Acte, ward somit auch zum Vernichter der Erwerbs-
quellen eines ganzen Volkes, das sich nur des einen Verbrechens
schuldig gemacht hatte, seinem Gouverneur und Feudalherrn treu

1 Rosen, "Geschichte der Türkei", a. a. O.

Das Gartenland „Dſchanik“.
Bey, d. i.: Thalfürſt) auf, der als Repräſentant der Regierung
zwar Steuer einheben konnte und mußte, um den regelmäßigen
Provinz-Tribut an die Hohe Pforte abführen zu können, im
übrigen aber mit wahrhaft patriarchaliſcher Urwüchſigkeit ſein
Territorium verwaltete. Es war der mehr und mehr wachſende
Machteinfluß dieſes Feudalherrn und Gouverneurs, Tahir Paſcha,
der den viel mächtigeren, aber ungleich grauſameren Gouverneur
Armeniens, Juſſuff Paſcha, reizte, und einen unbegrenzten Neid
in ihm erwachen ließ. Da die Pforte Willens war, Tahirs
Regiment bis zu den laziſchen Bergen auszudehnen, um die ge-
fährliche Nachbarſchaft dieſes öſtlichen Grenzvolkes, auf das wir
weiter unten noch zurückkommen werden, unſchädlich zu machen,
beeilte ſich der Erzerumer Gouverneur ſeinen Bruder Osman,
gleich Juſſuff ein Vampyr der verächtlichſten Sorte, in Trapezunt
einzuſetzen und ſo, ganz den Intentionen der Regierung zuwider,
die Autorität Tahirs zu beſchränken. Was konnten für den
ſelbſtſüchtigen Gouverneur Armeniens die Verfügungen der Pforte
bedeuten, ihm, der wie ein Halb-Souverän in den verarmten
und ausgepreßten Gauen zwiſchen Pontus und Kurdiſtan hauſte?
Juſſuff wußte die Sache aber noch viel klüger anzufaſſen und
ehe er zu directen Eigenmächtigkeiten und Gewaltacten ſchritt,
denuncirte er ſeinen Nachbar Tahir in Conſtantinopel als einen
offenen Rebellen und daraufhin erhielt jener die entſprechenden Voll-
machten einzuſchreiten. Zwar war der Strauß kein leichter und
die flinken unnahbaren Bergjäger des Dſchanik trotzten ſelbſt
den 20,000 Mann, die gleich einer plündernden und mordenden
Horde von den armeniſchen Tafelländern ins Geſtadeland einge-
brochen waren, am Ende aber blieb dennoch der größte Theil
der Provinz den Juſſuff’ſchen Mordgeſellen zugänglich und die
unerhörteſten Grauſamkeiten wurden auf Rechnung der officiellen
Regierung in einer ihrer ruhigſten Provinzen begangen1.

Juſſuff, der Armenien zu Grunde gerichtet hatte durch
offenen Raub, nichtswürdige Erpreſſung und andere unerhörte
despotiſche Acte, ward ſomit auch zum Vernichter der Erwerbs-
quellen eines ganzen Volkes, das ſich nur des einen Verbrechens
ſchuldig gemacht hatte, ſeinem Gouverneur und Feudalherrn treu

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[75/0107] Das Gartenland „Dſchanik“. Bey, d. i.: Thalfürſt) auf, der als Repräſentant der Regierung zwar Steuer einheben konnte und mußte, um den regelmäßigen Provinz-Tribut an die Hohe Pforte abführen zu können, im übrigen aber mit wahrhaft patriarchaliſcher Urwüchſigkeit ſein Territorium verwaltete. Es war der mehr und mehr wachſende Machteinfluß dieſes Feudalherrn und Gouverneurs, Tahir Paſcha, der den viel mächtigeren, aber ungleich grauſameren Gouverneur Armeniens, Juſſuff Paſcha, reizte, und einen unbegrenzten Neid in ihm erwachen ließ. Da die Pforte Willens war, Tahirs Regiment bis zu den laziſchen Bergen auszudehnen, um die ge- fährliche Nachbarſchaft dieſes öſtlichen Grenzvolkes, auf das wir weiter unten noch zurückkommen werden, unſchädlich zu machen, beeilte ſich der Erzerumer Gouverneur ſeinen Bruder Osman, gleich Juſſuff ein Vampyr der verächtlichſten Sorte, in Trapezunt einzuſetzen und ſo, ganz den Intentionen der Regierung zuwider, die Autorität Tahirs zu beſchränken. Was konnten für den ſelbſtſüchtigen Gouverneur Armeniens die Verfügungen der Pforte bedeuten, ihm, der wie ein Halb-Souverän in den verarmten und ausgepreßten Gauen zwiſchen Pontus und Kurdiſtan hauſte? Juſſuff wußte die Sache aber noch viel klüger anzufaſſen und ehe er zu directen Eigenmächtigkeiten und Gewaltacten ſchritt, denuncirte er ſeinen Nachbar Tahir in Conſtantinopel als einen offenen Rebellen und daraufhin erhielt jener die entſprechenden Voll- machten einzuſchreiten. Zwar war der Strauß kein leichter und die flinken unnahbaren Bergjäger des Dſchanik trotzten ſelbſt den 20,000 Mann, die gleich einer plündernden und mordenden Horde von den armeniſchen Tafelländern ins Geſtadeland einge- brochen waren, am Ende aber blieb dennoch der größte Theil der Provinz den Juſſuff’ſchen Mordgeſellen zugänglich und die unerhörteſten Grauſamkeiten wurden auf Rechnung der officiellen Regierung in einer ihrer ruhigſten Provinzen begangen 1. Juſſuff, der Armenien zu Grunde gerichtet hatte durch offenen Raub, nichtswürdige Erpreſſung und andere unerhörte despotiſche Acte, ward ſomit auch zum Vernichter der Erwerbs- quellen eines ganzen Volkes, das ſich nur des einen Verbrechens ſchuldig gemacht hatte, ſeinem Gouverneur und Feudalherrn treu 1 Roſen, „Geſchichte der Türkei“, a. a. O.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/107>, abgerufen am 23.11.2024.