sprechen. Zu der entgegengesetzten Ansicht könnte man dadurch kommen, dass sie oft keine Spur von Längsstreifung zeigen und vielleicht meistens gar keine feinern Primitiv- fasern oder nur unvollkommen ausgebildete enthalten. Sie bleiben in diesem Punkte auf einer tiefern Entwicklungs- stufe stehen, als die willkürlichen Muskelfasern. Für die Kontraktion der Muskeln ist vielleicht nur die eigenthüm- liche sekundäre Ablagerung auf der Zellenmembran der sekundären Muskelzelle wesentlich, nicht der Umstand, dass diese Substanz noch aus feinen Längsfasern besteht.
Um die Untersuchung über die Entstehung der Mus- keln kurz zu wiederholen, so lässt sich der Process in Folgendem zusammenfassen: Es sind zuerst runde, mit einem platten Kern versehene Zellen da, die primären Muskelzellen. Diese legen sich in Längslinien neben ein- ander; die in einer Linie zusammengereihten Zellen ver- schmelzen an den Berührungsstellen mit einander, dann werden die Scheidewände, wodurch die verschiedenen Zel- lenhöhlen der verschmolzenen Zellen getrennt wurden, re- sorbirt, und so entsteht ein hohler, an seinen Enden ge- schlossener Cylinder, die sekundäre Muskelzelle, in wel- chem noch die Kerne der einzelnen Zellen, aus denen die sekundäre Zelle entstanden ist, enthalten sind und nahe zusammen meistens an der Wand der Zelle liegen. Diese sekundäre Zelle verhält sich nun wie eine einfache Zelle. Sie dehnt sich in ihrer ganzen Länge aus, wodurch die Kerne weiter aus einander rücken und zuweilen selbst ebenfalls in derselben Richtung sich verlängern. Zugleich tritt an der innern Fläche des Cylinders eine Ablagerung einer eigenthümlichen Substanz, der eigenthümlichen Mus- kelsubstanz, ein, wodurch die Höhle des Cylinders verengt wird. Allmählig wird sie dadurch ganz ausgefüllt. Die Zellenkerne liegen nach aussen von dieser Substanz zwi- schen ihr und der Zellenmembran der sekundären Mus- kelzelle. Die abgelagerte Substanz erscheint bei willkühr- lichen Muskeln um so deutlicher aus Längsfasern zusam- mengesetzt, je älter der Fötus ist, und in demselben Ver-
sprechen. Zu der entgegengesetzten Ansicht könnte man dadurch kommen, daſs sie oft keine Spur von Längsstreifung zeigen und vielleicht meistens gar keine feinern Primitiv- fasern oder nur unvollkommen ausgebildete enthalten. Sie bleiben in diesem Punkte auf einer tiefern Entwicklungs- stufe stehen, als die willkürlichen Muskelfasern. Für die Kontraktion der Muskeln ist vielleicht nur die eigenthüm- liche sekundäre Ablagerung auf der Zellenmembran der sekundären Muskelzelle wesentlich, nicht der Umstand, daſs diese Substanz noch aus feinen Längsfasern besteht.
Um die Untersuchung über die Entstehung der Mus- keln kurz zu wiederholen, so läſst sich der Proceſs in Folgendem zusammenfassen: Es sind zuerst runde, mit einem platten Kern versehene Zellen da, die primären Muskelzellen. Diese legen sich in Längslinien neben ein- ander; die in einer Linie zusammengereihten Zellen ver- schmelzen an den Berührungsstellen mit einander, dann werden die Scheidewände, wodurch die verschiedenen Zel- lenhöhlen der verschmolzenen Zellen getrennt wurden, re- sorbirt, und so entsteht ein hohler, an seinen Enden ge- schlossener Cylinder, die sekundäre Muskelzelle, in wel- chem noch die Kerne der einzelnen Zellen, aus denen die sekundäre Zelle entstanden ist, enthalten sind und nahe zusammen meistens an der Wand der Zelle liegen. Diese sekundäre Zelle verhält sich nun wie eine einfache Zelle. Sie dehnt sich in ihrer ganzen Länge aus, wodurch die Kerne weiter aus einander rücken und zuweilen selbst ebenfalls in derselben Richtung sich verlängern. Zugleich tritt an der innern Fläche des Cylinders eine Ablagerung einer eigenthümlichen Substanz, der eigenthümlichen Mus- kelsubstanz, ein, wodurch die Höhle des Cylinders verengt wird. Allmählig wird sie dadurch ganz ausgefüllt. Die Zellenkerne liegen nach auſsen von dieser Substanz zwi- schen ihr und der Zellenmembran der sekundären Mus- kelzelle. Die abgelagerte Substanz erscheint bei willkühr- lichen Muskeln um so deutlicher aus Längsfasern zusam- mengesetzt, je älter der Fötus ist, und in demselben Ver-
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sprechen. Zu der entgegengesetzten Ansicht könnte man
dadurch kommen, daſs sie oft keine Spur von Längsstreifung
zeigen und vielleicht meistens gar keine feinern Primitiv-
fasern oder nur unvollkommen ausgebildete enthalten. Sie
bleiben in diesem Punkte auf einer tiefern Entwicklungs-
stufe stehen, als die willkürlichen Muskelfasern. Für die
Kontraktion der Muskeln ist vielleicht nur die eigenthüm-
liche sekundäre Ablagerung auf der Zellenmembran der
sekundären Muskelzelle wesentlich, nicht der Umstand,
daſs diese Substanz noch aus feinen Längsfasern besteht.
Um die Untersuchung über die Entstehung der Mus-
keln kurz zu wiederholen, so läſst sich der Proceſs in
Folgendem zusammenfassen: Es sind zuerst runde, mit
einem platten Kern versehene Zellen da, die primären
Muskelzellen. Diese legen sich in Längslinien neben ein-
ander; die in einer Linie zusammengereihten Zellen ver-
schmelzen an den Berührungsstellen mit einander, dann
werden die Scheidewände, wodurch die verschiedenen Zel-
lenhöhlen der verschmolzenen Zellen getrennt wurden, re-
sorbirt, und so entsteht ein hohler, an seinen Enden ge-
schlossener Cylinder, die sekundäre Muskelzelle, in wel-
chem noch die Kerne der einzelnen Zellen, aus denen die
sekundäre Zelle entstanden ist, enthalten sind und nahe
zusammen meistens an der Wand der Zelle liegen. Diese
sekundäre Zelle verhält sich nun wie eine einfache Zelle.
Sie dehnt sich in ihrer ganzen Länge aus, wodurch die
Kerne weiter aus einander rücken und zuweilen selbst
ebenfalls in derselben Richtung sich verlängern. Zugleich
tritt an der innern Fläche des Cylinders eine Ablagerung
einer eigenthümlichen Substanz, der eigenthümlichen Mus-
kelsubstanz, ein, wodurch die Höhle des Cylinders verengt
wird. Allmählig wird sie dadurch ganz ausgefüllt. Die
Zellenkerne liegen nach auſsen von dieser Substanz zwi-
schen ihr und der Zellenmembran der sekundären Mus-
kelzelle. Die abgelagerte Substanz erscheint bei willkühr-
lichen Muskeln um so deutlicher aus Längsfasern zusam-
mengesetzt, je älter der Fötus ist, und in demselben Ver-
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/192>, abgerufen am 24.11.2024.
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