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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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Fremdlinge?" fragte Iphigenia traurig. -- "Griechen,"
erwiederte der Hirt; "weiter wissen wir nichts, als daß
der eine von ihnen Pylades heißt, und daß sie unsre
Gefangenen sind." -- "Laßt hören," fragte die Prie¬
sterin weiter, "wo geschah's, und wie singet ihr sie?"
-- "Wir badeten eben," erzählte der Hirt, "unsre Rin¬
der im Meere, und warfen eins ums andere in das Wasser,
das strömend durch die Felsen fällt, welche man die
Symplejaden heißt. Es findet sich dort ein hohler, durch¬
brochener, stets vom Wasser beschäumter Felssturz,
eine Grotte für die Schneckenfischer. Hier gewahrte
ein Hirte von unsrer Schaar ein paar Jünglingsgestal¬
ten, und sie kamen ihm so schön vor, daß er sie für
Götter hielt, und vor ihnen niederfallen wollte. Ein
anderer aber, der neben ihm stand, ein frecher ungläu¬
biger Mensch, war nicht so thöricht; er lachte, als er
seinen Kameraden die Knie beugen sah, und sprach:
"Siehest du denn nicht, daß es schiffbrüchige Seeleute
sind, die sich in jene Felsenkluft gelagert haben, um sich
zu verbergen, weil sie voll Angst von dem Gebrauche
gehört haben, daß wir hier zu Lande die Fremden,
die an unsern Strand gerathen, zu opfern pflegen!"
Diese Rede gefiel der Mehrzahl, und wir schickten uns
an, Jagd auf die Opfer zu machen. Da trat der eine
der Fremdlinge zu der Felskluft heraus, schüttelte sein
Haupt und warf es wild umher, Arme und Hände
schlotterten ihm; laut aufstöhnend, vom Wahnsinne ge¬
packt, rief er: ""Pylades, Pylades! siehest du dort
nicht die schwarze Jägerin, den Drachen aus dem Ha¬
des, wie sie mich zu morden begehrt, wie sie mit den
wilden Schlangen züngelnd auf mich zufährt? Und das

Fremdlinge?“ fragte Iphigenia traurig. — „Griechen,“
erwiederte der Hirt; „weiter wiſſen wir nichts, als daß
der eine von ihnen Pylades heißt, und daß ſie unſre
Gefangenen ſind.“ — „Laßt hören,“ fragte die Prie¬
ſterin weiter, „wo geſchah's, und wie ſinget ihr ſie?“
— „Wir badeten eben,“ erzählte der Hirt, „unſre Rin¬
der im Meere, und warfen eins ums andere in das Waſſer,
das ſtrömend durch die Felſen fällt, welche man die
Symplejaden heißt. Es findet ſich dort ein hohler, durch¬
brochener, ſtets vom Waſſer beſchäumter Felsſturz,
eine Grotte für die Schneckenfiſcher. Hier gewahrte
ein Hirte von unſrer Schaar ein paar Jünglingsgeſtal¬
ten, und ſie kamen ihm ſo ſchön vor, daß er ſie für
Götter hielt, und vor ihnen niederfallen wollte. Ein
anderer aber, der neben ihm ſtand, ein frecher ungläu¬
biger Menſch, war nicht ſo thöricht; er lachte, als er
ſeinen Kameraden die Knie beugen ſah, und ſprach:
„Sieheſt du denn nicht, daß es ſchiffbrüchige Seeleute
ſind, die ſich in jene Felſenkluft gelagert haben, um ſich
zu verbergen, weil ſie voll Angſt von dem Gebrauche
gehört haben, daß wir hier zu Lande die Fremden,
die an unſern Strand gerathen, zu opfern pflegen!“
Dieſe Rede gefiel der Mehrzahl, und wir ſchickten uns
an, Jagd auf die Opfer zu machen. Da trat der eine
der Fremdlinge zu der Felskluft heraus, ſchüttelte ſein
Haupt und warf es wild umher, Arme und Hände
ſchlotterten ihm; laut aufſtöhnend, vom Wahnſinne ge¬
packt, rief er: „„Pylades, Pylades! ſieheſt du dort
nicht die ſchwarze Jägerin, den Drachen aus dem Ha¬
des, wie ſie mich zu morden begehrt, wie ſie mit den
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[48/0070] Fremdlinge?“ fragte Iphigenia traurig. — „Griechen,“ erwiederte der Hirt; „weiter wiſſen wir nichts, als daß der eine von ihnen Pylades heißt, und daß ſie unſre Gefangenen ſind.“ — „Laßt hören,“ fragte die Prie¬ ſterin weiter, „wo geſchah's, und wie ſinget ihr ſie?“ — „Wir badeten eben,“ erzählte der Hirt, „unſre Rin¬ der im Meere, und warfen eins ums andere in das Waſſer, das ſtrömend durch die Felſen fällt, welche man die Symplejaden heißt. Es findet ſich dort ein hohler, durch¬ brochener, ſtets vom Waſſer beſchäumter Felsſturz, eine Grotte für die Schneckenfiſcher. Hier gewahrte ein Hirte von unſrer Schaar ein paar Jünglingsgeſtal¬ ten, und ſie kamen ihm ſo ſchön vor, daß er ſie für Götter hielt, und vor ihnen niederfallen wollte. Ein anderer aber, der neben ihm ſtand, ein frecher ungläu¬ biger Menſch, war nicht ſo thöricht; er lachte, als er ſeinen Kameraden die Knie beugen ſah, und ſprach: „Sieheſt du denn nicht, daß es ſchiffbrüchige Seeleute ſind, die ſich in jene Felſenkluft gelagert haben, um ſich zu verbergen, weil ſie voll Angſt von dem Gebrauche gehört haben, daß wir hier zu Lande die Fremden, die an unſern Strand gerathen, zu opfern pflegen!“ Dieſe Rede gefiel der Mehrzahl, und wir ſchickten uns an, Jagd auf die Opfer zu machen. Da trat der eine der Fremdlinge zu der Felskluft heraus, ſchüttelte ſein Haupt und warf es wild umher, Arme und Hände ſchlotterten ihm; laut aufſtöhnend, vom Wahnſinne ge¬ packt, rief er: „„Pylades, Pylades! ſieheſt du dort nicht die ſchwarze Jägerin, den Drachen aus dem Ha¬ des, wie ſie mich zu morden begehrt, wie ſie mit den wilden Schlangen züngelnd auf mich zufährt? Und das

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/70>, abgerufen am 21.11.2024.