Während Theseus damit beschäftigt war, den Staat durch Götterfurcht zu befestigen, und daher den Dienst der Athene (Minerva) als Schutzgöttin des Landes be¬ gründete, auch dem Neptunus zu Ehren, dessen beson¬ derer Schützling er war und für dessen Sohn er lange gegolten hatte, die heiligen Kampfspiele auf dem Isth¬ mus von Corinth einführte, oder doch erneuerte, wie einst Herkules die olympischen Spiele dem Jupiter an¬ geordnet hatte, wurde Athen von einem seltsamen und ausserordentlichen Kriege heimgesucht. Theseus hatte nämlich in jüngeren Jahren auf einem Fehdenzuge an der Küste der Amazonen gelandet, und diese, die nicht män¬ nerscheu waren, flohen so wenig vor dem stattlichen Hel¬ den, daß sie ihm vielmehr Gastgeschenke zusandten. Dem Theseus aber gefielen nicht nur die Geschenke, sondern auch die schöne Amazone, die deren Ueberbringerin war. Diese hieß Hippolyte, und der Held lud sie ein, sein Schiff zu besuchen; als sie dieses bestiegen hatte, fuhr er mit seinem schönen Raube davon. Zu Athen angekom¬ men, vermählte er sich mit ihr. Hippolyte war nicht ungerne die Gemahlin eines Helden und eines herrlichen Königs. Aber das streitbare Weibervolk der Amazonen war über jenen frechen Raub entrüstet, und noch als derselbe längst vergessen schien, sannen sie auf Rache, nahmen eine Gelegenheit wahr, wo der Staat der Athe¬ ner unbewacht schien, und plötzlich eines Tages landeten sie mit einer Schiffeschaar, bemächtigten sich des Landes und umzingelten die Stadt, in welche sie im Sturm ein¬ brachen. Ja sie schlugen mitten in derselben ein ordent¬
Der Amazonenkrieg.
Während Theſeus damit beſchäftigt war, den Staat durch Götterfurcht zu befeſtigen, und daher den Dienſt der Athene (Minerva) als Schutzgöttin des Landes be¬ gründete, auch dem Neptunus zu Ehren, deſſen beſon¬ derer Schützling er war und für deſſen Sohn er lange gegolten hatte, die heiligen Kampfſpiele auf dem Iſth¬ mus von Corinth einführte, oder doch erneuerte, wie einſt Herkules die olympiſchen Spiele dem Jupiter an¬ geordnet hatte, wurde Athen von einem ſeltſamen und auſſerordentlichen Kriege heimgeſucht. Theſeus hatte nämlich in jüngeren Jahren auf einem Fehdenzuge an der Küſte der Amazonen gelandet, und dieſe, die nicht män¬ nerſcheu waren, flohen ſo wenig vor dem ſtattlichen Hel¬ den, daß ſie ihm vielmehr Gaſtgeſchenke zuſandten. Dem Theſeus aber gefielen nicht nur die Geſchenke, ſondern auch die ſchöne Amazone, die deren Ueberbringerin war. Dieſe hieß Hippolyte, und der Held lud ſie ein, ſein Schiff zu beſuchen; als ſie dieſes beſtiegen hatte, fuhr er mit ſeinem ſchönen Raube davon. Zu Athen angekom¬ men, vermählte er ſich mit ihr. Hippolyte war nicht ungerne die Gemahlin eines Helden und eines herrlichen Königs. Aber das ſtreitbare Weibervolk der Amazonen war über jenen frechen Raub entrüſtet, und noch als derſelbe längſt vergeſſen ſchien, ſannen ſie auf Rache, nahmen eine Gelegenheit wahr, wo der Staat der Athe¬ ner unbewacht ſchien, und plötzlich eines Tages landeten ſie mit einer Schiffeſchaar, bemächtigten ſich des Landes und umzingelten die Stadt, in welche ſie im Sturm ein¬ brachen. Ja ſie ſchlugen mitten in derſelben ein ordent¬
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Der Amazonenkrieg.
Während Theſeus damit beſchäftigt war, den Staat
durch Götterfurcht zu befeſtigen, und daher den Dienſt
der Athene (Minerva) als Schutzgöttin des Landes be¬
gründete, auch dem Neptunus zu Ehren, deſſen beſon¬
derer Schützling er war und für deſſen Sohn er lange
gegolten hatte, die heiligen Kampfſpiele auf dem Iſth¬
mus von Corinth einführte, oder doch erneuerte, wie
einſt Herkules die olympiſchen Spiele dem Jupiter an¬
geordnet hatte, wurde Athen von einem ſeltſamen und
auſſerordentlichen Kriege heimgeſucht. Theſeus hatte
nämlich in jüngeren Jahren auf einem Fehdenzuge an der
Küſte der Amazonen gelandet, und dieſe, die nicht män¬
nerſcheu waren, flohen ſo wenig vor dem ſtattlichen Hel¬
den, daß ſie ihm vielmehr Gaſtgeſchenke zuſandten. Dem
Theſeus aber gefielen nicht nur die Geſchenke, ſondern
auch die ſchöne Amazone, die deren Ueberbringerin war.
Dieſe hieß Hippolyte, und der Held lud ſie ein, ſein
Schiff zu beſuchen; als ſie dieſes beſtiegen hatte, fuhr er
mit ſeinem ſchönen Raube davon. Zu Athen angekom¬
men, vermählte er ſich mit ihr. Hippolyte war nicht
ungerne die Gemahlin eines Helden und eines herrlichen
Königs. Aber das ſtreitbare Weibervolk der Amazonen
war über jenen frechen Raub entrüſtet, und noch als
derſelbe längſt vergeſſen ſchien, ſannen ſie auf Rache,
nahmen eine Gelegenheit wahr, wo der Staat der Athe¬
ner unbewacht ſchien, und plötzlich eines Tages landeten
ſie mit einer Schiffeſchaar, bemächtigten ſich des Landes
und umzingelten die Stadt, in welche ſie im Sturm ein¬
brachen. Ja ſie ſchlugen mitten in derſelben ein ordent¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/319>, abgerufen am 22.11.2024.
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