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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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Kampf des Achilles mit dem Stromgotte Skamander.

Als die Fliehenden und ihr Verfolger an die Flut
des Wirbel drehenden Skamander gekommen waren, theilte
sich die Flucht. Ein Theil warf sich stadtwärts auf das
Blachfeld, wo am vorigen Tage Hektor als Sieger die
Griechen getummelt hatte. Ueber sie breitete Juno ein
dichtes Gewölk aus, und hinderte sie so, weiter zu fliehen.
Die andern aber, hart an das Gewässer des Stromes
gedrängt, stürzten sich in seine tosenden Wirbel hinab,
daß die Gestade ringsumher wiederhallten. Dort schwam¬
men sie durcheinander wie Heuschrecken, die man mit Feuer
ins Wasser gescheucht hat; so füllte sich mit einem Ge¬
wirre von Rossen und Männern der ganze Fluß. Da
lehnte der Pelide seine Lanze an einen Tamariskenbaum
des Ufers, und stürzte sich, das Schwert allein in der
Hand, wie ein Gott ihnen nach. Bald röthete sich das
Wasser von Blut, und unter seinen Streichen erhub sich
hier und dort ein Röcheln aus den Wellen; er wüthete
wie in einer Hafenbucht ein ungeheurer Delphin, der von
den andern Fischen verschlingt, welchen er erhascht. Als
ihm allmählig vom Morden die Hände starr wurden,
ergriff er doch noch zwölf Jünglinge lebendig im Strome;
er zog sie, der Sinne halb schon beraubt, heraus, und über¬
gab sie den Seinigen, um dort als Sühnopfer für den
Tod seines Freundes Patroklus zu fallen.

Als der Held nun wieder in den Strom stürzte, nach
neuem Würgen sich sehnend, begegnete ihm, eben aus
den Fluthen aufstrebend, Lykaon, der Sohn des Priamus,

Kampf des Achilles mit dem Stromgotte Skamander.

Als die Fliehenden und ihr Verfolger an die Flut
des Wirbel drehenden Skamander gekommen waren, theilte
ſich die Flucht. Ein Theil warf ſich ſtadtwärts auf das
Blachfeld, wo am vorigen Tage Hektor als Sieger die
Griechen getummelt hatte. Ueber ſie breitete Juno ein
dichtes Gewölk aus, und hinderte ſie ſo, weiter zu fliehen.
Die andern aber, hart an das Gewäſſer des Stromes
gedrängt, ſtürzten ſich in ſeine toſenden Wirbel hinab,
daß die Geſtade ringsumher wiederhallten. Dort ſchwam¬
men ſie durcheinander wie Heuſchrecken, die man mit Feuer
ins Waſſer geſcheucht hat; ſo füllte ſich mit einem Ge¬
wirre von Roſſen und Männern der ganze Fluß. Da
lehnte der Pelide ſeine Lanze an einen Tamariskenbaum
des Ufers, und ſtürzte ſich, das Schwert allein in der
Hand, wie ein Gott ihnen nach. Bald röthete ſich das
Waſſer von Blut, und unter ſeinen Streichen erhub ſich
hier und dort ein Röcheln aus den Wellen; er wüthete
wie in einer Hafenbucht ein ungeheurer Delphin, der von
den andern Fiſchen verſchlingt, welchen er erhaſcht. Als
ihm allmählig vom Morden die Hände ſtarr wurden,
ergriff er doch noch zwölf Jünglinge lebendig im Strome;
er zog ſie, der Sinne halb ſchon beraubt, heraus, und über¬
gab ſie den Seinigen, um dort als Sühnopfer für den
Tod ſeines Freundes Patroklus zu fallen.

Als der Held nun wieder in den Strom ſtürzte, nach
neuem Würgen ſich ſehnend, begegnete ihm, eben aus
den Fluthen aufſtrebend, Lykaon, der Sohn des Priamus,

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[267/0289] Kampf des Achilles mit dem Stromgotte Skamander. Als die Fliehenden und ihr Verfolger an die Flut des Wirbel drehenden Skamander gekommen waren, theilte ſich die Flucht. Ein Theil warf ſich ſtadtwärts auf das Blachfeld, wo am vorigen Tage Hektor als Sieger die Griechen getummelt hatte. Ueber ſie breitete Juno ein dichtes Gewölk aus, und hinderte ſie ſo, weiter zu fliehen. Die andern aber, hart an das Gewäſſer des Stromes gedrängt, ſtürzten ſich in ſeine toſenden Wirbel hinab, daß die Geſtade ringsumher wiederhallten. Dort ſchwam¬ men ſie durcheinander wie Heuſchrecken, die man mit Feuer ins Waſſer geſcheucht hat; ſo füllte ſich mit einem Ge¬ wirre von Roſſen und Männern der ganze Fluß. Da lehnte der Pelide ſeine Lanze an einen Tamariskenbaum des Ufers, und ſtürzte ſich, das Schwert allein in der Hand, wie ein Gott ihnen nach. Bald röthete ſich das Waſſer von Blut, und unter ſeinen Streichen erhub ſich hier und dort ein Röcheln aus den Wellen; er wüthete wie in einer Hafenbucht ein ungeheurer Delphin, der von den andern Fiſchen verſchlingt, welchen er erhaſcht. Als ihm allmählig vom Morden die Hände ſtarr wurden, ergriff er doch noch zwölf Jünglinge lebendig im Strome; er zog ſie, der Sinne halb ſchon beraubt, heraus, und über¬ gab ſie den Seinigen, um dort als Sühnopfer für den Tod ſeines Freundes Patroklus zu fallen. Als der Held nun wieder in den Strom ſtürzte, nach neuem Würgen ſich ſehnend, begegnete ihm, eben aus den Fluthen aufſtrebend, Lykaon, der Sohn des Priamus,

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/289>, abgerufen am 22.11.2024.