beim Kochen nur sehr schwer eine wenig leimartige Sub- stanz, aber keinen gelatinirenden Leim geben. Von meh- reren Schweineembryonen, die von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzwurzel 31/2 Zoll massen, wurden einige nicht ossifizirte Knorpel, nämlich einige Apophysen der Schen- kelknochen und der knorpelige Theil der Schulterblätter gekocht. Nach 12 Stunden waren die Knorpel ganz in sehr kleine Blättchen zerfallen, die, in Wasser umgerührt, diesem ein schillerndes Ansehn gaben und unter dem Mi- kroskop äusserst dünn und körnig erschienen. Die Flüs- sigkeit, filtrirt und beinahe zur Trockenheit abgedampft, gerann nicht. Sie wurde von Alhohol stark gefüllt. Die- ser Niederschlag wurde getrocknet und dann in kochen- dem Wasser gelöst und dann nicht ganz zum Trocknen abgedampft. Aber auch jetzt trat keine Gerinnung ein. Alaun und viel schwächer auch Essigsäure trübten diese Flüssigkeit aber. Da die Menge des angewandten Knor- pels zu gering war, so stellte ich den Versuch mit schon verknöcherten Knorpeln derselben Embryonen an, näm- lich mit den Stirnbeinen, Scheitelbeinen, Schulterblättern, Oberarm, Oberschenkel und einigen Rippen. An allen war das noch nicht ossifizirte möglichst rein entfernt. Die Kalkerde wurde mit Salzsäure ausgezogen. Die Knorpel dann mit Wasser ausgewaschen und 24 Stunden gekocht, Sie zerfielen dabei nur sehr langsam, indem viele schil- lernde Blättchen sich in der Flüssigkeit zeigten, die nach dem Trocknen wie sehr feine Fischschuppen aussahen und ein schönes Farbenspiel zeigten. Es waren vielleicht die von Deusch beschriebenen Lamellen, welche die fei- nen Markkanälchen umgeben. Bei den meisten Knorpel- stückchen aber blieb die Form noch durchaus erkennbar und wenig verändert. Sie sahen gelblich weiss aus, gar nicht gallertartig, wie gewöhnlich Substanzen, die im Be- griffe sind, sich in Leim zu verwandeln. Die Flüssigkeit wurde von diesen Blättchen und Knorpelstückchen abfil- trirt und dann bis beinahe zum Trocknen abgedampft. Sie zeigte nach 24 Stunden keine Spur von Gerinnung.
beim Kochen nur sehr schwer eine wenig leimartige Sub- stanz, aber keinen gelatinirenden Leim geben. Von meh- reren Schweineembryonen, die von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzwurzel 3½ Zoll maſsen, wurden einige nicht ossifizirte Knorpel, nämlich einige Apophysen der Schen- kelknochen und der knorpelige Theil der Schulterblätter gekocht. Nach 12 Stunden waren die Knorpel ganz in sehr kleine Blättchen zerfallen, die, in Wasser umgerührt, diesem ein schillerndes Ansehn gaben und unter dem Mi- kroskop äuſserst dünn und körnig erschienen. Die Flüs- sigkeit, filtrirt und beinahe zur Trockenheit abgedampft, gerann nicht. Sie wurde von Alhohol stark gefüllt. Die- ser Niederschlag wurde getrocknet und dann in kochen- dem Wasser gelöst und dann nicht ganz zum Trocknen abgedampft. Aber auch jetzt trat keine Gerinnung ein. Alaun und viel schwächer auch Essigsäure trübten diese Flüssigkeit aber. Da die Menge des angewandten Knor- pels zu gering war, so stellte ich den Versuch mit schon verknöcherten Knorpeln derselben Embryonen an, näm- lich mit den Stirnbeinen, Scheitelbeinen, Schulterblättern, Oberarm, Oberschenkel und einigen Rippen. An allen war das noch nicht ossifizirte möglichst rein entfernt. Die Kalkerde wurde mit Salzsäure ausgezogen. Die Knorpel dann mit Wasser ausgewaschen und 24 Stunden gekocht, Sie zerfielen dabei nur sehr langsam, indem viele schil- lernde Blättchen sich in der Flüssigkeit zeigten, die nach dem Trocknen wie sehr feine Fischschuppen aussahen und ein schönes Farbenspiel zeigten. Es waren vielleicht die von Deusch beschriebenen Lamellen, welche die fei- nen Markkanälchen umgeben. Bei den meisten Knorpel- stückchen aber blieb die Form noch durchaus erkennbar und wenig verändert. Sie sahen gelblich weiſs aus, gar nicht gallertartig, wie gewöhnlich Substanzen, die im Be- griffe sind, sich in Leim zu verwandeln. Die Flüssigkeit wurde von diesen Blättchen und Knorpelstückchen abfil- trirt und dann bis beinahe zum Trocknen abgedampft. Sie zeigte nach 24 Stunden keine Spur von Gerinnung.
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beim Kochen nur sehr schwer eine wenig leimartige Sub-
stanz, aber keinen gelatinirenden Leim geben. Von meh-
reren Schweineembryonen, die von der Schnauzenspitze bis
zur Schwanzwurzel 3½ Zoll maſsen, wurden einige nicht
ossifizirte Knorpel, nämlich einige Apophysen der Schen-
kelknochen und der knorpelige Theil der Schulterblätter
gekocht. Nach 12 Stunden waren die Knorpel ganz in
sehr kleine Blättchen zerfallen, die, in Wasser umgerührt,
diesem ein schillerndes Ansehn gaben und unter dem Mi-
kroskop äuſserst dünn und körnig erschienen. Die Flüs-
sigkeit, filtrirt und beinahe zur Trockenheit abgedampft,
gerann nicht. Sie wurde von Alhohol stark gefüllt. Die-
ser Niederschlag wurde getrocknet und dann in kochen-
dem Wasser gelöst und dann nicht ganz zum Trocknen
abgedampft. Aber auch jetzt trat keine Gerinnung ein.
Alaun und viel schwächer auch Essigsäure trübten diese
Flüssigkeit aber. Da die Menge des angewandten Knor-
pels zu gering war, so stellte ich den Versuch mit schon
verknöcherten Knorpeln derselben Embryonen an, näm-
lich mit den Stirnbeinen, Scheitelbeinen, Schulterblättern,
Oberarm, Oberschenkel und einigen Rippen. An allen war
das noch nicht ossifizirte möglichst rein entfernt. Die
Kalkerde wurde mit Salzsäure ausgezogen. Die Knorpel
dann mit Wasser ausgewaschen und 24 Stunden gekocht,
Sie zerfielen dabei nur sehr langsam, indem viele schil-
lernde Blättchen sich in der Flüssigkeit zeigten, die nach
dem Trocknen wie sehr feine Fischschuppen aussahen
und ein schönes Farbenspiel zeigten. Es waren vielleicht
die von Deusch beschriebenen Lamellen, welche die fei-
nen Markkanälchen umgeben. Bei den meisten Knorpel-
stückchen aber blieb die Form noch durchaus erkennbar
und wenig verändert. Sie sahen gelblich weiſs aus, gar
nicht gallertartig, wie gewöhnlich Substanzen, die im Be-
griffe sind, sich in Leim zu verwandeln. Die Flüssigkeit
wurde von diesen Blättchen und Knorpelstückchen abfil-
trirt und dann bis beinahe zum Trocknen abgedampft.
Sie zeigte nach 24 Stunden keine Spur von Gerinnung.
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/55>, abgerufen am 23.11.2024.
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