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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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ferner zu richten hätten, und welches Ziel ihrer Noth
bestimmt sey. Diesem Rathe trat das gesammte Volk
bei, und sie beschloßen, alles bewegliche Eigenthum auf
die Schiffe zurückzubringen, sobald dieses geschehen sey,
die Anker zu lichten, und die fast vollendete Stadt zu
verlassen.

Als alle Vorbereitungen getroffen waren, und unter
fortdauerndem Elende die letzte Nacht herankam, welche
sie unter Kreta's unglücklichem Himmel zuzubringen ge¬
dachten, lag Aeneas, müde von Sorgen, und doch schlaf¬
los, auf seinem Bette, und sein Geist brütete in der stil¬
len Finsterniß. Jetzt stellte sich ein plötzliches Gesicht
seinen Augen dar. Der Vollmond brach eben aus den
Wolken und erhellte mit seinen Strahlen die Räume sei¬
nes Schlafgemachs. Da schienen in voller Beleuchtung
hart vor dem Liegenden die heiligen Hausgötter der Troja¬
ner, die er aus dem wüthenden Feuer seiner Vaterstadt
gerettet hatte, zu stehen. Ihr Mund that sich auf, ihre
nie vernommene Stimme sprach zu ihm, und was sie
redeten, waren Worte des Trostes: "Apollo selbst," so
lautete ihre Rede, "schickt uns in deine Behausung. Du
sollst uns vertrauen: wir, die wir aus dem Brande
Troja's dir folgten, und auf deiner Flotte mit dir durch
die stürmische Meeresfluth gefahren sind, wir werden
deinem Geschlecht einen Wohnsitz finden, den Ruhm dei¬
ner Enkel verherrlichen, und ihrer Stadt die Herrschaft
der Welt verleihen. Du selbst bist dazu erkoren, deinen
großen Nachkommen diesen Sitz vorzubereiten, und darfst
deßwegen die langen Beschwerden der Flucht nicht scheuen.
Freilich, den Ort, wo du dich jetzt angesiedelt, mußt du
verlassen, nicht dieses Ufer hat der delische Apollo

ferner zu richten hätten, und welches Ziel ihrer Noth
beſtimmt ſey. Dieſem Rathe trat das geſammte Volk
bei, und ſie beſchloßen, alles bewegliche Eigenthum auf
die Schiffe zurückzubringen, ſobald dieſes geſchehen ſey,
die Anker zu lichten, und die faſt vollendete Stadt zu
verlaſſen.

Als alle Vorbereitungen getroffen waren, und unter
fortdauerndem Elende die letzte Nacht herankam, welche
ſie unter Kreta's unglücklichem Himmel zuzubringen ge¬
dachten, lag Aeneas, müde von Sorgen, und doch ſchlaf¬
los, auf ſeinem Bette, und ſein Geiſt brütete in der ſtil¬
len Finſterniß. Jetzt ſtellte ſich ein plötzliches Geſicht
ſeinen Augen dar. Der Vollmond brach eben aus den
Wolken und erhellte mit ſeinen Strahlen die Räume ſei¬
nes Schlafgemachs. Da ſchienen in voller Beleuchtung
hart vor dem Liegenden die heiligen Hausgötter der Troja¬
ner, die er aus dem wüthenden Feuer ſeiner Vaterſtadt
gerettet hatte, zu ſtehen. Ihr Mund that ſich auf, ihre
nie vernommene Stimme ſprach zu ihm, und was ſie
redeten, waren Worte des Troſtes: „Apollo ſelbſt,“ ſo
lautete ihre Rede, „ſchickt uns in deine Behauſung. Du
ſollſt uns vertrauen: wir, die wir aus dem Brande
Troja's dir folgten, und auf deiner Flotte mit dir durch
die ſtürmiſche Meeresfluth gefahren ſind, wir werden
deinem Geſchlecht einen Wohnſitz finden, den Ruhm dei¬
ner Enkel verherrlichen, und ihrer Stadt die Herrſchaft
der Welt verleihen. Du ſelbſt biſt dazu erkoren, deinen
großen Nachkommen dieſen Sitz vorzubereiten, und darfſt
deßwegen die langen Beſchwerden der Flucht nicht ſcheuen.
Freilich, den Ort, wo du dich jetzt angeſiedelt, mußt du
verlaſſen, nicht dieſes Ufer hat der deliſche Apollo

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[300/0322] ferner zu richten hätten, und welches Ziel ihrer Noth beſtimmt ſey. Dieſem Rathe trat das geſammte Volk bei, und ſie beſchloßen, alles bewegliche Eigenthum auf die Schiffe zurückzubringen, ſobald dieſes geſchehen ſey, die Anker zu lichten, und die faſt vollendete Stadt zu verlaſſen. Als alle Vorbereitungen getroffen waren, und unter fortdauerndem Elende die letzte Nacht herankam, welche ſie unter Kreta's unglücklichem Himmel zuzubringen ge¬ dachten, lag Aeneas, müde von Sorgen, und doch ſchlaf¬ los, auf ſeinem Bette, und ſein Geiſt brütete in der ſtil¬ len Finſterniß. Jetzt ſtellte ſich ein plötzliches Geſicht ſeinen Augen dar. Der Vollmond brach eben aus den Wolken und erhellte mit ſeinen Strahlen die Räume ſei¬ nes Schlafgemachs. Da ſchienen in voller Beleuchtung hart vor dem Liegenden die heiligen Hausgötter der Troja¬ ner, die er aus dem wüthenden Feuer ſeiner Vaterſtadt gerettet hatte, zu ſtehen. Ihr Mund that ſich auf, ihre nie vernommene Stimme ſprach zu ihm, und was ſie redeten, waren Worte des Troſtes: „Apollo ſelbſt,“ ſo lautete ihre Rede, „ſchickt uns in deine Behauſung. Du ſollſt uns vertrauen: wir, die wir aus dem Brande Troja's dir folgten, und auf deiner Flotte mit dir durch die ſtürmiſche Meeresfluth gefahren ſind, wir werden deinem Geſchlecht einen Wohnſitz finden, den Ruhm dei¬ ner Enkel verherrlichen, und ihrer Stadt die Herrſchaft der Welt verleihen. Du ſelbſt biſt dazu erkoren, deinen großen Nachkommen dieſen Sitz vorzubereiten, und darfſt deßwegen die langen Beſchwerden der Flucht nicht ſcheuen. Freilich, den Ort, wo du dich jetzt angeſiedelt, mußt du verlaſſen, nicht dieſes Ufer hat der deliſche Apollo

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/322>, abgerufen am 23.11.2024.