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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.
tumes, welcher kein rein individualistischer, sondern ein sozialer ist.
Derselbe gewährt, wie Giercke sagt, "dem Individuum eine Sphäre
persönlicher Freiheit und Herrschergewalt, jedoch nur innerhalb der
durch die sozialen Schranken in der durch die Gegenseitigkeit aller
menschlichen Beziehungen geforderten Gebundenheit. Namentlich beim
Grundeigentume macht sich wie hinsichtlich seines Erwerbes und Ver-
lustes, seiner Zerteilung und Vererbung, so auch hinsichtlich seines In-
haltes die soziale Gebundenheit in erhöhtem Masse geltend; es muss
sich die mannigfachsten Eingriffe der öffentlichen Gewalt und der Nach-
barn gefallen lassen".

Die Frage, ob für diese Beschränkungen und Leistungen Ent-
schädigung
zu gewähren sei, wurde, wenigstens bezüglich der ersteren,
in der Litteratur mehrfach verneint; die Gesetzgebung der meisten
Staaten hat sich jedoch teilweise in bejahendem Sinne ausgesprochen.

Bezüglich der Vorschriften hinsichtlich der Bewirtschaftung
ist diese Kontroverse deshalb ziemlich gegenstandslos, weil die wich-
tigsten derselben: Rodungsverbot, Verbot des Kahlabtriebes und der
Devastation derartig sind, dass sich eine Beeinträchtigung des Ertrages
aus ihnen nicht ergiebt. Sie bezwecken vielmehr nur die wirtschaft-
liche und nachhaltige Benutzung der ohnehin fast ausschliesslich auf
absolutem Waldboden stockenden Forsten. Die Eigentumsbeschrän-
kung
, welche z. B. dadurch entsteht, dass ein Schutzwald nicht ge-
rodet und in Weide umgewandelt werden darf, kann und muss sich
nach den oben mitgeteilten rechtlichen Anschauungen jeder Grundeigen-
tümer ohne weiteres gefallen lassen.

Anders liegt die Sache, wenn es sich um direkte Aufwendun-
gen
im fremden Interesse handelt, wie z. B. um Schutzdämme, Verbau-
ungen, Aufforstungen u. s. w. Hier erscheint eine Schadloshaltung des
Eigentümers nicht nur aus rechtlichen Gründen geboten, sondern auch
aus praktischen Erwägungen notwendig, weil ohne solche häufig die
Vornahme der betreffenden Arbeiten überhaupt nicht möglich wäre.

Dieselbe kann je nach Lage der Verhältnisse erfolgen durch Steuer-
befreiung 1), Ablassung von Pflanzen 2), Ausführung von Arbeiten durch

1) Steuerbefreiung wird nach dem ungarischen Forstgesetze von 1879
der Regel nach allen Schutzwaldungen gewährt, unter Umständen auch nur Steuer-
ermässigung. In Russland sind nach dem Gesetze vom 4. IV. 1888 alle Schutz-
waldungen sowohl von den Staatsabgaben, wie von den landschaftlichen Grundzins-
steuern frei.
2) Frankreich, Gesetz vom 28. VII. 1860 Art. 1: Des subventions peuvent
etre accordees aux communes, aux etablissements publics et aux particuliers pour
le reboisement des terrains situes sur le sommet ou sur le pente des montagnes.
Ces subventions consistent, soit en delivrances de graines ou de plantes, soit en
primes d'argent.

B. Zweiter (spezieller) Teil.
tumes, welcher kein rein individualistischer, sondern ein sozialer ist.
Derselbe gewährt, wie Giercke sagt, „dem Individuum eine Sphäre
persönlicher Freiheit und Herrschergewalt, jedoch nur innerhalb der
durch die sozialen Schranken in der durch die Gegenseitigkeit aller
menschlichen Beziehungen geforderten Gebundenheit. Namentlich beim
Grundeigentume macht sich wie hinsichtlich seines Erwerbes und Ver-
lustes, seiner Zerteilung und Vererbung, so auch hinsichtlich seines In-
haltes die soziale Gebundenheit in erhöhtem Maſse geltend; es muſs
sich die mannigfachsten Eingriffe der öffentlichen Gewalt und der Nach-
barn gefallen lassen“.

Die Frage, ob für diese Beschränkungen und Leistungen Ent-
schädigung
zu gewähren sei, wurde, wenigstens bezüglich der ersteren,
in der Litteratur mehrfach verneint; die Gesetzgebung der meisten
Staaten hat sich jedoch teilweise in bejahendem Sinne ausgesprochen.

Bezüglich der Vorschriften hinsichtlich der Bewirtschaftung
ist diese Kontroverse deshalb ziemlich gegenstandslos, weil die wich-
tigsten derselben: Rodungsverbot, Verbot des Kahlabtriebes und der
Devastation derartig sind, daſs sich eine Beeinträchtigung des Ertrages
aus ihnen nicht ergiebt. Sie bezwecken vielmehr nur die wirtschaft-
liche und nachhaltige Benutzung der ohnehin fast ausschlieſslich auf
absolutem Waldboden stockenden Forsten. Die Eigentumsbeschrän-
kung
, welche z. B. dadurch entsteht, daſs ein Schutzwald nicht ge-
rodet und in Weide umgewandelt werden darf, kann und muſs sich
nach den oben mitgeteilten rechtlichen Anschauungen jeder Grundeigen-
tümer ohne weiteres gefallen lassen.

Anders liegt die Sache, wenn es sich um direkte Aufwendun-
gen
im fremden Interesse handelt, wie z. B. um Schutzdämme, Verbau-
ungen, Aufforstungen u. s. w. Hier erscheint eine Schadloshaltung des
Eigentümers nicht nur aus rechtlichen Gründen geboten, sondern auch
aus praktischen Erwägungen notwendig, weil ohne solche häufig die
Vornahme der betreffenden Arbeiten überhaupt nicht möglich wäre.

Dieselbe kann je nach Lage der Verhältnisse erfolgen durch Steuer-
befreiung 1), Ablassung von Pflanzen 2), Ausführung von Arbeiten durch

1) Steuerbefreiung wird nach dem ungarischen Forstgesetze von 1879
der Regel nach allen Schutzwaldungen gewährt, unter Umständen auch nur Steuer-
ermäſsigung. In Ruſsland sind nach dem Gesetze vom 4. IV. 1888 alle Schutz-
waldungen sowohl von den Staatsabgaben, wie von den landschaftlichen Grundzins-
steuern frei.
2) Frankreich, Gesetz vom 28. VII. 1860 Art. 1: Des subventions peuvent
être accordées aux communes, aux établissements publics et aux particuliers pour
le reboisement des terrains situés sur le sommet ou sur le pente des montagnes.
Ces subventions consistent, soit en délivrances de graines ou de plantes, soit en
primes d’argent.
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[236/0254] B. Zweiter (spezieller) Teil. tumes, welcher kein rein individualistischer, sondern ein sozialer ist. Derselbe gewährt, wie Giercke sagt, „dem Individuum eine Sphäre persönlicher Freiheit und Herrschergewalt, jedoch nur innerhalb der durch die sozialen Schranken in der durch die Gegenseitigkeit aller menschlichen Beziehungen geforderten Gebundenheit. Namentlich beim Grundeigentume macht sich wie hinsichtlich seines Erwerbes und Ver- lustes, seiner Zerteilung und Vererbung, so auch hinsichtlich seines In- haltes die soziale Gebundenheit in erhöhtem Maſse geltend; es muſs sich die mannigfachsten Eingriffe der öffentlichen Gewalt und der Nach- barn gefallen lassen“. Die Frage, ob für diese Beschränkungen und Leistungen Ent- schädigung zu gewähren sei, wurde, wenigstens bezüglich der ersteren, in der Litteratur mehrfach verneint; die Gesetzgebung der meisten Staaten hat sich jedoch teilweise in bejahendem Sinne ausgesprochen. Bezüglich der Vorschriften hinsichtlich der Bewirtschaftung ist diese Kontroverse deshalb ziemlich gegenstandslos, weil die wich- tigsten derselben: Rodungsverbot, Verbot des Kahlabtriebes und der Devastation derartig sind, daſs sich eine Beeinträchtigung des Ertrages aus ihnen nicht ergiebt. Sie bezwecken vielmehr nur die wirtschaft- liche und nachhaltige Benutzung der ohnehin fast ausschlieſslich auf absolutem Waldboden stockenden Forsten. Die Eigentumsbeschrän- kung, welche z. B. dadurch entsteht, daſs ein Schutzwald nicht ge- rodet und in Weide umgewandelt werden darf, kann und muſs sich nach den oben mitgeteilten rechtlichen Anschauungen jeder Grundeigen- tümer ohne weiteres gefallen lassen. Anders liegt die Sache, wenn es sich um direkte Aufwendun- gen im fremden Interesse handelt, wie z. B. um Schutzdämme, Verbau- ungen, Aufforstungen u. s. w. Hier erscheint eine Schadloshaltung des Eigentümers nicht nur aus rechtlichen Gründen geboten, sondern auch aus praktischen Erwägungen notwendig, weil ohne solche häufig die Vornahme der betreffenden Arbeiten überhaupt nicht möglich wäre. Dieselbe kann je nach Lage der Verhältnisse erfolgen durch Steuer- befreiung 1), Ablassung von Pflanzen 2), Ausführung von Arbeiten durch 1) Steuerbefreiung wird nach dem ungarischen Forstgesetze von 1879 der Regel nach allen Schutzwaldungen gewährt, unter Umständen auch nur Steuer- ermäſsigung. In Ruſsland sind nach dem Gesetze vom 4. IV. 1888 alle Schutz- waldungen sowohl von den Staatsabgaben, wie von den landschaftlichen Grundzins- steuern frei. 2) Frankreich, Gesetz vom 28. VII. 1860 Art. 1: Des subventions peuvent être accordées aux communes, aux établissements publics et aux particuliers pour le reboisement des terrains situés sur le sommet ou sur le pente des montagnes. Ces subventions consistent, soit en délivrances de graines ou de plantes, soit en primes d’argent.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/254>, abgerufen am 09.05.2024.