Getümmel und Angstgeschrei der flüchtenden Danaer vor seine Ohren kam, schlug er sich die Hüfte mit der flachen Hand und rief laut aufjammernd: "Nein, Eurypylus, so gerne ich dich noch weiter pflegen möchte, länger darf ich nicht bei dir verweilen, denn draußen wird es zu laut! So behilf dich denn mit deinem Waffengenossen. Ich selbst aber eile zu meinem Freunde dem Peliden und ver¬ suche es, ob ich mit Hülfe der Götter und mit meinem Zuspruche ihn nicht zu bewegen vermag, an der Feldschlacht endlich wieder Antheil zu nehmen!" Kaum hatte er aus¬ gesprochen, als seine behenden Füße ihn auch schon aus dem Zelte trugen.
Inzwischen tobte der Kampf bei den Schiffen, ohne daß der Vortheil sich auf Eine Seite geneigt hätte. Um eines der Schiffe stritten sich Hektor und Ajax; aber jener vermochte diesen nicht vom Borde zu vertreiben, und den Feuerbrand in das Fahrzeug zu werfen; dieser nicht, jenen zu verdrängen. Der Speer des Telamoniers streckte Kaletor, den Verwandten Hektors, an dessen Seite nieder; die Lanze Hektors traf Lykophron, den Streitgenossen des Ajax. Auf seinen Fall eilte Teucer dem Bruder zu Hülfe, und schoß dem Wagenlenker des Polydamas, Klitus, einen Pfeil in den Nacken. Polydamas, der zu Fuße focht, hemmte die leer davon eilenden Rosse. Ein zweiter Pfeil Teucers flog auf Hektor, aber Jupiter ließ die Sehne zerreißen und das Geschoß seitwärts abirren; der Bogenschütze empfand schmerzlich die feindselige Gewalt des Gottes. Ajax ermahnte den Bruder, Bogen und Pfeil zu lassen, und zu Schild und Speer zu greifen; dieß that der Held und bedeckte sich mit einem stattlichen Helme. Hektor dagegen rief seinen Kämpfern zu: "Muthig
Getümmel und Angſtgeſchrei der flüchtenden Danaer vor ſeine Ohren kam, ſchlug er ſich die Hüfte mit der flachen Hand und rief laut aufjammernd: „Nein, Eurypylus, ſo gerne ich dich noch weiter pflegen möchte, länger darf ich nicht bei dir verweilen, denn draußen wird es zu laut! So behilf dich denn mit deinem Waffengenoſſen. Ich ſelbſt aber eile zu meinem Freunde dem Peliden und ver¬ ſuche es, ob ich mit Hülfe der Götter und mit meinem Zuſpruche ihn nicht zu bewegen vermag, an der Feldſchlacht endlich wieder Antheil zu nehmen!“ Kaum hatte er aus¬ geſprochen, als ſeine behenden Füße ihn auch ſchon aus dem Zelte trugen.
Inzwiſchen tobte der Kampf bei den Schiffen, ohne daß der Vortheil ſich auf Eine Seite geneigt hätte. Um eines der Schiffe ſtritten ſich Hektor und Ajax; aber jener vermochte dieſen nicht vom Borde zu vertreiben, und den Feuerbrand in das Fahrzeug zu werfen; dieſer nicht, jenen zu verdrängen. Der Speer des Telamoniers ſtreckte Kaletor, den Verwandten Hektors, an deſſen Seite nieder; die Lanze Hektors traf Lykophron, den Streitgenoſſen des Ajax. Auf ſeinen Fall eilte Teucer dem Bruder zu Hülfe, und ſchoß dem Wagenlenker des Polydamas, Klitus, einen Pfeil in den Nacken. Polydamas, der zu Fuße focht, hemmte die leer davon eilenden Roſſe. Ein zweiter Pfeil Teucers flog auf Hektor, aber Jupiter ließ die Sehne zerreißen und das Geſchoß ſeitwärts abirren; der Bogenſchütze empfand ſchmerzlich die feindſelige Gewalt des Gottes. Ajax ermahnte den Bruder, Bogen und Pfeil zu laſſen, und zu Schild und Speer zu greifen; dieß that der Held und bedeckte ſich mit einem ſtattlichen Helme. Hektor dagegen rief ſeinen Kämpfern zu: „Muthig
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0232"n="210"/>
Getümmel und Angſtgeſchrei der flüchtenden Danaer vor<lb/>ſeine Ohren kam, ſchlug er ſich die Hüfte mit der flachen<lb/>
Hand und rief laut aufjammernd: „Nein, Eurypylus, ſo<lb/>
gerne ich dich noch weiter pflegen möchte, länger darf ich<lb/>
nicht bei dir verweilen, denn draußen wird es zu laut!<lb/>
So behilf dich denn mit deinem Waffengenoſſen. Ich<lb/>ſelbſt aber eile zu meinem Freunde dem Peliden und ver¬<lb/>ſuche es, ob ich mit Hülfe der Götter und mit meinem<lb/>
Zuſpruche ihn nicht zu bewegen vermag, an der Feldſchlacht<lb/>
endlich wieder Antheil zu nehmen!“ Kaum hatte er aus¬<lb/>
geſprochen, als ſeine behenden Füße ihn auch ſchon aus<lb/>
dem Zelte trugen.</p><lb/><p>Inzwiſchen tobte der Kampf bei den Schiffen, ohne<lb/>
daß der Vortheil ſich auf Eine Seite geneigt hätte. Um<lb/>
eines der Schiffe ſtritten ſich Hektor und Ajax; aber jener<lb/>
vermochte dieſen nicht vom Borde zu vertreiben, und den<lb/>
Feuerbrand in das Fahrzeug zu werfen; dieſer nicht,<lb/>
jenen zu verdrängen. Der Speer des Telamoniers ſtreckte<lb/>
Kaletor, den Verwandten Hektors, an deſſen Seite nieder;<lb/>
die Lanze Hektors traf Lykophron, den Streitgenoſſen des<lb/>
Ajax. Auf ſeinen Fall eilte Teucer dem Bruder zu Hülfe,<lb/>
und ſchoß dem Wagenlenker des Polydamas, Klitus, einen<lb/>
Pfeil in den Nacken. Polydamas, der zu Fuße focht,<lb/>
hemmte die leer davon eilenden Roſſe. Ein zweiter Pfeil<lb/>
Teucers flog auf Hektor, aber Jupiter ließ die Sehne<lb/>
zerreißen und das Geſchoß ſeitwärts abirren; der<lb/>
Bogenſchütze empfand ſchmerzlich die feindſelige Gewalt<lb/>
des Gottes. Ajax ermahnte den Bruder, Bogen und<lb/>
Pfeil zu laſſen, und zu Schild und Speer zu greifen;<lb/>
dieß that der Held und bedeckte ſich mit einem ſtattlichen<lb/>
Helme. Hektor dagegen rief ſeinen Kämpfern zu: „Muthig<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[210/0232]
Getümmel und Angſtgeſchrei der flüchtenden Danaer vor
ſeine Ohren kam, ſchlug er ſich die Hüfte mit der flachen
Hand und rief laut aufjammernd: „Nein, Eurypylus, ſo
gerne ich dich noch weiter pflegen möchte, länger darf ich
nicht bei dir verweilen, denn draußen wird es zu laut!
So behilf dich denn mit deinem Waffengenoſſen. Ich
ſelbſt aber eile zu meinem Freunde dem Peliden und ver¬
ſuche es, ob ich mit Hülfe der Götter und mit meinem
Zuſpruche ihn nicht zu bewegen vermag, an der Feldſchlacht
endlich wieder Antheil zu nehmen!“ Kaum hatte er aus¬
geſprochen, als ſeine behenden Füße ihn auch ſchon aus
dem Zelte trugen.
Inzwiſchen tobte der Kampf bei den Schiffen, ohne
daß der Vortheil ſich auf Eine Seite geneigt hätte. Um
eines der Schiffe ſtritten ſich Hektor und Ajax; aber jener
vermochte dieſen nicht vom Borde zu vertreiben, und den
Feuerbrand in das Fahrzeug zu werfen; dieſer nicht,
jenen zu verdrängen. Der Speer des Telamoniers ſtreckte
Kaletor, den Verwandten Hektors, an deſſen Seite nieder;
die Lanze Hektors traf Lykophron, den Streitgenoſſen des
Ajax. Auf ſeinen Fall eilte Teucer dem Bruder zu Hülfe,
und ſchoß dem Wagenlenker des Polydamas, Klitus, einen
Pfeil in den Nacken. Polydamas, der zu Fuße focht,
hemmte die leer davon eilenden Roſſe. Ein zweiter Pfeil
Teucers flog auf Hektor, aber Jupiter ließ die Sehne
zerreißen und das Geſchoß ſeitwärts abirren; der
Bogenſchütze empfand ſchmerzlich die feindſelige Gewalt
des Gottes. Ajax ermahnte den Bruder, Bogen und
Pfeil zu laſſen, und zu Schild und Speer zu greifen;
dieß that der Held und bedeckte ſich mit einem ſtattlichen
Helme. Hektor dagegen rief ſeinen Kämpfern zu: „Muthig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/232>, abgerufen am 30.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.