Hier suchte er für sich und die Freunde noch weitere vier Schilde, acht Lanzen und vier Helme mit wallen¬ dem Roßschweif aus. Damit waffneten sie sich, er und die beiden treuen Hirten. Die vierte Rüstung brachten sie dem Odysseus, und so standen nun alle Vier neben einander.
So lange dieser noch Pfeile hatte, streckte er mit jedem Schuß einen Freier darnieder, daß sie übereinander taumelten. Dann lehnte er den Bogen an den Thür¬ pfosten, warf sich eilig den vierfachen Schild über die Schultern, setzte sich den Helm auf's Haupt, dessen Busch fürchterlich nickte, und faßte dann zwei mächtige Lanzen. In dem Saale war noch eine Seitenpforte an¬ gebracht, die in einen Gang führte, der in die Haus¬ flur auslief. Die Oeffnung der Pforte war aber eng und faßte nur einen einzigen Mann. Dieses Pförtchen hatte Odysseus dem Eumäus zur Hut anvertraut; nun aber, da jener seine Stelle verlassen, sich zu waffnen, blieb es unbewacht. Einer von den Freiern, Agelaus, bemerkte dieses. "Wie wäre es," rief er, "Freunde, wenn wir uns durch die Seitenpforte flüchteten, und so in die Stadt gelangten, um das Volk aufzuwiegeln, dann hätte der Mann bald ausgewüthet!" "Sey kein Thor," sagte Melanthius zu ihm, der Ziegenhirt, der in der Nähe stand, und auf der Seite der Freier war, "Pforte und Gang sind so enge, daß nur ein einzelner Mann hindurch kann, und wenn sich von jenen Vieren nur Einer davor stellt, so wehrt er uns Allen. Laß lieber mich unbemerkt hinausschlüpfen, so hol' ich euch Waffen genug vom Söller." Dieß that der Ziegenhirt, und kam auf wiederholte Gänge mit zwölf Schilden, und
Hier ſuchte er für ſich und die Freunde noch weitere vier Schilde, acht Lanzen und vier Helme mit wallen¬ dem Roßſchweif aus. Damit waffneten ſie ſich, er und die beiden treuen Hirten. Die vierte Rüſtung brachten ſie dem Odyſſeus, und ſo ſtanden nun alle Vier neben einander.
So lange dieſer noch Pfeile hatte, ſtreckte er mit jedem Schuß einen Freier darnieder, daß ſie übereinander taumelten. Dann lehnte er den Bogen an den Thür¬ pfoſten, warf ſich eilig den vierfachen Schild über die Schultern, ſetzte ſich den Helm auf's Haupt, deſſen Buſch fürchterlich nickte, und faßte dann zwei mächtige Lanzen. In dem Saale war noch eine Seitenpforte an¬ gebracht, die in einen Gang führte, der in die Haus¬ flur auslief. Die Oeffnung der Pforte war aber eng und faßte nur einen einzigen Mann. Dieſes Pförtchen hatte Odyſſeus dem Eumäus zur Hut anvertraut; nun aber, da jener ſeine Stelle verlaſſen, ſich zu waffnen, blieb es unbewacht. Einer von den Freiern, Agelaus, bemerkte dieſes. „Wie wäre es,“ rief er, „Freunde, wenn wir uns durch die Seitenpforte flüchteten, und ſo in die Stadt gelangten, um das Volk aufzuwiegeln, dann hätte der Mann bald ausgewüthet!“ „Sey kein Thor,“ ſagte Melanthius zu ihm, der Ziegenhirt, der in der Nähe ſtand, und auf der Seite der Freier war, „Pforte und Gang ſind ſo enge, daß nur ein einzelner Mann hindurch kann, und wenn ſich von jenen Vieren nur Einer davor ſtellt, ſo wehrt er uns Allen. Laß lieber mich unbemerkt hinausſchlüpfen, ſo hol' ich euch Waffen genug vom Söller.“ Dieß that der Ziegenhirt, und kam auf wiederholte Gänge mit zwölf Schilden, und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0284"n="262"/>
Hier ſuchte er für ſich und die Freunde noch weitere<lb/>
vier Schilde, acht Lanzen und vier Helme mit wallen¬<lb/>
dem Roßſchweif aus. Damit waffneten ſie ſich, er und<lb/>
die beiden treuen Hirten. Die vierte Rüſtung brachten<lb/>ſie dem Odyſſeus, und ſo ſtanden nun alle Vier neben<lb/>
einander.</p><lb/><p>So lange dieſer noch Pfeile hatte, ſtreckte er mit<lb/>
jedem Schuß einen Freier darnieder, daß ſie übereinander<lb/>
taumelten. Dann lehnte er den Bogen an den Thür¬<lb/>
pfoſten, warf ſich eilig den vierfachen Schild über die<lb/>
Schultern, ſetzte ſich den Helm auf's Haupt, deſſen<lb/>
Buſch fürchterlich nickte, und faßte dann zwei mächtige<lb/>
Lanzen. In dem Saale war noch eine Seitenpforte an¬<lb/>
gebracht, die in einen Gang führte, der in die Haus¬<lb/>
flur auslief. Die Oeffnung der Pforte war aber eng<lb/>
und faßte nur einen einzigen Mann. Dieſes Pförtchen<lb/>
hatte Odyſſeus dem Eumäus zur Hut anvertraut; nun<lb/>
aber, da jener ſeine Stelle verlaſſen, ſich zu waffnen,<lb/>
blieb es unbewacht. Einer von den Freiern, Agelaus,<lb/>
bemerkte dieſes. „Wie wäre es,“ rief er, „Freunde,<lb/>
wenn wir uns durch die Seitenpforte flüchteten, und ſo<lb/>
in die Stadt gelangten, um das Volk aufzuwiegeln,<lb/>
dann hätte der Mann bald ausgewüthet!“„Sey kein<lb/>
Thor,“ſagte Melanthius zu ihm, der Ziegenhirt, der<lb/>
in der Nähe ſtand, und auf der Seite der Freier war,<lb/>„Pforte und Gang ſind ſo enge, daß nur ein einzelner<lb/>
Mann hindurch kann, und wenn ſich von jenen Vieren<lb/>
nur Einer davor ſtellt, ſo wehrt er uns Allen. Laß<lb/>
lieber mich unbemerkt hinausſchlüpfen, ſo hol' ich euch<lb/>
Waffen genug vom Söller.“ Dieß that der Ziegenhirt,<lb/>
und kam auf wiederholte Gänge mit zwölf Schilden, und<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[262/0284]
Hier ſuchte er für ſich und die Freunde noch weitere
vier Schilde, acht Lanzen und vier Helme mit wallen¬
dem Roßſchweif aus. Damit waffneten ſie ſich, er und
die beiden treuen Hirten. Die vierte Rüſtung brachten
ſie dem Odyſſeus, und ſo ſtanden nun alle Vier neben
einander.
So lange dieſer noch Pfeile hatte, ſtreckte er mit
jedem Schuß einen Freier darnieder, daß ſie übereinander
taumelten. Dann lehnte er den Bogen an den Thür¬
pfoſten, warf ſich eilig den vierfachen Schild über die
Schultern, ſetzte ſich den Helm auf's Haupt, deſſen
Buſch fürchterlich nickte, und faßte dann zwei mächtige
Lanzen. In dem Saale war noch eine Seitenpforte an¬
gebracht, die in einen Gang führte, der in die Haus¬
flur auslief. Die Oeffnung der Pforte war aber eng
und faßte nur einen einzigen Mann. Dieſes Pförtchen
hatte Odyſſeus dem Eumäus zur Hut anvertraut; nun
aber, da jener ſeine Stelle verlaſſen, ſich zu waffnen,
blieb es unbewacht. Einer von den Freiern, Agelaus,
bemerkte dieſes. „Wie wäre es,“ rief er, „Freunde,
wenn wir uns durch die Seitenpforte flüchteten, und ſo
in die Stadt gelangten, um das Volk aufzuwiegeln,
dann hätte der Mann bald ausgewüthet!“ „Sey kein
Thor,“ ſagte Melanthius zu ihm, der Ziegenhirt, der
in der Nähe ſtand, und auf der Seite der Freier war,
„Pforte und Gang ſind ſo enge, daß nur ein einzelner
Mann hindurch kann, und wenn ſich von jenen Vieren
nur Einer davor ſtellt, ſo wehrt er uns Allen. Laß
lieber mich unbemerkt hinausſchlüpfen, ſo hol' ich euch
Waffen genug vom Söller.“ Dieß that der Ziegenhirt,
und kam auf wiederholte Gänge mit zwölf Schilden, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/284>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.