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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839.

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an Beobachtungen über ihre Entwicklung. Nach Unger
(Aphorismen zur Anatomie und Physiol. der Pflanzen.
Wien 1838, pag. 14) entstehen sie ebenfalls aus Zellen,
deren Zwischenwände obliteriren.

Die Thiere, wie sie überhaupt in ihrer äussern Form
noch weit manchfaltiger sind als die Pflanzenwelt, beson-
ders die höhern derselben im erwachsenen Zustande zeigen
auch eine weit manchfaltigere Structur in ihren einzelnen
Geweben. Wie sehr unterscheidet sich ein Muskel von
einem Nerven, dieser vom Zellgewebe, das mit dem
Pflanzenzellgewebe nur seinen Namen gemein hat, oder
vom elastischen Gewebe, Horngewebe u. s. w. Gehn wir
aber auf die Entwicklungs-Geschichte dieser Gewebe zu-
rück, so zeigt sich, dass alle diese manchfaltigen Formen
ebenfalls nur aus Zellen entstehn und zwar aus Zellen,
die durchaus den Pflanzenzellen analog sind und in
ihren vegetativen Lebens-Erscheinungen zum Theil die
merkwürdigste Uebereinstimmung zeigen. Diess durch
Beobachtungen
nachzuweisen ist der Zweck der gegen-
wärtigen Abhandlung.

Es ist aber nothwendig, Einiges über die Lebens-
Erscheinungen der einzelnen Pflanzenzellen vorherzu-
schicken. Jede Zelle ist innerhalb einer gewissen Grenze
ein Individuum, ein selbstständiges Ganze. Die Lebens-
Erscheinungen Einer Pflanzenzelle wiederholen sich ganz
oder zum Theil in allen übrigen. Diese Individuen stehn
aber nicht als ein blosses Aggregat neben einander, son-
dern sie wirken auf eine uns unbekannte Weise in der
Art zusammen, dass daraus ein harmonisches Ganze ent-
steht. Die Prozesse nun, die in den Pflanzenzellen vor-
gehn, lassen sich auf folgende Punkte zurückführen:
1) Das Entstehen neuer Zellen; 2) die Ausdehnung der
vorhandenen Zellen; 3) die Umwandlung des Zelleninhaltes
und die Verdickung der Zellenwand; 4) die von den Zel-
len ausgehende Absonderung und Resorption.

Bei der genauern Betrachtung dieser einzelnen Lebens-
Erscheinungen der Zellen lege ich hauptsächlich die vor-

an Beobachtungen über ihre Entwicklung. Nach Unger
(Aphorismen zur Anatomie und Physiol. der Pflanzen.
Wien 1838, pag. 14) entstehen sie ebenfalls aus Zellen,
deren Zwischenwände obliteriren.

Die Thiere, wie sie überhaupt in ihrer äuſsern Form
noch weit manchfaltiger sind als die Pflanzenwelt, beson-
ders die höhern derselben im erwachsenen Zustande zeigen
auch eine weit manchfaltigere Structur in ihren einzelnen
Geweben. Wie sehr unterscheidet sich ein Muskel von
einem Nerven, dieser vom Zellgewebe, das mit dem
Pflanzenzellgewebe nur seinen Namen gemein hat, oder
vom elastischen Gewebe, Horngewebe u. s. w. Gehn wir
aber auf die Entwicklungs-Geschichte dieser Gewebe zu-
rück, so zeigt sich, daſs alle diese manchfaltigen Formen
ebenfalls nur aus Zellen entstehn und zwar aus Zellen,
die durchaus den Pflanzenzellen analog sind und in
ihren vegetativen Lebens-Erscheinungen zum Theil die
merkwürdigste Uebereinstimmung zeigen. Dieſs durch
Beobachtungen
nachzuweisen ist der Zweck der gegen-
wärtigen Abhandlung.

Es ist aber nothwendig, Einiges über die Lebens-
Erscheinungen der einzelnen Pflanzenzellen vorherzu-
schicken. Jede Zelle ist innerhalb einer gewissen Grenze
ein Individuum, ein selbstständiges Ganze. Die Lebens-
Erscheinungen Einer Pflanzenzelle wiederholen sich ganz
oder zum Theil in allen übrigen. Diese Individuen stehn
aber nicht als ein bloſses Aggregat neben einander, son-
dern sie wirken auf eine uns unbekannte Weise in der
Art zusammen, daſs daraus ein harmonisches Ganze ent-
steht. Die Prozesse nun, die in den Pflanzenzellen vor-
gehn, lassen sich auf folgende Punkte zurückführen:
1) Das Entstehen neuer Zellen; 2) die Ausdehnung der
vorhandenen Zellen; 3) die Umwandlung des Zelleninhaltes
und die Verdickung der Zellenwand; 4) die von den Zel-
len ausgehende Absonderung und Resorption.

Bei der genauern Betrachtung dieser einzelnen Lebens-
Erscheinungen der Zellen lege ich hauptsächlich die vor-

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[2/0026] an Beobachtungen über ihre Entwicklung. Nach Unger (Aphorismen zur Anatomie und Physiol. der Pflanzen. Wien 1838, pag. 14) entstehen sie ebenfalls aus Zellen, deren Zwischenwände obliteriren. Die Thiere, wie sie überhaupt in ihrer äuſsern Form noch weit manchfaltiger sind als die Pflanzenwelt, beson- ders die höhern derselben im erwachsenen Zustande zeigen auch eine weit manchfaltigere Structur in ihren einzelnen Geweben. Wie sehr unterscheidet sich ein Muskel von einem Nerven, dieser vom Zellgewebe, das mit dem Pflanzenzellgewebe nur seinen Namen gemein hat, oder vom elastischen Gewebe, Horngewebe u. s. w. Gehn wir aber auf die Entwicklungs-Geschichte dieser Gewebe zu- rück, so zeigt sich, daſs alle diese manchfaltigen Formen ebenfalls nur aus Zellen entstehn und zwar aus Zellen, die durchaus den Pflanzenzellen analog sind und in ihren vegetativen Lebens-Erscheinungen zum Theil die merkwürdigste Uebereinstimmung zeigen. Dieſs durch Beobachtungen nachzuweisen ist der Zweck der gegen- wärtigen Abhandlung. Es ist aber nothwendig, Einiges über die Lebens- Erscheinungen der einzelnen Pflanzenzellen vorherzu- schicken. Jede Zelle ist innerhalb einer gewissen Grenze ein Individuum, ein selbstständiges Ganze. Die Lebens- Erscheinungen Einer Pflanzenzelle wiederholen sich ganz oder zum Theil in allen übrigen. Diese Individuen stehn aber nicht als ein bloſses Aggregat neben einander, son- dern sie wirken auf eine uns unbekannte Weise in der Art zusammen, daſs daraus ein harmonisches Ganze ent- steht. Die Prozesse nun, die in den Pflanzenzellen vor- gehn, lassen sich auf folgende Punkte zurückführen: 1) Das Entstehen neuer Zellen; 2) die Ausdehnung der vorhandenen Zellen; 3) die Umwandlung des Zelleninhaltes und die Verdickung der Zellenwand; 4) die von den Zel- len ausgehende Absonderung und Resorption. Bei der genauern Betrachtung dieser einzelnen Lebens- Erscheinungen der Zellen lege ich hauptsächlich die vor-

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Zitationshilfe: Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/26>, abgerufen am 19.04.2024.