Die Entwicklung des Satzes, dass es ein allgemeines Bildungsprinzip für alle organischen Produktionen gibt, und dass die Zellenbildung dieses Bildungsprinzip ist, und die aus diesem Satze hervorgehenden Folgerungen kann man mit dem Namen der Zellentheorie im weitern Sinne belegen, während wir im engern Sinne unter Theo- rie der Zellen dasjenige verstehen, was sich aus diesem Satze über die, diesen Erscheinungen zu Grunde liegenden Kräfte schliessen lässt.
Wenn nun aber auch dieses Prinzip als unmittelbares Resultat der mehr oder weniger vollständigen Beobachtun- gen als im Allgemeinen richtig hingestellt werden kann, so darf man sich doch einzelne Ausnahmen, oder wenig- stens bis jetzt unerklärte Verschiedenheiten nicht verheh- len. Dahin gehört z. B. die Zerfaserung der Zellenwände im Innern der Chorda dorsalis der Knochenfische, von der oben pag. 16 die Rede war. Ferner haben mehrere Be- obachter schon auf die faserige Struktur der festen Sub- stanz einiger Knorpel aufmerksam gemacht. Man sieht z. B. in den Rippenknorpeln alter Leute diese Fasern sehr deutlich; jedoch scheinen sie nicht gleichmässig durch den Knorpel vertheilt, sondern nur stellenweise vorhanden zu sein; bei neugebornen Kindern sah ich sie gar nicht. Es sieht so aus, als ob hier eine Zerfaserung des vorher struk- turlosen Cytoblastems statt fände; doch habe ich keine nä- heren Untersuchungen darüber angestellt. Auch die Bil- dung der Markkanälchen in den Knochen ist durch die Beobachtung noch nicht anfgeklärt, und es wurde nur hy- pothetisch ihre analoge Entstehungsweise mit den Kapillar- gefässen vermuthet. Die Bildung der Knochenlamellen um diese Kanälchen ist auch eine Erscheinung, wo das Cy- toblastem eine bestimmte Form annimmt. Wir werden in- dessen unten auf eine nicht unwahrscheinliche Erklärung dieses Phänomens zurückkommen. Bei mehreren Drüsen, z. B. bei den Nieren eines jungen Säugethierfötus, ist die das Lumen des Drüsenkanälchens zunächst umgebende Zel- lenschicht von einer äusserst zarten Membran umgeben
Die Entwicklung des Satzes, daſs es ein allgemeines Bildungsprinzip für alle organischen Produktionen gibt, und daſs die Zellenbildung dieses Bildungsprinzip ist, und die aus diesem Satze hervorgehenden Folgerungen kann man mit dem Namen der Zellentheorie im weitern Sinne belegen, während wir im engern Sinne unter Theo- rie der Zellen dasjenige verstehen, was sich aus diesem Satze über die, diesen Erscheinungen zu Grunde liegenden Kräfte schlieſsen läſst.
Wenn nun aber auch dieses Prinzip als unmittelbares Resultat der mehr oder weniger vollständigen Beobachtun- gen als im Allgemeinen richtig hingestellt werden kann, so darf man sich doch einzelne Ausnahmen, oder wenig- stens bis jetzt unerklärte Verschiedenheiten nicht verheh- len. Dahin gehört z. B. die Zerfaserung der Zellenwände im Innern der Chorda dorsalis der Knochenfische, von der oben pag. 16 die Rede war. Ferner haben mehrere Be- obachter schon auf die faserige Struktur der festen Sub- stanz einiger Knorpel aufmerksam gemacht. Man sieht z. B. in den Rippenknorpeln alter Leute diese Fasern sehr deutlich; jedoch scheinen sie nicht gleichmäſsig durch den Knorpel vertheilt, sondern nur stellenweise vorhanden zu sein; bei neugebornen Kindern sah ich sie gar nicht. Es sieht so aus, als ob hier eine Zerfaserung des vorher struk- turlosen Cytoblastems statt fände; doch habe ich keine nä- heren Untersuchungen darüber angestellt. Auch die Bil- dung der Markkanälchen in den Knochen ist durch die Beobachtung noch nicht anfgeklärt, und es wurde nur hy- pothetisch ihre analoge Entstehungsweise mit den Kapillar- gefässen vermuthet. Die Bildung der Knochenlamellen um diese Kanälchen ist auch eine Erscheinung, wo das Cy- toblastem eine bestimmte Form annimmt. Wir werden in- dessen unten auf eine nicht unwahrscheinliche Erklärung dieses Phänomens zurückkommen. Bei mehreren Drüsen, z. B. bei den Nieren eines jungen Säugethierfötus, ist die das Lumen des Drüsenkanälchens zunächst umgebende Zel- lenschicht von einer äuſserst zarten Membran umgeben
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[197/0221]
Die Entwicklung des Satzes, daſs es ein allgemeines
Bildungsprinzip für alle organischen Produktionen gibt,
und daſs die Zellenbildung dieses Bildungsprinzip ist, und
die aus diesem Satze hervorgehenden Folgerungen kann
man mit dem Namen der Zellentheorie im weitern
Sinne belegen, während wir im engern Sinne unter Theo-
rie der Zellen dasjenige verstehen, was sich aus diesem
Satze über die, diesen Erscheinungen zu Grunde liegenden
Kräfte schlieſsen läſst.
Wenn nun aber auch dieses Prinzip als unmittelbares
Resultat der mehr oder weniger vollständigen Beobachtun-
gen als im Allgemeinen richtig hingestellt werden kann,
so darf man sich doch einzelne Ausnahmen, oder wenig-
stens bis jetzt unerklärte Verschiedenheiten nicht verheh-
len. Dahin gehört z. B. die Zerfaserung der Zellenwände
im Innern der Chorda dorsalis der Knochenfische, von der
oben pag. 16 die Rede war. Ferner haben mehrere Be-
obachter schon auf die faserige Struktur der festen Sub-
stanz einiger Knorpel aufmerksam gemacht. Man sieht
z. B. in den Rippenknorpeln alter Leute diese Fasern sehr
deutlich; jedoch scheinen sie nicht gleichmäſsig durch den
Knorpel vertheilt, sondern nur stellenweise vorhanden zu
sein; bei neugebornen Kindern sah ich sie gar nicht. Es
sieht so aus, als ob hier eine Zerfaserung des vorher struk-
turlosen Cytoblastems statt fände; doch habe ich keine nä-
heren Untersuchungen darüber angestellt. Auch die Bil-
dung der Markkanälchen in den Knochen ist durch die
Beobachtung noch nicht anfgeklärt, und es wurde nur hy-
pothetisch ihre analoge Entstehungsweise mit den Kapillar-
gefässen vermuthet. Die Bildung der Knochenlamellen
um diese Kanälchen ist auch eine Erscheinung, wo das Cy-
toblastem eine bestimmte Form annimmt. Wir werden in-
dessen unten auf eine nicht unwahrscheinliche Erklärung
dieses Phänomens zurückkommen. Bei mehreren Drüsen,
z. B. bei den Nieren eines jungen Säugethierfötus, ist die
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/221>, abgerufen am 24.11.2024.
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