Grundlage des Embryo; ist es aber Kern der Dotterzelle, so ist mit der Bildung der Dotterzelle seine Bedeutung erloschen, und nach der Analogie der meisten Zellenkerne muss es später entweder ganz resorbirt werden, oder nur rudimentär noch eine Zeit lang fortbestehen, ohne irgend etwas wesentliches Neues zu bilden. Der gewöhnliche Verlauf des Lebens einer einfachen Zelle ist nämlich der: Es ist Anfangs ein Kern da; um ihn bildet sich die Zelle; der Kern wächst oft Anfangs noch etwas mit der Zelle, doch viel schwächer, so dass der Kern im Verhältniss zur Zelle um so grösser ist, je jünger die Zelle ist; der Inhalt der Zelle ist Anfangs durchsichtig; dann entsteht ein fe- ster Niederschlag oder eine neue Bildung in der Zelle, und zwar zunächst um den Kern, der zuerst davon ein- geschlossen wird; der Kern wird dann entweder ganz re- sorbirt oder besteht nur rudimentär fort, und nie habe ich an anderen Zellenkernen beobachtet, dass etwas anderes Wesentliches daraus entsteht. Nur bei den Fettzellen in der Schädelhöhle einer jungen Plötze schienen sich wäh- rend der Resorption des Kerns in demselben ein oder mehrere kleine Fetttröpfchen zu bilden. Die Wichtigkeit der Entscheidung dieser Frage für das Keimbläschen leuch- tet also ein. Leider aber sind weder die Beobachtungen über das spätere Verhalten des Keimbläschens, noch die über die Entstehung des Eichens hinreichend oder sicher genug, um diese Frage zu entscheiden.
Analysiren wir beide Ansichten genauer und verglei- chen sie dann mit den Beobachtungen. Ist das Keimbläs- chen eine junge Zelle, so ist 1) durchaus nothwendig, dass die Dotterzelle vorher da sei, und sich darin erst das Keim- bläschen entwickelt. 2) Das Keimbläschen darf nicht mit der Dotterhaut verbunden sein, sondern muss sich frei in der Dotterhöhle an einer beliebigen Stelle derselben ent- wickeln. 3) Das Keimbläschen lässt sich entweder als eine kernlose Zelle betrachten, und dann gehören die Wag- nerschen Flecke zum Zelleninhalt, oder der Wagner- sche Fleck, wo er einfach ist, ist Zellenkern; wenn ihrer
Grundlage des Embryo; ist es aber Kern der Dotterzelle, so ist mit der Bildung der Dotterzelle seine Bedeutung erloschen, und nach der Analogie der meisten Zellenkerne muſs es später entweder ganz resorbirt werden, oder nur rudimentär noch eine Zeit lang fortbestehen, ohne irgend etwas wesentliches Neues zu bilden. Der gewöhnliche Verlauf des Lebens einer einfachen Zelle ist nämlich der: Es ist Anfangs ein Kern da; um ihn bildet sich die Zelle; der Kern wächst oft Anfangs noch etwas mit der Zelle, doch viel schwächer, so daſs der Kern im Verhältniſs zur Zelle um so gröſser ist, je jünger die Zelle ist; der Inhalt der Zelle ist Anfangs durchsichtig; dann entsteht ein fe- ster Niederschlag oder eine neue Bildung in der Zelle, und zwar zunächst um den Kern, der zuerst davon ein- geschlossen wird; der Kern wird dann entweder ganz re- sorbirt oder besteht nur rudimentär fort, und nie habe ich an anderen Zellenkernen beobachtet, daſs etwas anderes Wesentliches daraus entsteht. Nur bei den Fettzellen in der Schädelhöhle einer jungen Plötze schienen sich wäh- rend der Resorption des Kerns in demselben ein oder mehrere kleine Fetttröpfchen zu bilden. Die Wichtigkeit der Entscheidung dieser Frage für das Keimbläschen leuch- tet also ein. Leider aber sind weder die Beobachtungen über das spätere Verhalten des Keimbläschens, noch die über die Entstehung des Eichens hinreichend oder sicher genug, um diese Frage zu entscheiden.
Analysiren wir beide Ansichten genauer und verglei- chen sie dann mit den Beobachtungen. Ist das Keimbläs- chen eine junge Zelle, so ist 1) durchaus nothwendig, daſs die Dotterzelle vorher da sei, und sich darin erst das Keim- bläschen entwickelt. 2) Das Keimbläschen darf nicht mit der Dotterhaut verbunden sein, sondern muſs sich frei in der Dotterhöhle an einer beliebigen Stelle derselben ent- wickeln. 3) Das Keimbläschen läſst sich entweder als eine kernlose Zelle betrachten, und dann gehören die Wag- nerschen Flecke zum Zelleninhalt, oder der Wagner- sche Fleck, wo er einfach ist, ist Zellenkern; wenn ihrer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0074"n="50"/>
Grundlage des Embryo; ist es aber Kern der Dotterzelle,<lb/>
so ist mit der Bildung der Dotterzelle seine Bedeutung<lb/>
erloschen, und nach der Analogie der meisten Zellenkerne<lb/>
muſs es später entweder ganz resorbirt werden, oder nur<lb/>
rudimentär noch eine Zeit lang fortbestehen, ohne irgend<lb/>
etwas wesentliches Neues zu bilden. Der gewöhnliche<lb/>
Verlauf des Lebens einer einfachen Zelle ist nämlich der:<lb/>
Es ist Anfangs ein Kern da; um ihn bildet sich die Zelle;<lb/>
der Kern wächst oft Anfangs noch etwas mit der Zelle,<lb/>
doch viel schwächer, so daſs der Kern im Verhältniſs zur<lb/>
Zelle um so gröſser ist, je jünger die Zelle ist; der Inhalt<lb/>
der Zelle ist Anfangs durchsichtig; dann entsteht ein fe-<lb/>
ster Niederschlag oder eine neue Bildung in der Zelle,<lb/>
und zwar zunächst um den Kern, der zuerst davon ein-<lb/>
geschlossen wird; der Kern wird dann entweder ganz re-<lb/>
sorbirt oder besteht nur rudimentär fort, und nie habe ich<lb/>
an anderen Zellenkernen beobachtet, daſs etwas anderes<lb/>
Wesentliches daraus entsteht. Nur bei den Fettzellen in<lb/>
der Schädelhöhle einer jungen Plötze schienen sich wäh-<lb/>
rend der Resorption des Kerns in demselben ein oder<lb/>
mehrere kleine Fetttröpfchen zu bilden. Die Wichtigkeit<lb/>
der Entscheidung dieser Frage für das Keimbläschen leuch-<lb/>
tet also ein. Leider aber sind weder die Beobachtungen<lb/>
über das spätere Verhalten des Keimbläschens, noch die<lb/>
über die Entstehung des Eichens hinreichend oder sicher<lb/>
genug, um diese Frage zu entscheiden.</p><lb/><p>Analysiren wir beide Ansichten genauer und verglei-<lb/>
chen sie dann mit den Beobachtungen. Ist das Keimbläs-<lb/>
chen eine junge Zelle, so ist 1) durchaus nothwendig, daſs<lb/>
die Dotterzelle vorher da sei, und sich darin erst das Keim-<lb/>
bläschen entwickelt. 2) Das Keimbläschen darf nicht mit<lb/>
der Dotterhaut verbunden sein, sondern muſs sich frei in<lb/>
der Dotterhöhle an einer beliebigen Stelle derselben ent-<lb/>
wickeln. 3) Das Keimbläschen läſst sich entweder als<lb/>
eine kernlose Zelle betrachten, und dann gehören die <hirendition="#g">Wag-<lb/>
ner</hi>schen Flecke zum Zelleninhalt, oder der <hirendition="#g">Wagner</hi>-<lb/>
sche Fleck, wo er einfach ist, ist Zellenkern; wenn ihrer<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[50/0074]
Grundlage des Embryo; ist es aber Kern der Dotterzelle,
so ist mit der Bildung der Dotterzelle seine Bedeutung
erloschen, und nach der Analogie der meisten Zellenkerne
muſs es später entweder ganz resorbirt werden, oder nur
rudimentär noch eine Zeit lang fortbestehen, ohne irgend
etwas wesentliches Neues zu bilden. Der gewöhnliche
Verlauf des Lebens einer einfachen Zelle ist nämlich der:
Es ist Anfangs ein Kern da; um ihn bildet sich die Zelle;
der Kern wächst oft Anfangs noch etwas mit der Zelle,
doch viel schwächer, so daſs der Kern im Verhältniſs zur
Zelle um so gröſser ist, je jünger die Zelle ist; der Inhalt
der Zelle ist Anfangs durchsichtig; dann entsteht ein fe-
ster Niederschlag oder eine neue Bildung in der Zelle,
und zwar zunächst um den Kern, der zuerst davon ein-
geschlossen wird; der Kern wird dann entweder ganz re-
sorbirt oder besteht nur rudimentär fort, und nie habe ich
an anderen Zellenkernen beobachtet, daſs etwas anderes
Wesentliches daraus entsteht. Nur bei den Fettzellen in
der Schädelhöhle einer jungen Plötze schienen sich wäh-
rend der Resorption des Kerns in demselben ein oder
mehrere kleine Fetttröpfchen zu bilden. Die Wichtigkeit
der Entscheidung dieser Frage für das Keimbläschen leuch-
tet also ein. Leider aber sind weder die Beobachtungen
über das spätere Verhalten des Keimbläschens, noch die
über die Entstehung des Eichens hinreichend oder sicher
genug, um diese Frage zu entscheiden.
Analysiren wir beide Ansichten genauer und verglei-
chen sie dann mit den Beobachtungen. Ist das Keimbläs-
chen eine junge Zelle, so ist 1) durchaus nothwendig, daſs
die Dotterzelle vorher da sei, und sich darin erst das Keim-
bläschen entwickelt. 2) Das Keimbläschen darf nicht mit
der Dotterhaut verbunden sein, sondern muſs sich frei in
der Dotterhöhle an einer beliebigen Stelle derselben ent-
wickeln. 3) Das Keimbläschen läſst sich entweder als
eine kernlose Zelle betrachten, und dann gehören die Wag-
nerschen Flecke zum Zelleninhalt, oder der Wagner-
sche Fleck, wo er einfach ist, ist Zellenkern; wenn ihrer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/74>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.