in seinem Herzen, "als mein Freund Polydamas mir den Rath gab, das Heer der Trojaner in die Stadt zurückzu¬ führen! Jetzt nachdem ich das Volk durch meine Bethö¬ rung verderbt habe, fürchte ich mich vor den Männern und Weibern Troja's, daß nicht einer der Schlechteren mir dereinst sage: im Vertrauen auf seine eigene Stärke hat Hektor das Volk preisgegeben. Viel besser ich siege oder falle im Kampfe mit dem Gefürchteten! -- Oder wie? wenn ich Schild und Helm jetzt zur Erde legte, meinen Speer an die Mauer lehnte, ihm entgegen ginge, ihm Helena, alle Schätze, die Paris geraubt, zudem anderes Gut die Fülle anböte; wenn ich alsdann den Fürsten Troja's einen Eidschwur abnähme, nichts ingeheim zu entziehen; all unsre Schätze und Vorräthe in zwei Theile zu theilen ..... Doch, wehe mir, was für Gedanken kommen mir ins Herz? Ich mich ihm flehend nahen? Ohne Erbarmen würde er mich, den Entblößten, nieder¬ hauen, wie ein Weib! Fürwahr es würde schön lassen, wenn ich mich zu einem traulichen Gespräche ihm beige¬ sellen wollte, wie ein Jüngling wohl mit der Jungfrau plaudert! Besser, wir rennen auf einander an zum Kampfe, daß es sich bald entscheiden muß, welchem von uns beiden die Olympischen den Sieg verliehen!" Solche Gedanken wog Hektor im Geiste ab und blieb.
in ſeinem Herzen, „als mein Freund Polydamas mir den Rath gab, das Heer der Trojaner in die Stadt zurückzu¬ führen! Jetzt nachdem ich das Volk durch meine Bethö¬ rung verderbt habe, fürchte ich mich vor den Männern und Weibern Troja's, daß nicht einer der Schlechteren mir dereinſt ſage: im Vertrauen auf ſeine eigene Stärke hat Hektor das Volk preisgegeben. Viel beſſer ich ſiege oder falle im Kampfe mit dem Gefürchteten! — Oder wie? wenn ich Schild und Helm jetzt zur Erde legte, meinen Speer an die Mauer lehnte, ihm entgegen ginge, ihm Helena, alle Schätze, die Paris geraubt, zudem anderes Gut die Fülle anböte; wenn ich alsdann den Fürſten Troja's einen Eidſchwur abnähme, nichts ingeheim zu entziehen; all unſre Schätze und Vorräthe in zwei Theile zu theilen ..... Doch, wehe mir, was für Gedanken kommen mir ins Herz? Ich mich ihm flehend nahen? Ohne Erbarmen würde er mich, den Entblößten, nieder¬ hauen, wie ein Weib! Fürwahr es würde ſchön laſſen, wenn ich mich zu einem traulichen Geſpräche ihm beige¬ ſellen wollte, wie ein Jüngling wohl mit der Jungfrau plaudert! Beſſer, wir rennen auf einander an zum Kampfe, daß es ſich bald entſcheiden muß, welchem von uns beiden die Olympiſchen den Sieg verliehen!“ Solche Gedanken wog Hektor im Geiſte ab und blieb.
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in ſeinem Herzen, „als mein Freund Polydamas mir den
Rath gab, das Heer der Trojaner in die Stadt zurückzu¬
führen! Jetzt nachdem ich das Volk durch meine Bethö¬
rung verderbt habe, fürchte ich mich vor den Männern
und Weibern Troja's, daß nicht einer der Schlechteren
mir dereinſt ſage: im Vertrauen auf ſeine eigene Stärke
hat Hektor das Volk preisgegeben. Viel beſſer ich ſiege
oder falle im Kampfe mit dem Gefürchteten! — Oder wie?
wenn ich Schild und Helm jetzt zur Erde legte, meinen
Speer an die Mauer lehnte, ihm entgegen ginge, ihm
Helena, alle Schätze, die Paris geraubt, zudem anderes
Gut die Fülle anböte; wenn ich alsdann den Fürſten
Troja's einen Eidſchwur abnähme, nichts ingeheim zu
entziehen; all unſre Schätze und Vorräthe in zwei Theile
zu theilen ..... Doch, wehe mir, was für Gedanken
kommen mir ins Herz? Ich mich ihm flehend nahen?
Ohne Erbarmen würde er mich, den Entblößten, nieder¬
hauen, wie ein Weib! Fürwahr es würde ſchön laſſen,
wenn ich mich zu einem traulichen Geſpräche ihm beige¬
ſellen wollte, wie ein Jüngling wohl mit der Jungfrau
plaudert! Beſſer, wir rennen auf einander an zum
Kampfe, daß es ſich bald entſcheiden muß, welchem von
uns beiden die Olympiſchen den Sieg verliehen!“ Solche
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/303>, abgerufen am 22.11.2024.
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