in Wuth versetzt, warf sich jetzt vor die Altäre, und flehte mit rückwärts gehobenen Händen zum Himmel empor: "Allmächtiger Zeus, dem die maurischen Völker alle dienen, siehest du das und sendest deinen Blitz nicht? Ein landflüchtiges Weib, das für Geld sich ein Städt¬ chen gegründet hat, der ich in meinem Gebiete das Ufer zum Pflügen, das Land zum Beherrschen verliehen habe, ein solches Weib hat trotzig meine Hand verschmäht, ergibt sich dem glatten Trojaner und läßt den Weichling meines Raubes genießen? Und wir sind solche Thoren, und hören nicht auf, in deinen Tempel dir Geschenke darzubringen, und glauben an deine Weltregierung!"
So betete er und faßte seines Vaters Altar. Ju¬ piter hörte ihn, und richtete seinen Blick vom Olymp auf Karthago. Dann berief er seinen Sohn Merkurius. "Was hat Aeneas," sprach er zornig, "im feindlichen Lande zu schaffen? Nicht dazu habe ich ihn zweimal den Waffen der Griechen, und so oft den Stürmen entrissen. Rom soll er mir gründen! Auf der Stelle soll er da¬ von schiffen, ich will's! und das sollst du ihm von mir verkünden," Wie ein Vogel durcheilte der Gott mit seinen fliegenden Sohlen die Luft; bald war er in Karthago, und fand hier den Helden Aeneas, wie er eben den Bau neuer Paläste überwachte. Sein Schwert funkelte von Edelsteinen; sein Mantel, den Dido selbst gefertigt, glühte von Purpur; er glich vom Kopf bis zur Sohle einem tyrischen Fürsten, und nicht mehr einem Trojaner. Da stellte sich Merkur, allen Andern unsicht¬ bar, neben ihn, und schalt ihm ins Ohr: "Weibersklave, hier stehest du, deiner Bestimmung und deines Reiches vergessend, und bauest einer Fremden die Stadt! Weißest
in Wuth verſetzt, warf ſich jetzt vor die Altäre, und flehte mit rückwärts gehobenen Händen zum Himmel empor: „Allmächtiger Zeus, dem die mauriſchen Völker alle dienen, ſieheſt du das und ſendeſt deinen Blitz nicht? Ein landflüchtiges Weib, das für Geld ſich ein Städt¬ chen gegründet hat, der ich in meinem Gebiete das Ufer zum Pflügen, das Land zum Beherrſchen verliehen habe, ein ſolches Weib hat trotzig meine Hand verſchmäht, ergibt ſich dem glatten Trojaner und läßt den Weichling meines Raubes genießen? Und wir ſind ſolche Thoren, und hören nicht auf, in deinen Tempel dir Geſchenke darzubringen, und glauben an deine Weltregierung!“
So betete er und faßte ſeines Vaters Altar. Ju¬ piter hörte ihn, und richtete ſeinen Blick vom Olymp auf Karthago. Dann berief er ſeinen Sohn Merkurius. „Was hat Aeneas,“ ſprach er zornig, „im feindlichen Lande zu ſchaffen? Nicht dazu habe ich ihn zweimal den Waffen der Griechen, und ſo oft den Stürmen entriſſen. Rom ſoll er mir gründen! Auf der Stelle ſoll er da¬ von ſchiffen, ich will's! und das ſollſt du ihm von mir verkünden,“ Wie ein Vogel durcheilte der Gott mit ſeinen fliegenden Sohlen die Luft; bald war er in Karthago, und fand hier den Helden Aeneas, wie er eben den Bau neuer Paläſte überwachte. Sein Schwert funkelte von Edelſteinen; ſein Mantel, den Dido ſelbſt gefertigt, glühte von Purpur; er glich vom Kopf bis zur Sohle einem tyriſchen Fürſten, und nicht mehr einem Trojaner. Da ſtellte ſich Merkur, allen Andern unſicht¬ bar, neben ihn, und ſchalt ihm ins Ohr: „Weiberſklave, hier ſteheſt du, deiner Beſtimmung und deines Reiches vergeſſend, und baueſt einer Fremden die Stadt! Weißeſt
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in Wuth verſetzt, warf ſich jetzt vor die Altäre, und
flehte mit rückwärts gehobenen Händen zum Himmel
empor: „Allmächtiger Zeus, dem die mauriſchen Völker
alle dienen, ſieheſt du das und ſendeſt deinen Blitz nicht?
Ein landflüchtiges Weib, das für Geld ſich ein Städt¬
chen gegründet hat, der ich in meinem Gebiete das Ufer
zum Pflügen, das Land zum Beherrſchen verliehen habe,
ein ſolches Weib hat trotzig meine Hand verſchmäht,
ergibt ſich dem glatten Trojaner und läßt den Weichling
meines Raubes genießen? Und wir ſind ſolche Thoren,
und hören nicht auf, in deinen Tempel dir Geſchenke
darzubringen, und glauben an deine Weltregierung!“
So betete er und faßte ſeines Vaters Altar. Ju¬
piter hörte ihn, und richtete ſeinen Blick vom Olymp
auf Karthago. Dann berief er ſeinen Sohn Merkurius.
„Was hat Aeneas,“ ſprach er zornig, „im feindlichen
Lande zu ſchaffen? Nicht dazu habe ich ihn zweimal den
Waffen der Griechen, und ſo oft den Stürmen entriſſen.
Rom ſoll er mir gründen! Auf der Stelle ſoll er da¬
von ſchiffen, ich will's! und das ſollſt du ihm von mir
verkünden,“ Wie ein Vogel durcheilte der Gott mit
ſeinen fliegenden Sohlen die Luft; bald war er in
Karthago, und fand hier den Helden Aeneas, wie er
eben den Bau neuer Paläſte überwachte. Sein Schwert
funkelte von Edelſteinen; ſein Mantel, den Dido ſelbſt
gefertigt, glühte von Purpur; er glich vom Kopf bis
zur Sohle einem tyriſchen Fürſten, und nicht mehr einem
Trojaner. Da ſtellte ſich Merkur, allen Andern unſicht¬
bar, neben ihn, und ſchalt ihm ins Ohr: „Weiberſklave,
hier ſteheſt du, deiner Beſtimmung und deines Reiches
vergeſſend, und baueſt einer Fremden die Stadt! Weißeſt
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/358>, abgerufen am 22.11.2024.
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