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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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einen Vergleich vorschlagen. Wenn jener wirklich zurück¬
kommt, so sollst du mich mit Mantel und Leibrock nach
Dulichium entlassen, wohin mein Herz verlangt; kommt
aber dein Herr nicht heim, so hetze die Knechte gegen
mich, daß sie mich von einer Felsenspitze ins Meer stür¬
zen, damit andern Bettlern die Lust zu lügen vergeht."
"Ei, das wäre ein schöner Ruhm für mich," fiel ihm
der Sauhirt in die Rede, "wenn ich meinen Gast, den
ich in die Hütte geführt und bewirthet habe, hintendrein
erschlüge! Da könnte ich ja in meinem Leben nicht mehr
zu Jupiter beten! Doch das Abendessen wird bald her¬
ankommen, und es ist an der Zeit, daß meine Knechte
heimkehren, dann wollen wir wieder fröhlich seyn." Wirk¬
lich kamen auch bald darauf die Schweine mit ihren
Hütern herbei und wurden grunsend in die Kofen getrie¬
ben. Jetzo befahl der Hirt, ein fünfjähriges Mastschwein
zur Ehre seines Gastes zu schlachten. Ein Theil wurde
unter Gebet den Nymphen und dem Gotte Hermes ge¬
opfert, einen andern reichte er den Hütern, das beste
Rückenstück wurde seinem Gaste zu Theil, obgleich er in
seinen Augen nur ein Bettler war.

Das rührte den Odysseus in der Seele, und er
rief dankbar aus: "Möge dich, guter Eumäus, Jupiter
so lieben, wie du mich, der in solcher Gestalt zu dir
kam, geehrt hast." Der Sauhirt sprach ihm freundlich
zum Mahle zu, und während sie sich fröhlich in der
Hütte sättigten, bedeckten draußen Wolken den Mond,
der Westwind sauste, und bald ergoß sich der Regen in
Strömen. Den Helden fing es in seinen Bettlerlumpen
zu frieren an, und um den Hirten zu versuchen, ob er
in seiner Aufmerksamkeit so weit gehen würde, ihm seinen

einen Vergleich vorſchlagen. Wenn jener wirklich zurück¬
kommt, ſo ſollſt du mich mit Mantel und Leibrock nach
Dulichium entlaſſen, wohin mein Herz verlangt; kommt
aber dein Herr nicht heim, ſo hetze die Knechte gegen
mich, daß ſie mich von einer Felſenſpitze ins Meer ſtür¬
zen, damit andern Bettlern die Luſt zu lügen vergeht.“
„Ei, das wäre ein ſchöner Ruhm für mich,“ fiel ihm
der Sauhirt in die Rede, „wenn ich meinen Gaſt, den
ich in die Hütte geführt und bewirthet habe, hintendrein
erſchlüge! Da könnte ich ja in meinem Leben nicht mehr
zu Jupiter beten! Doch das Abendeſſen wird bald her¬
ankommen, und es iſt an der Zeit, daß meine Knechte
heimkehren, dann wollen wir wieder fröhlich ſeyn.“ Wirk¬
lich kamen auch bald darauf die Schweine mit ihren
Hütern herbei und wurden grunſend in die Kofen getrie¬
ben. Jetzo befahl der Hirt, ein fünfjähriges Maſtſchwein
zur Ehre ſeines Gaſtes zu ſchlachten. Ein Theil wurde
unter Gebet den Nymphen und dem Gotte Hermes ge¬
opfert, einen andern reichte er den Hütern, das beſte
Rückenſtück wurde ſeinem Gaſte zu Theil, obgleich er in
ſeinen Augen nur ein Bettler war.

Das rührte den Odyſſeus in der Seele, und er
rief dankbar aus: „Möge dich, guter Eumäus, Jupiter
ſo lieben, wie du mich, der in ſolcher Geſtalt zu dir
kam, geehrt haſt.“ Der Sauhirt ſprach ihm freundlich
zum Mahle zu, und während ſie ſich fröhlich in der
Hütte ſättigten, bedeckten draußen Wolken den Mond,
der Weſtwind ſauſte, und bald ergoß ſich der Regen in
Strömen. Den Helden fing es in ſeinen Bettlerlumpen
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[188/0210] einen Vergleich vorſchlagen. Wenn jener wirklich zurück¬ kommt, ſo ſollſt du mich mit Mantel und Leibrock nach Dulichium entlaſſen, wohin mein Herz verlangt; kommt aber dein Herr nicht heim, ſo hetze die Knechte gegen mich, daß ſie mich von einer Felſenſpitze ins Meer ſtür¬ zen, damit andern Bettlern die Luſt zu lügen vergeht.“ „Ei, das wäre ein ſchöner Ruhm für mich,“ fiel ihm der Sauhirt in die Rede, „wenn ich meinen Gaſt, den ich in die Hütte geführt und bewirthet habe, hintendrein erſchlüge! Da könnte ich ja in meinem Leben nicht mehr zu Jupiter beten! Doch das Abendeſſen wird bald her¬ ankommen, und es iſt an der Zeit, daß meine Knechte heimkehren, dann wollen wir wieder fröhlich ſeyn.“ Wirk¬ lich kamen auch bald darauf die Schweine mit ihren Hütern herbei und wurden grunſend in die Kofen getrie¬ ben. Jetzo befahl der Hirt, ein fünfjähriges Maſtſchwein zur Ehre ſeines Gaſtes zu ſchlachten. Ein Theil wurde unter Gebet den Nymphen und dem Gotte Hermes ge¬ opfert, einen andern reichte er den Hütern, das beſte Rückenſtück wurde ſeinem Gaſte zu Theil, obgleich er in ſeinen Augen nur ein Bettler war. Das rührte den Odyſſeus in der Seele, und er rief dankbar aus: „Möge dich, guter Eumäus, Jupiter ſo lieben, wie du mich, der in ſolcher Geſtalt zu dir kam, geehrt haſt.“ Der Sauhirt ſprach ihm freundlich zum Mahle zu, und während ſie ſich fröhlich in der Hütte ſättigten, bedeckten draußen Wolken den Mond, der Weſtwind ſauſte, und bald ergoß ſich der Regen in Strömen. Den Helden fing es in ſeinen Bettlerlumpen zu frieren an, und um den Hirten zu verſuchen, ob er in ſeiner Aufmerkſamkeit ſo weit gehen würde, ihm ſeinen

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/210>, abgerufen am 23.11.2024.