Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

B. Zweiter (spezieller) Teil.
vorhanden und nicht bereits in landesherrliches Eigentum übergegangen
oder verteilt worden war.

In den ländlichen Gemeinden wurden auch während der ersten
Dezennien des 19. Jahrhunderts noch zahlreiche ehemalige Mark-
waldungen verteilt, namentlich war dieses der Fall auf dem linken
Rheinufer während der französischen Verwaltung.

Einzelne grössere mehreren Ortschaften gemeinsame Waldungen
bestehen im Grossherzogtum Hessen noch gegenwärtig unter dem Namen
von Markwaldungen fort, werden aber vom Standpunkte des formellen
Rechtes aus als Interessentenwaldungen betrachtet.

In vielen Gegenden hat sich die alte Markgemeinde innerhalb der
weiteren politischen Gemeinde unter Verlust des öffentlich-rechtlichen
Charakters als privatrechtliche Korporation in verschiedenen Modi-
fikationen erhalten, auf sie bezieht sich hauptsächlich das preussische
Gesetz von 1881 über gemeinschaftliche Holzungen.

Nur selten existiert diese engere Gemeinde noch als politisch
herrschende Korporation bis zur Gegenwart, so in Schwarzburg-Rudol-
stadt, wo nach der Gemeindeverwaltungsordnung von 1827 die Ge-
meinde lediglich aus den Besitzern derjenigen Immobilien besteht, mit
welchen nach dem Herkommen das Gemeinderecht verknüpft ist.

In einer grossen Anzahl von Gemeinden ist eine besondere Wirt-
schaftsgemeinde überhaupt nicht mehr vorhanden, sondern das wirt-
schaftliche Element im politischen aufgegangen; in diesem Falle hat die
politische Gemeinde auch das Eigentum des Markwaldes erworben.

Hierbei sind zwei Formen möglich: a) es existiert nur ein Orts-
oder Kämmereivermögen, oder b) die Nutzungen der Allmende sind
rein bürgerliche Nutzungen geworden und stellen einen Ausfluss und ein
unselbständiges Zubehör des lediglich politischen Bürgerrechtes dar
(Bürgervermögen). Die auf den einzelnen Bürger entfallende Nutzung
hat indessen nur den Charakter einer prekären Beschränkung des der
Gemeinde zustehenden Eigentums.

In den grösseren Städten vollzog sich die Umgestaltung bei dem
Übergewichte von Handel, Gewerbe und Zunftwesen bereits im Mittel-
alter. Die Stadtgemeinden wurden unter dem Einflusse des römischen
Rechtes Korporationen, ihre gemeinen Marken dadurch Korporations-
vermögen.

Eine ähnliche Unterordnung des wirtschaftlichen Elementes unter
das politische, wie sie in den Städten historisch eintrat, ist seit der
französischen Revolution sehr häufig auch in den Landgemeinden und
kleinen Ackerstädten durch die moderne Gesetzgebung herbeigeführt
worden.

Die Entstehung des Hauptteils der Gemeindewaldungen ist dem-
nach für jenen Teil Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz,

B. Zweiter (spezieller) Teil.
vorhanden und nicht bereits in landesherrliches Eigentum übergegangen
oder verteilt worden war.

In den ländlichen Gemeinden wurden auch während der ersten
Dezennien des 19. Jahrhunderts noch zahlreiche ehemalige Mark-
waldungen verteilt, namentlich war dieses der Fall auf dem linken
Rheinufer während der französischen Verwaltung.

Einzelne gröſsere mehreren Ortschaften gemeinsame Waldungen
bestehen im Groſsherzogtum Hessen noch gegenwärtig unter dem Namen
von Markwaldungen fort, werden aber vom Standpunkte des formellen
Rechtes aus als Interessentenwaldungen betrachtet.

In vielen Gegenden hat sich die alte Markgemeinde innerhalb der
weiteren politischen Gemeinde unter Verlust des öffentlich-rechtlichen
Charakters als privatrechtliche Korporation in verschiedenen Modi-
fikationen erhalten, auf sie bezieht sich hauptsächlich das preuſsische
Gesetz von 1881 über gemeinschaftliche Holzungen.

Nur selten existiert diese engere Gemeinde noch als politisch
herrschende Korporation bis zur Gegenwart, so in Schwarzburg-Rudol-
stadt, wo nach der Gemeindeverwaltungsordnung von 1827 die Ge-
meinde lediglich aus den Besitzern derjenigen Immobilien besteht, mit
welchen nach dem Herkommen das Gemeinderecht verknüpft ist.

In einer groſsen Anzahl von Gemeinden ist eine besondere Wirt-
schaftsgemeinde überhaupt nicht mehr vorhanden, sondern das wirt-
schaftliche Element im politischen aufgegangen; in diesem Falle hat die
politische Gemeinde auch das Eigentum des Markwaldes erworben.

Hierbei sind zwei Formen möglich: a) es existiert nur ein Orts-
oder Kämmereivermögen, oder b) die Nutzungen der Allmende sind
rein bürgerliche Nutzungen geworden und stellen einen Ausfluſs und ein
unselbständiges Zubehör des lediglich politischen Bürgerrechtes dar
(Bürgervermögen). Die auf den einzelnen Bürger entfallende Nutzung
hat indessen nur den Charakter einer prekären Beschränkung des der
Gemeinde zustehenden Eigentums.

In den gröſseren Städten vollzog sich die Umgestaltung bei dem
Übergewichte von Handel, Gewerbe und Zunftwesen bereits im Mittel-
alter. Die Stadtgemeinden wurden unter dem Einflusse des römischen
Rechtes Korporationen, ihre gemeinen Marken dadurch Korporations-
vermögen.

Eine ähnliche Unterordnung des wirtschaftlichen Elementes unter
das politische, wie sie in den Städten historisch eintrat, ist seit der
französischen Revolution sehr häufig auch in den Landgemeinden und
kleinen Ackerstädten durch die moderne Gesetzgebung herbeigeführt
worden.

Die Entstehung des Hauptteils der Gemeindewaldungen ist dem-
nach für jenen Teil Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0272" n="254"/><fw place="top" type="header">B. Zweiter (spezieller) Teil.</fw><lb/>
vorhanden und nicht bereits in landesherrliches Eigentum übergegangen<lb/>
oder verteilt worden war.</p><lb/>
              <p>In den ländlichen Gemeinden wurden auch während der ersten<lb/>
Dezennien des 19. Jahrhunderts noch zahlreiche ehemalige Mark-<lb/>
waldungen verteilt, namentlich war dieses der Fall auf dem linken<lb/>
Rheinufer während der französischen Verwaltung.</p><lb/>
              <p>Einzelne grö&#x017F;sere mehreren Ortschaften gemeinsame Waldungen<lb/>
bestehen im Gro&#x017F;sherzogtum Hessen noch gegenwärtig unter dem Namen<lb/>
von Markwaldungen fort, werden aber vom Standpunkte des formellen<lb/>
Rechtes aus als Interessentenwaldungen betrachtet.</p><lb/>
              <p>In vielen Gegenden hat sich die alte Markgemeinde innerhalb der<lb/>
weiteren politischen Gemeinde unter Verlust des öffentlich-rechtlichen<lb/>
Charakters als privatrechtliche Korporation in verschiedenen Modi-<lb/>
fikationen erhalten, auf sie bezieht sich hauptsächlich das preu&#x017F;sische<lb/>
Gesetz von 1881 über gemeinschaftliche Holzungen.</p><lb/>
              <p>Nur selten existiert diese engere Gemeinde noch als politisch<lb/>
herrschende Korporation bis zur Gegenwart, so in Schwarzburg-Rudol-<lb/>
stadt, wo nach der Gemeindeverwaltungsordnung von 1827 die Ge-<lb/>
meinde lediglich aus den Besitzern derjenigen Immobilien besteht, mit<lb/>
welchen nach dem Herkommen das Gemeinderecht verknüpft ist.</p><lb/>
              <p>In einer gro&#x017F;sen Anzahl von Gemeinden ist eine besondere Wirt-<lb/>
schaftsgemeinde überhaupt nicht mehr vorhanden, sondern das wirt-<lb/>
schaftliche Element im politischen aufgegangen; in diesem Falle hat die<lb/>
politische Gemeinde auch das Eigentum des Markwaldes erworben.</p><lb/>
              <p>Hierbei sind zwei Formen möglich: a) es existiert nur ein Orts-<lb/>
oder Kämmereivermögen, oder b) die Nutzungen der Allmende sind<lb/>
rein bürgerliche Nutzungen geworden und stellen einen Ausflu&#x017F;s und ein<lb/>
unselbständiges Zubehör des lediglich politischen Bürgerrechtes dar<lb/>
(Bürgervermögen). Die auf den einzelnen Bürger entfallende Nutzung<lb/>
hat indessen nur den Charakter einer prekären Beschränkung des der<lb/>
Gemeinde zustehenden Eigentums.</p><lb/>
              <p>In den grö&#x017F;seren Städten vollzog sich die Umgestaltung bei dem<lb/>
Übergewichte von Handel, Gewerbe und Zunftwesen bereits im Mittel-<lb/>
alter. Die Stadtgemeinden wurden unter dem Einflusse des römischen<lb/>
Rechtes Korporationen, ihre gemeinen Marken dadurch Korporations-<lb/>
vermögen.</p><lb/>
              <p>Eine ähnliche Unterordnung des wirtschaftlichen Elementes unter<lb/>
das politische, wie sie in den Städten historisch eintrat, ist seit der<lb/>
französischen Revolution sehr häufig auch in den Landgemeinden und<lb/>
kleinen Ackerstädten durch die moderne Gesetzgebung herbeigeführt<lb/>
worden.</p><lb/>
              <p>Die Entstehung des Hauptteils der Gemeindewaldungen ist dem-<lb/>
nach für jenen Teil Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0272] B. Zweiter (spezieller) Teil. vorhanden und nicht bereits in landesherrliches Eigentum übergegangen oder verteilt worden war. In den ländlichen Gemeinden wurden auch während der ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts noch zahlreiche ehemalige Mark- waldungen verteilt, namentlich war dieses der Fall auf dem linken Rheinufer während der französischen Verwaltung. Einzelne gröſsere mehreren Ortschaften gemeinsame Waldungen bestehen im Groſsherzogtum Hessen noch gegenwärtig unter dem Namen von Markwaldungen fort, werden aber vom Standpunkte des formellen Rechtes aus als Interessentenwaldungen betrachtet. In vielen Gegenden hat sich die alte Markgemeinde innerhalb der weiteren politischen Gemeinde unter Verlust des öffentlich-rechtlichen Charakters als privatrechtliche Korporation in verschiedenen Modi- fikationen erhalten, auf sie bezieht sich hauptsächlich das preuſsische Gesetz von 1881 über gemeinschaftliche Holzungen. Nur selten existiert diese engere Gemeinde noch als politisch herrschende Korporation bis zur Gegenwart, so in Schwarzburg-Rudol- stadt, wo nach der Gemeindeverwaltungsordnung von 1827 die Ge- meinde lediglich aus den Besitzern derjenigen Immobilien besteht, mit welchen nach dem Herkommen das Gemeinderecht verknüpft ist. In einer groſsen Anzahl von Gemeinden ist eine besondere Wirt- schaftsgemeinde überhaupt nicht mehr vorhanden, sondern das wirt- schaftliche Element im politischen aufgegangen; in diesem Falle hat die politische Gemeinde auch das Eigentum des Markwaldes erworben. Hierbei sind zwei Formen möglich: a) es existiert nur ein Orts- oder Kämmereivermögen, oder b) die Nutzungen der Allmende sind rein bürgerliche Nutzungen geworden und stellen einen Ausfluſs und ein unselbständiges Zubehör des lediglich politischen Bürgerrechtes dar (Bürgervermögen). Die auf den einzelnen Bürger entfallende Nutzung hat indessen nur den Charakter einer prekären Beschränkung des der Gemeinde zustehenden Eigentums. In den gröſseren Städten vollzog sich die Umgestaltung bei dem Übergewichte von Handel, Gewerbe und Zunftwesen bereits im Mittel- alter. Die Stadtgemeinden wurden unter dem Einflusse des römischen Rechtes Korporationen, ihre gemeinen Marken dadurch Korporations- vermögen. Eine ähnliche Unterordnung des wirtschaftlichen Elementes unter das politische, wie sie in den Städten historisch eintrat, ist seit der französischen Revolution sehr häufig auch in den Landgemeinden und kleinen Ackerstädten durch die moderne Gesetzgebung herbeigeführt worden. Die Entstehung des Hauptteils der Gemeindewaldungen ist dem- nach für jenen Teil Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/272
Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/272>, abgerufen am 09.11.2024.