euch der Dienst, den ihr uns erweiset, niemals gereuen. Darum gestattet uns, die lecken Schiffe ans Land zu ziehen, in euren Wäldern Schiffsbalken zu zimmern und Ruder zu verfertigen. Finden wir unsern König und unsre Freunde wieder, dann dürfte uns wohl die Fahrt nach dem verheißenen Italien glücken. Hat aber ihn die libysche Fluth verschlungen, und ist unsere Hoffnung dahin, nun dann gib uns wenigstens sicheres Geleite, mächtige Königin, daß wir zu unserem Gastfreunde am sicilischen Strande, von dem wir herkommen, wieder zu¬ rückkehren können."
Die Königin senkte vor den Männern den Blick auf die Erde und antwortete kurz: "Verbannet die Angst aus euren Herzen, Trojaner, mein Schicksal ist so hart, mein Reich ist so jung, daß ich genöthigt bin, die Gränzen des Landes ringsumher durch strenge Wachen sicher zu stellen. Troja's Stadt aber und ihr unglück¬ liches Volk, ihre Helden, ihren Waffenruhm, ihre fürch¬ terliche Zerstörung kennen wir gar wohl. Unsre Stadt ist nicht so abgelegen, daß sie nichts von ihrem Schick¬ sale wüßte; unsre Herzen sind nicht so unempfindlich, daß es uns nicht rührte. Möget ihr euch denn Hesperien zum Wohnsitz erwählen, oder Siciliens Insel: in beiden Fällen getröstet euch meiner Hülfe, ich will euch mit allem Nöthigen versehen, und in Frieden ziehen lassen; es wäre denn, daß ihr euch lieber hier im Lande an¬ siedeln wolltet! Wollet ihr das, so steht euch frei, eine Stadt zu gründen, und meine Gesetze sollen euch densel¬ ben Schutz verleihen, wie meinen eigenen Unterthanen. Was euren König betrifft, so sende ich auf der Stelle sichere Männer an meine Ufer und im Lande umher,
euch der Dienſt, den ihr uns erweiſet, niemals gereuen. Darum geſtattet uns, die lecken Schiffe ans Land zu ziehen, in euren Wäldern Schiffsbalken zu zimmern und Ruder zu verfertigen. Finden wir unſern König und unſre Freunde wieder, dann dürfte uns wohl die Fahrt nach dem verheißenen Italien glücken. Hat aber ihn die libyſche Fluth verſchlungen, und iſt unſere Hoffnung dahin, nun dann gib uns wenigſtens ſicheres Geleite, mächtige Königin, daß wir zu unſerem Gaſtfreunde am ſiciliſchen Strande, von dem wir herkommen, wieder zu¬ rückkehren können.“
Die Königin ſenkte vor den Männern den Blick auf die Erde und antwortete kurz: „Verbannet die Angſt aus euren Herzen, Trojaner, mein Schickſal iſt ſo hart, mein Reich iſt ſo jung, daß ich genöthigt bin, die Gränzen des Landes ringsumher durch ſtrenge Wachen ſicher zu ſtellen. Troja's Stadt aber und ihr unglück¬ liches Volk, ihre Helden, ihren Waffenruhm, ihre fürch¬ terliche Zerſtörung kennen wir gar wohl. Unſre Stadt iſt nicht ſo abgelegen, daß ſie nichts von ihrem Schick¬ ſale wüßte; unſre Herzen ſind nicht ſo unempfindlich, daß es uns nicht rührte. Möget ihr euch denn Hesperien zum Wohnſitz erwählen, oder Siciliens Inſel: in beiden Fällen getröſtet euch meiner Hülfe, ich will euch mit allem Nöthigen verſehen, und in Frieden ziehen laſſen; es wäre denn, daß ihr euch lieber hier im Lande an¬ ſiedeln wolltet! Wollet ihr das, ſo ſteht euch frei, eine Stadt zu gründen, und meine Geſetze ſollen euch denſel¬ ben Schutz verleihen, wie meinen eigenen Unterthanen. Was euren König betrifft, ſo ſende ich auf der Stelle ſichere Männer an meine Ufer und im Lande umher,
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euch der Dienſt, den ihr uns erweiſet, niemals gereuen.
Darum geſtattet uns, die lecken Schiffe ans Land zu
ziehen, in euren Wäldern Schiffsbalken zu zimmern und
Ruder zu verfertigen. Finden wir unſern König und
unſre Freunde wieder, dann dürfte uns wohl die Fahrt
nach dem verheißenen Italien glücken. Hat aber ihn
die libyſche Fluth verſchlungen, und iſt unſere Hoffnung
dahin, nun dann gib uns wenigſtens ſicheres Geleite,
mächtige Königin, daß wir zu unſerem Gaſtfreunde am
ſiciliſchen Strande, von dem wir herkommen, wieder zu¬
rückkehren können.“
Die Königin ſenkte vor den Männern den Blick
auf die Erde und antwortete kurz: „Verbannet die Angſt
aus euren Herzen, Trojaner, mein Schickſal iſt ſo hart,
mein Reich iſt ſo jung, daß ich genöthigt bin, die
Gränzen des Landes ringsumher durch ſtrenge Wachen
ſicher zu ſtellen. Troja's Stadt aber und ihr unglück¬
liches Volk, ihre Helden, ihren Waffenruhm, ihre fürch¬
terliche Zerſtörung kennen wir gar wohl. Unſre Stadt
iſt nicht ſo abgelegen, daß ſie nichts von ihrem Schick¬
ſale wüßte; unſre Herzen ſind nicht ſo unempfindlich,
daß es uns nicht rührte. Möget ihr euch denn Hesperien
zum Wohnſitz erwählen, oder Siciliens Inſel: in beiden
Fällen getröſtet euch meiner Hülfe, ich will euch mit
allem Nöthigen verſehen, und in Frieden ziehen laſſen;
es wäre denn, daß ihr euch lieber hier im Lande an¬
ſiedeln wolltet! Wollet ihr das, ſo ſteht euch frei, eine
Stadt zu gründen, und meine Geſetze ſollen euch denſel¬
ben Schutz verleihen, wie meinen eigenen Unterthanen.
Was euren König betrifft, ſo ſende ich auf der Stelle
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/346>, abgerufen am 22.11.2024.
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