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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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I. Abschnitt. Produktionsverhältnisse der Forstwirtschaft.

Hierdurch ist die Wirtschaft in der Lage sich den lokalen Arbeiter-
verhältnissen anzupassen. Wo die Bevölkerung gewohnt ist, den
wesentlichsten Teil ihres Unterhaltes im Walde zu suchen, muss der
Wirtschaftsbeamte durch eine entsprechende Disposition der Waldarbeiten
dafür sorgen, dass die Arbeit über das ganze Jahr ziemlich gleich-
mässig verteilt ist. Liegen aber die Verhältnisse so, dass nur dann
Arbeitskräfte für die Forstwirtschaft verfügbar sind, wenn die Land-
wirtschaft, Schifffahrt und das Baugewerbe ausser Betrieb sind, dann
handelt es sich um möglichste Konzentration der Arbeit.

Die Forstwirtschaft kann hier durch Verlegung des Hauptteiles
ihrer Arbeiten in jene Jahreszeit, in welcher die übrigen Betriebe, nament-
lich die Landwirtschaft, ruhen, sich nicht nur billige Arbeitskräfte in
genügender Anzahl verschaffen, sondern zugleich auch durch Gewährung
von Arbeitsgelegenheit in einer sonst beschäftigungslosen Zeit sehr viel
zur Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiter und namentlich zur
Erhaltung eines tüchtigen Stammes von ländlichen Arbeitern beitragen. 1)

Aus dieser Betrachtung über die Produktionsfaktoren der Forst-
wirtschaft dürfte als besonders charakteristische Eigentümlichkeit die
wichtige Rolle hervorzuheben sein, welche die Naturkräfte bei ihr
spielen. Knorr (Aus forstl. Theorie und Praxis.) sagt daher mit Recht:
"Die freie Arbeit der Natur schafft ein Wertkapital, gegen welches
alle Kosten, die der Mensch aufwendet, verschwinden".

§ 5. Charakteristische Eigentümlichkeiten der forstlichen Produktion.
Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsbedingungen der Forst-
wirtschaft gegenüber allen anderen Gewerben, namentlich aber im Ver-
gleich mit der Landwirtschaft besteht darin, dass erstere mit sehr langen
Zeiträumen
rechnen muss.

Während bei fast allen Betrieben die Fertigstellung des Produktes
einen Zeitraum von einigen Tagen oder höchstens Monaten erfordert und
nur für die schwierigsten und umfangreichsten Arbeiten mehrere Jahre
notwendig sind, während die Landwirtschaft regelmässig innerhalb eines
Jahres säet und erntet, verstreichen bei der Forstwirtschaft zwischen der
Begründung eines Bestandes und seinem Abtrieb mehrere Menschenalter.
Abgesehen von dem Weidenhegerbetrieb, sowie dem nur einen geringen
Prozentsatz der gesamten Waldfläche einnehmenden Nieder- und Mittel-
waldbetrieb, sind durchschnittlich 100 bis 120 Jahre erforderlich, bis ein
Bestand hiebsreif wird.

Hieraus folgt, dass um bei schlagweisem Betrieb eine jährliche Ernte
erzielen zu können, soviele Bestände in regelmässiger Altersabstufung

1) Wegen der Organisation der Waldarbeiter (Freigedinger, Unternehmer-
mannschaften, Regiearbeiter) findet sich das Weitere in meinem "Handbuch der
Forstverwaltungskunde", S. 153 ff.
Schwappach, Forstpolitik. 2
I. Abschnitt. Produktionsverhältnisse der Forstwirtschaft.

Hierdurch ist die Wirtschaft in der Lage sich den lokalen Arbeiter-
verhältnissen anzupassen. Wo die Bevölkerung gewohnt ist, den
wesentlichsten Teil ihres Unterhaltes im Walde zu suchen, muſs der
Wirtschaftsbeamte durch eine entsprechende Disposition der Waldarbeiten
dafür sorgen, daſs die Arbeit über das ganze Jahr ziemlich gleich-
mäſsig verteilt ist. Liegen aber die Verhältnisse so, daſs nur dann
Arbeitskräfte für die Forstwirtschaft verfügbar sind, wenn die Land-
wirtschaft, Schifffahrt und das Baugewerbe auſser Betrieb sind, dann
handelt es sich um möglichste Konzentration der Arbeit.

Die Forstwirtschaft kann hier durch Verlegung des Hauptteiles
ihrer Arbeiten in jene Jahreszeit, in welcher die übrigen Betriebe, nament-
lich die Landwirtschaft, ruhen, sich nicht nur billige Arbeitskräfte in
genügender Anzahl verschaffen, sondern zugleich auch durch Gewährung
von Arbeitsgelegenheit in einer sonst beschäftigungslosen Zeit sehr viel
zur Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiter und namentlich zur
Erhaltung eines tüchtigen Stammes von ländlichen Arbeitern beitragen. 1)

Aus dieser Betrachtung über die Produktionsfaktoren der Forst-
wirtschaft dürfte als besonders charakteristische Eigentümlichkeit die
wichtige Rolle hervorzuheben sein, welche die Naturkräfte bei ihr
spielen. Knorr (Aus forstl. Theorie und Praxis.) sagt daher mit Recht:
„Die freie Arbeit der Natur schafft ein Wertkapital, gegen welches
alle Kosten, die der Mensch aufwendet, verschwinden“.

§ 5. Charakteristische Eigentümlichkeiten der forstlichen Produktion.
Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsbedingungen der Forst-
wirtschaft gegenüber allen anderen Gewerben, namentlich aber im Ver-
gleich mit der Landwirtschaft besteht darin, daſs erstere mit sehr langen
Zeiträumen
rechnen muſs.

Während bei fast allen Betrieben die Fertigstellung des Produktes
einen Zeitraum von einigen Tagen oder höchstens Monaten erfordert und
nur für die schwierigsten und umfangreichsten Arbeiten mehrere Jahre
notwendig sind, während die Landwirtschaft regelmäſsig innerhalb eines
Jahres säet und erntet, verstreichen bei der Forstwirtschaft zwischen der
Begründung eines Bestandes und seinem Abtrieb mehrere Menschenalter.
Abgesehen von dem Weidenhegerbetrieb, sowie dem nur einen geringen
Prozentsatz der gesamten Waldfläche einnehmenden Nieder- und Mittel-
waldbetrieb, sind durchschnittlich 100 bis 120 Jahre erforderlich, bis ein
Bestand hiebsreif wird.

Hieraus folgt, daſs um bei schlagweisem Betrieb eine jährliche Ernte
erzielen zu können, soviele Bestände in regelmäſsiger Altersabstufung

1) Wegen der Organisation der Waldarbeiter (Freigedinger, Unternehmer-
mannschaften, Regiearbeiter) findet sich das Weitere in meinem „Handbuch der
Forstverwaltungskunde“, S. 153 ff.
Schwappach, Forstpolitik. 2
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[17/0035] I. Abschnitt. Produktionsverhältnisse der Forstwirtschaft. Hierdurch ist die Wirtschaft in der Lage sich den lokalen Arbeiter- verhältnissen anzupassen. Wo die Bevölkerung gewohnt ist, den wesentlichsten Teil ihres Unterhaltes im Walde zu suchen, muſs der Wirtschaftsbeamte durch eine entsprechende Disposition der Waldarbeiten dafür sorgen, daſs die Arbeit über das ganze Jahr ziemlich gleich- mäſsig verteilt ist. Liegen aber die Verhältnisse so, daſs nur dann Arbeitskräfte für die Forstwirtschaft verfügbar sind, wenn die Land- wirtschaft, Schifffahrt und das Baugewerbe auſser Betrieb sind, dann handelt es sich um möglichste Konzentration der Arbeit. Die Forstwirtschaft kann hier durch Verlegung des Hauptteiles ihrer Arbeiten in jene Jahreszeit, in welcher die übrigen Betriebe, nament- lich die Landwirtschaft, ruhen, sich nicht nur billige Arbeitskräfte in genügender Anzahl verschaffen, sondern zugleich auch durch Gewährung von Arbeitsgelegenheit in einer sonst beschäftigungslosen Zeit sehr viel zur Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiter und namentlich zur Erhaltung eines tüchtigen Stammes von ländlichen Arbeitern beitragen. 1) Aus dieser Betrachtung über die Produktionsfaktoren der Forst- wirtschaft dürfte als besonders charakteristische Eigentümlichkeit die wichtige Rolle hervorzuheben sein, welche die Naturkräfte bei ihr spielen. Knorr (Aus forstl. Theorie und Praxis.) sagt daher mit Recht: „Die freie Arbeit der Natur schafft ein Wertkapital, gegen welches alle Kosten, die der Mensch aufwendet, verschwinden“. § 5. Charakteristische Eigentümlichkeiten der forstlichen Produktion. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsbedingungen der Forst- wirtschaft gegenüber allen anderen Gewerben, namentlich aber im Ver- gleich mit der Landwirtschaft besteht darin, daſs erstere mit sehr langen Zeiträumen rechnen muſs. Während bei fast allen Betrieben die Fertigstellung des Produktes einen Zeitraum von einigen Tagen oder höchstens Monaten erfordert und nur für die schwierigsten und umfangreichsten Arbeiten mehrere Jahre notwendig sind, während die Landwirtschaft regelmäſsig innerhalb eines Jahres säet und erntet, verstreichen bei der Forstwirtschaft zwischen der Begründung eines Bestandes und seinem Abtrieb mehrere Menschenalter. Abgesehen von dem Weidenhegerbetrieb, sowie dem nur einen geringen Prozentsatz der gesamten Waldfläche einnehmenden Nieder- und Mittel- waldbetrieb, sind durchschnittlich 100 bis 120 Jahre erforderlich, bis ein Bestand hiebsreif wird. Hieraus folgt, daſs um bei schlagweisem Betrieb eine jährliche Ernte erzielen zu können, soviele Bestände in regelmäſsiger Altersabstufung 1) Wegen der Organisation der Waldarbeiter (Freigedinger, Unternehmer- mannschaften, Regiearbeiter) findet sich das Weitere in meinem „Handbuch der Forstverwaltungskunde“, S. 153 ff. Schwappach, Forstpolitik. 2

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/35>, abgerufen am 28.03.2024.