Man kann die erste Ansicht über die Grundkräfte der Organismen die teleologische, die zweite die physi- kalische Ansicht nennen. Es ist für die Physiologie von der grössten Bedeutung, welcher von beiden Ansichten man folgt, wie sich leicht aus einem Beispiel ergibt. De- finirt man z. B. die Entzündung und Eiterung als das Be- streben des Organismus einen etwa von aussen eingedrun- genen fremden Körper hinaus zu schaffen, oder das Fieber als das Bestreben des Organismus einen Krankheitsstoff zu eliminiren, beides als Folge der "Autokratie des Organismus," so sind diess nach der teleologischen Ansicht Erklärungen. Denn da durch diese Prozesse der schädliche Stoff wirk- lich entfernt wird, so ist der Prozess, wodurch diess ge- schieht, ein zweckmässiger, und da die Grundkraft des Organismus nach bestimmten Zwecken wirkt, so kann sie entweder unmittelbar diese Prozesse veranlassen, oder auch andere Kräfte der Materie zu Hülfe nehmen, doch so, dass sie immer das primum movens bleibt. Nach der physi- kalischen Ansicht dagegen ist diess eben so wenig eine Erklärung, als wenn man sagte, die Bewegung der Erde um die Sonne ist das Bestreben der dem Planetensystem zu Grunde liegenden Kraft auf den Planeten einen Wechsel der Jahreszeiten hervorzubringen, oder wenn man sagte: Ebbe und Fluth ist die Reaktion des Erdorganismus gegen den Mond.
In der Physik sind alle ähnliche, aus einer teleologi- schen Ansicht der Natur hervorgehenden Erklärungen, z. B. der horror vacui u. dgl. längst verbannt. In der lebenden Natur dagegen tritt die Zweckmässigkeit und zwar die in- dividuelle Zweckmässigkeit so stark hervor, dass es schwer wird, sich aller teleologischen Erklärungen zu entschlagen. Man muss indessen bedenken, dass solche Erklärungen, wodurch zugleich Alles und Nichts erklärt wird, nur die letzten Auskunftsmittel sein dürfen, wenn gar keine andere Ansicht möglich ist, und eine solche Nothwendigkeit zur Annahme der teleologischen Ansicht liegt bei den Orga- nismen nicht vor. Die Zweckmässigkeit in den Organismen
Man kann die erste Ansicht über die Grundkräfte der Organismen die teleologische, die zweite die physi- kalische Ansicht nennen. Es ist für die Physiologie von der gröſsten Bedeutung, welcher von beiden Ansichten man folgt, wie sich leicht aus einem Beispiel ergibt. De- finirt man z. B. die Entzündung und Eiterung als das Be- streben des Organismus einen etwa von auſsen eingedrun- genen fremden Körper hinaus zu schaffen, oder das Fieber als das Bestreben des Organismus einen Krankheitsstoff zu eliminiren, beides als Folge der „Autokratie des Organismus,“ so sind dieſs nach der teleologischen Ansicht Erklärungen. Denn da durch diese Prozesse der schädliche Stoff wirk- lich entfernt wird, so ist der Prozeſs, wodurch dieſs ge- schieht, ein zweckmäſsiger, und da die Grundkraft des Organismus nach bestimmten Zwecken wirkt, so kann sie entweder unmittelbar diese Prozesse veranlassen, oder auch andere Kräfte der Materie zu Hülfe nehmen, doch so, daſs sie immer das primum movens bleibt. Nach der physi- kalischen Ansicht dagegen ist dieſs eben so wenig eine Erklärung, als wenn man sagte, die Bewegung der Erde um die Sonne ist das Bestreben der dem Planetensystem zu Grunde liegenden Kraft auf den Planeten einen Wechsel der Jahreszeiten hervorzubringen, oder wenn man sagte: Ebbe und Fluth ist die Reaktion des Erdorganismus gegen den Mond.
In der Physik sind alle ähnliche, aus einer teleologi- schen Ansicht der Natur hervorgehenden Erklärungen, z. B. der horror vacui u. dgl. längst verbannt. In der lebenden Natur dagegen tritt die Zweckmäſsigkeit und zwar die in- dividuelle Zweckmäſsigkeit so stark hervor, daſs es schwer wird, sich aller teleologischen Erklärungen zu entschlagen. Man muſs indessen bedenken, daſs solche Erklärungen, wodurch zugleich Alles und Nichts erklärt wird, nur die letzten Auskunftsmittel sein dürfen, wenn gar keine andere Ansicht möglich ist, und eine solche Nothwendigkeit zur Annahme der teleologischen Ansicht liegt bei den Orga- nismen nicht vor. Die Zweckmäſsigkeit in den Organismen
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Man kann die erste Ansicht über die Grundkräfte der
Organismen die teleologische, die zweite die physi-
kalische Ansicht nennen. Es ist für die Physiologie
von der gröſsten Bedeutung, welcher von beiden Ansichten
man folgt, wie sich leicht aus einem Beispiel ergibt. De-
finirt man z. B. die Entzündung und Eiterung als das Be-
streben des Organismus einen etwa von auſsen eingedrun-
genen fremden Körper hinaus zu schaffen, oder das Fieber
als das Bestreben des Organismus einen Krankheitsstoff zu
eliminiren, beides als Folge der „Autokratie des Organismus,“
so sind dieſs nach der teleologischen Ansicht Erklärungen.
Denn da durch diese Prozesse der schädliche Stoff wirk-
lich entfernt wird, so ist der Prozeſs, wodurch dieſs ge-
schieht, ein zweckmäſsiger, und da die Grundkraft des
Organismus nach bestimmten Zwecken wirkt, so kann sie
entweder unmittelbar diese Prozesse veranlassen, oder auch
andere Kräfte der Materie zu Hülfe nehmen, doch so, daſs
sie immer das primum movens bleibt. Nach der physi-
kalischen Ansicht dagegen ist dieſs eben so wenig eine
Erklärung, als wenn man sagte, die Bewegung der Erde
um die Sonne ist das Bestreben der dem Planetensystem
zu Grunde liegenden Kraft auf den Planeten einen Wechsel
der Jahreszeiten hervorzubringen, oder wenn man sagte:
Ebbe und Fluth ist die Reaktion des Erdorganismus gegen
den Mond.
In der Physik sind alle ähnliche, aus einer teleologi-
schen Ansicht der Natur hervorgehenden Erklärungen, z. B.
der horror vacui u. dgl. längst verbannt. In der lebenden
Natur dagegen tritt die Zweckmäſsigkeit und zwar die in-
dividuelle Zweckmäſsigkeit so stark hervor, daſs es schwer
wird, sich aller teleologischen Erklärungen zu entschlagen.
Man muſs indessen bedenken, daſs solche Erklärungen,
wodurch zugleich Alles und Nichts erklärt wird, nur die
letzten Auskunftsmittel sein dürfen, wenn gar keine andere
Ansicht möglich ist, und eine solche Nothwendigkeit zur
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nismen nicht vor. Die Zweckmäſsigkeit in den Organismen
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/247>, abgerufen am 24.11.2024.
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