gleich uns Platz nehmen und erhebe ihn aus dem Staub! Die Herolde sollen neuen Wein mischen, daß wir dem Jupiter, dem Beschirmer des Gastrechts, auch noch ein Trankopfer bringen; und die Schaffnerin mag den neuen Gast mit Speise und Trank laben!"
Diese Rede gefiel dem guten König; er nahm den Helden selbst bei der Hand, erhub ihn und führte ihn zu einem Sessel an seiner eigenen Seite, indem der Lieb¬ ling des Königes selbst, sein Sohn Laodamas, ihm Platz machen mußte. Auch sonst geschah alles, wie Eche¬ neos gerathen, und Odysseus schmauste geehrt in der Mitte der Helden. Als das Opfer dem Jupiter darge¬ bracht war, erhub sich die Versammlung und der König lud alle Gäste auf den andern Tag zu einem gleichen Freudenmahle ein. Dem Fremdling aber, ohne auch nur nach seinem Namen und Geschlechte zu fragen, versprach er, nach gastlicher Beherbergung, sichere Entsendung nach der Heimath. Als er aber den Helden, den Athene noch immer mit einem Schimmer überirdischer Hoheit umgeben hatte, näher betrachtete, da setzte er noch hinzu: "Soll¬ test du aber einer der Unsterblichen seyn, welche ja manch¬ mal in sichtbarer Gestalt die Menschen bei ihren Festen besuchen: -- dann freilich bedarfst du unserer Beihülfe nicht, und es ist an uns, dich um deinen Schutz zu bitten!"
"Denke doch das nicht in deinem Herzen," ant¬ wortete Odysseus dem Könige beschämt, "gleiche ich doch an Wuchs und Gestalt nicht den unsterblichen Göttern sondern bin ein Sterblicher wie ihr Alle es seyd! Ja wenn ihr einen Menschen kennet, der euch auf Erden der unglückseligste deucht, so nehme ich es mit seiner Trübsal
gleich uns Platz nehmen und erhebe ihn aus dem Staub! Die Herolde ſollen neuen Wein miſchen, daß wir dem Jupiter, dem Beſchirmer des Gaſtrechts, auch noch ein Trankopfer bringen; und die Schaffnerin mag den neuen Gaſt mit Speiſe und Trank laben!“
Dieſe Rede gefiel dem guten König; er nahm den Helden ſelbſt bei der Hand, erhub ihn und führte ihn zu einem Seſſel an ſeiner eigenen Seite, indem der Lieb¬ ling des Königes ſelbſt, ſein Sohn Laodamas, ihm Platz machen mußte. Auch ſonſt geſchah alles, wie Eche¬ neos gerathen, und Odyſſeus ſchmauste geehrt in der Mitte der Helden. Als das Opfer dem Jupiter darge¬ bracht war, erhub ſich die Verſammlung und der König lud alle Gäſte auf den andern Tag zu einem gleichen Freudenmahle ein. Dem Fremdling aber, ohne auch nur nach ſeinem Namen und Geſchlechte zu fragen, verſprach er, nach gaſtlicher Beherbergung, ſichere Entſendung nach der Heimath. Als er aber den Helden, den Athene noch immer mit einem Schimmer überirdiſcher Hoheit umgeben hatte, näher betrachtete, da ſetzte er noch hinzu: „Soll¬ teſt du aber einer der Unſterblichen ſeyn, welche ja manch¬ mal in ſichtbarer Geſtalt die Menſchen bei ihren Feſten beſuchen: — dann freilich bedarfſt du unſerer Beihülfe nicht, und es iſt an uns, dich um deinen Schutz zu bitten!“
„Denke doch das nicht in deinem Herzen,“ ant¬ wortete Odyſſeus dem Könige beſchämt, „gleiche ich doch an Wuchs und Geſtalt nicht den unſterblichen Göttern ſondern bin ein Sterblicher wie ihr Alle es ſeyd! Ja wenn ihr einen Menſchen kennet, der euch auf Erden der unglückſeligſte deucht, ſo nehme ich es mit ſeiner Trübſal
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gleich uns Platz nehmen und erhebe ihn aus dem Staub!
Die Herolde ſollen neuen Wein miſchen, daß wir dem
Jupiter, dem Beſchirmer des Gaſtrechts, auch noch ein
Trankopfer bringen; und die Schaffnerin mag den neuen
Gaſt mit Speiſe und Trank laben!“
Dieſe Rede gefiel dem guten König; er nahm den
Helden ſelbſt bei der Hand, erhub ihn und führte ihn
zu einem Seſſel an ſeiner eigenen Seite, indem der Lieb¬
ling des Königes ſelbſt, ſein Sohn Laodamas, ihm
Platz machen mußte. Auch ſonſt geſchah alles, wie Eche¬
neos gerathen, und Odyſſeus ſchmauste geehrt in der
Mitte der Helden. Als das Opfer dem Jupiter darge¬
bracht war, erhub ſich die Verſammlung und der König
lud alle Gäſte auf den andern Tag zu einem gleichen
Freudenmahle ein. Dem Fremdling aber, ohne auch nur
nach ſeinem Namen und Geſchlechte zu fragen, verſprach
er, nach gaſtlicher Beherbergung, ſichere Entſendung nach
der Heimath. Als er aber den Helden, den Athene noch
immer mit einem Schimmer überirdiſcher Hoheit umgeben
hatte, näher betrachtete, da ſetzte er noch hinzu: „Soll¬
teſt du aber einer der Unſterblichen ſeyn, welche ja manch¬
mal in ſichtbarer Geſtalt die Menſchen bei ihren Feſten
beſuchen: — dann freilich bedarfſt du unſerer Beihülfe
nicht, und es iſt an uns, dich um deinen Schutz zu
bitten!“
„Denke doch das nicht in deinem Herzen,“ ant¬
wortete Odyſſeus dem Könige beſchämt, „gleiche ich doch
an Wuchs und Geſtalt nicht den unſterblichen Göttern
ſondern bin ein Sterblicher wie ihr Alle es ſeyd! Ja
wenn ihr einen Menſchen kennet, der euch auf Erden
der unglückſeligſte deucht, ſo nehme ich es mit ſeiner Trübſal
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/133>, abgerufen am 24.11.2024.
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